Die Suche nach dem Boston Marathon Bomber war in mehrerer Hinsicht
spannend. Boston war für einen Tag lahmgelegt. Information war gefragt.
Für die Medien war es ein Test. Können Kabelnews,
Lokale News mit schnellen Medien wie Twitter mithalten? Tatsächlich hatte
Twitter einen Vorteil weil Personen in der Nähe der Schauplätze (Cambridge
oder Watertown) sofort Bilder und Details herausgeben konnten. Allerdings hatten die
Onlinemedien auch mit vielen "Zeitungsenten" zu kämpfen: so wurde etwa der Name eines
falschen Verdächtigen herumgereicht. Reporter mit langen Atem und kühlem
Kopf waren die Gewinner. Wie Pete Williams von NBC. CNN hatte etwas Pech:
Aus
Spiegel Artikel:
Grosser Verlierer: CNN. "Es ist erstaunlich, wie durchgehend
schlecht CNN diese Woche war", schimpfte Web-Redakteur Lance Turner.
"Dies könnte ein Wendepunkt sein." TV-Satiriker Jon Stewart
verhöhnte die oft hilflosen CNN-Reporter als "menschliche Tausendfüssler".
Doch trotz der Fehler gewann CNN Zuschauer dazu, lag vor MSNBC, aber
noch hinter Fox. Für den alten News-Sender war Boston, nach jahrelangem
US-Quotenschwund, eine enorme Herausforderung. Der frisch gebackene
CNN-Chef Jeff Zucker, der zuvor NBC geführt hatte, hat gerade erst
das Programm umgekrempelt, hat alte Stars gefeuert und neue eingekauft.
Darunter Politikkorrespondent Jake Tapper, vormals ABC. Der hatte sich
nach sieben Stunden auf Sendung hingelegt und erfuhr um 1.10 Uhr von
der Schiesserei - über Twitter.
Trotzdem kührt Spiegel die Kabelsender als Gewinner:
Am Ende gab es bei diesem spektakulärsten Medienereignis in den USA
seit Jahren einen Überraschungssieger - die alten, behäbigen
TV-Networks, von vielen längst abgeschrieben. Das sah anfangs
anders aus. Als sich die Jagd in der Nacht zum Freitag im Vorort Watertown
zuzuspitzen begann, hatten sich die Rund-um-die-Uhr-Kabelkanäle
CNN, Fox News und MSNBC gerade mit Wiederholungen schlafen gelegt. Die
Networks ABC, CBS und NBC ebenfalls. Wer Bescheid wissen wollte, musste
auf den Kurznachrichtendienst Twitter umschalten: Da spielten sich
Schiessereien und Verfolgungsszenen ab, in Echtzeit - wie eine reale
Version der TV-Thrillerserie "24".
Augenzeugen twitterten im Sekundentakt, mit Texten und Fotos. Etwa der
Autor Seth Mnookin, der an der Eliteuni MIT unterrichtet, wo ein
Wachmann erschossen worden war, und in der Strasse wohnt, wo sich die Cops mit
den Verdächtigen ein langes Feuergefecht lieferten.
"Blaulichter überall", schrieb Mnookin. "Automatische Waffen und
Bombenspürhunde auf dem Gehweg." Die Nacht, sagte er später,
erinnere ihn an den 11. September 2001, den er damals in Lower Manhattan
miterlebt hatte.
Schon rief das Internet seinen Sieg aus. "Die Medien sind nicht mehr
im Besitz der Story", triumphierte die Website BuzzFeed, die ihre
"Popularitätslisten" aktuell aufmotzte: "Alles, was ihr über
die Fahndung wissen müsst."
Doch das war viel zu viel versprochen und viel zu früh
gefreut. Websites und Online-Dienste gaben oft nur aufgeschnappte
Informationshäppchen vom Polizeifunk weiter, ohne Zusammenhang und
mit falschen Schlussfolgerungen. Schliesslich platzte dem Boston Police
Department der Kragen, es schaltete die Netzverbindung seines Funks ab.
Soziale Netzwerke waren zugleich Brutstätten für wüste
Spekulationen, die zeitweise in einer Hexenjagd auf Unschuldige
mündeten. Die Plattform Reddit entschuldigte sich später.
Auch Lokalnachrichten hielten sich:
Wie WCVB schlugen sich auch andere Network-Lokalsender wacker. Sonst
wegen ihrer kruden Mischung aus News, Klatsch und PR verlacht, waren sie
stundenlang die einzigen, die nüchtern berichteten - und das unter
teils lebensgefährlichen Bedingungen. WHDH-Reporter Adam Williams
fand sich während der nächtlichen Schiesserei auf der falschen
Seite der Polizeibarrikaden: "Ich war in meinem ganzen Leben noch nie
in so einer Situation", sagte er. "Ich kann das Schiesspulver riechen."
Obama reagierte behutsam.
Es wurde mit einer Foto kommuniziert, dass die Regierung und Berater am Arbeiten
sind.
Aus dem Spiegel Artikel:
Im Weissen Haus verbunkerte man sich erst mal. US-Regierungssprecher Jay
Carney sagte seine Pressekonferenz ab. Nur Banalitäten drangen nach
draussen. Der Präsident werde stets auf dem Laufenden gehalten. Der
Kongress auch. Zwischendurch wurde ein einzelnes, offizielles Foto
veröffentlicht. Krisensitzung im Situation Room: Barack Obama,
Vizepräsident Joe Biden, das Sicherheitsteam. Wasserflaschen auf
dem Tisch, vor Obama eine Kaffeetasse. Soll heissen: Wir haben hier
alles im Griff.
Boston zitterte, doch Washington schwieg. Während der gesamten,
fast 24-stündigen Terror-Nervenprobe gingen Obama und seine Leute
auf Tauchstation. Kein Wort zu Boston. Kein Wort zu Tschetschenien, aus
dem die mutmasslichen Täter stammen. Man müsse erst sicher sein,
hiess es, bevor man vorpresche.
Das war das politische Motto dieses ganzen Tages, an dem lange gar nichts
sicher schien.
Erst spätabends, als auch Dschochar Zarnajew in Haft war, der zweite
Gesuchte, und nachdem die Kommunalbehörden Gelegenheit hatten,
sich vor den TV-Kameras zu feiern, trat Obama vor die Nation. Er war
den Ereignissen gefolgt wie die meisten Amerikaner - am Fernseher.
Doch selbst jetzt, als "die Gerechtigkeit gesiegt hat", wie die Polizei
in einem Tweet jubelte, als in Boston die Menschenmassen auf den Strassen
feierten und "USA! USA!" skandierten, scheute Obama grosse politische
Statements. Er lobte Boston, die Cops, das FBI. Und er schwor restlose
Aufklärung: "Warum haben junge Männer, die hier aufwuchsen
und hier studierten, zu solcher Gewalt gegriffen?"