Bei der Anti-Minarett-Initiative ermittelte zwei Wochen vor der Abstimmung eine
SRG-Umfrage, dass sich 53 Prozent der Schweizer gegen ein Bauverbot von
Minaretten stellte. Im November 2009 stimmten 57.5 Prozent dafür.
Bei der SP-Steuerinitiative lehnten zwei Wochen vor der Abstimmung im November 2010
lediglich 39 Prozent der von der SRG Befragten die Abschaffung von
Steuerprivilegien für Superreiche ab. An der Urne waren es 58.5 Prozent.
53 Prozent gaben einen Monat vor der Abstimmung im
November 2013 gegenüber der SRG an, für eine Preiserhöhung der
Autobah Vignette zu stimmen. Am Stichtag wurde die Initiative mit 60.5 Prozent abgelehnt.
Nun kommt die Einwanderungsinitiative. Laut einer SRG Umfrage stimmen nur 37 Prozent der
Schweizer der Einwanderungs Initiative zu. Doch viele trauen diesen Zahlen nicht. Aus
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Grund für den Minarett-Effekt sei, dass die Leute nicht sagten,
was sie wirklich stimmen werden, wie SVP-Nationalrat Christoph Blocher
gegenüber der "Schweiz am Sonntag" erklärt. Für
die SVP wäre ein solcher Effekt in Bezug auf die
Masseneinwanderungs-Initiative von Vorteil.
Da die Zustimmung an Auftritten und Podien jeweils sehr gross sei,
schliesst laut dem "Tages-Anzeiger" auch SVP-Nationalrat Gregor Rutz
nicht aus, dass sich das Ergebnis der SRG-Umfrage nach dem Urnengang
als als fehlerhaft herausstellen wird.
Umfrageleiter Claude Longchamp: "Diesen Effekt gibt es nicht", sagt er
gegenüber der Zeitung "Schweiz am Sonntag". Trotzdem betont er,
dass sich die Umfragewerte nicht mit den Abstimmungsresultaten decken
müssen.
Laut Longchamp sei die Situation in der Schweiz heute
anders als bei früheren Abstimmungen über die
Personenfreizügigkeit. "Damals war die Freizügigkeit
mit der Hoffnung auf die Möglichkeit eines persönlichen
wirtschaftlichen Aufstiegs verbunden." Doch nun sei die Mittelschicht zum
ersten Mal dazu bereit, dagegen zu stimmen. Die Frustration über die
Personenfreizügigkeit sei in der Bevölkerung weit verbreitet.
Nicht nur der Bundesrat und die Wirtschaftsverbände- auch die
Prognostiker zittern. Auch bei der Masseneinwanderungsinitiative könnten
die Prognosen wieder falsch sein.
Solche Beispiele zeigen, dass bei Themen, bei denen es um
Angst (Angst um Jobs,
Identitätsangst oder Angst vor Kosten) geht, die Umfragen daneben liegen können.
Gründe könnten sein:
- Direkt befragt, gibt man nicht gerne zu, geizig, xenophob oder egoistisch zu sein.
Anonym, an der Urne entscheidet oft nicht der Kopf sondern der Bauch.
Oekonomen kennen das im Zusammenhang mit der Pigou Steuer:
die direkten persönlichen Interessen entsprechen nicht immer den globalen Interessen.
Eine Firma, die die Luft und Fluss verschmutzt, will nicht für die Filter bezahlen,
die direkten Interessen und Kosten sprechen dagegen. Verschmutztes Wasser und Luft können aber dazu
führen, dass die Leute wegziehen und die Gegen nicht mehr attraktiv für die Firma ist.
Bei der Einwanderungsinitiative sind Wirtschaftsverbände und Regierung dagegen, weil sie
voraussehen, dass es der Gesamtwirtschaft schaden würde. An der Urne jedoch könnte die Angst, mehr internationale
Konkurrenz beim eigenen Job zu haben, stärker sein. Die realere Angst, dass die Firma wegen des ungünstigeren
Arbeitsmarks wegen dicht macht oder sich ins Ausland zieht, ist zweitrangig.
- Ein anderer Grund für Unterschiede könnte aber auch sein, dass die Gruppe der Befragten nicht mit der Gruppe
der Wählenden übereinstimmt. In Umfragen sind sozial vernetztere
vielleicht eher bereit, der SRG eine Antwort zu geben, haben dann aber keine Zeit, neben
Familie, Job und Freizeitaktivitäten noch Zeit fürs Wahllokal zu finden.
- Schlussendlich können auch Umfragen die Meinungen beeinflussen. Wenn die Umfragen einen klaren
Sieg für eine Initiative vorhersehen, dann gehen die "Gewinner" nicht mehr an die Urne, weil die
Sache ja "gelaufen ist".