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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Apr, 2013)

Medien bei der Jagd vom Marathon Bomber

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die Suche nach dem Boston Marathon Bomber war in mehrerer Hinsicht spannend. Boston war für einen Tag lahmgelegt. Information war gefragt. Für die Medien war es ein Test. Können Kabelnews, Lokale News mit schnellen Medien wie Twitter mithalten? Tatsächlich hatte Twitter einen Vorteil weil Personen in der Nähe der Schauplätze (Cambridge oder Watertown) sofort Bilder und Details herausgeben konnten. Allerdings hatten die Onlinemedien auch mit vielen "Zeitungsenten" zu kämpfen: so wurde etwa der Name eines falschen Verdächtigen herumgereicht. Reporter mit langen Atem und kühlem Kopf waren die Gewinner. Wie Pete Williams von NBC. CNN hatte etwas Pech: Aus Spiegel Artikel:
Grosser Verlierer: CNN. "Es ist erstaunlich, wie durchgehend schlecht CNN diese Woche war", schimpfte Web-Redakteur Lance Turner. "Dies könnte ein Wendepunkt sein." TV-Satiriker Jon Stewart verhöhnte die oft hilflosen CNN-Reporter als "menschliche Tausendfüssler". Doch trotz der Fehler gewann CNN Zuschauer dazu, lag vor MSNBC, aber noch hinter Fox. Für den alten News-Sender war Boston, nach jahrelangem US-Quotenschwund, eine enorme Herausforderung. Der frisch gebackene CNN-Chef Jeff Zucker, der zuvor NBC geführt hatte, hat gerade erst das Programm umgekrempelt, hat alte Stars gefeuert und neue eingekauft. Darunter Politikkorrespondent Jake Tapper, vormals ABC. Der hatte sich nach sieben Stunden auf Sendung hingelegt und erfuhr um 1.10 Uhr von der Schiesserei - über Twitter.
Trotzdem kührt Spiegel die Kabelsender als Gewinner:
Am Ende gab es bei diesem spektakulärsten Medienereignis in den USA seit Jahren einen Überraschungssieger - die alten, behäbigen TV-Networks, von vielen längst abgeschrieben. Das sah anfangs anders aus. Als sich die Jagd in der Nacht zum Freitag im Vorort Watertown zuzuspitzen begann, hatten sich die Rund-um-die-Uhr-Kabelkanäle CNN, Fox News und MSNBC gerade mit Wiederholungen schlafen gelegt. Die Networks ABC, CBS und NBC ebenfalls. Wer Bescheid wissen wollte, musste auf den Kurznachrichtendienst Twitter umschalten: Da spielten sich Schiessereien und Verfolgungsszenen ab, in Echtzeit - wie eine reale Version der TV-Thrillerserie "24". Augenzeugen twitterten im Sekundentakt, mit Texten und Fotos. Etwa der Autor Seth Mnookin, der an der Eliteuni MIT unterrichtet, wo ein Wachmann erschossen worden war, und in der Strasse wohnt, wo sich die Cops mit den Verdächtigen ein langes Feuergefecht lieferten. "Blaulichter überall", schrieb Mnookin. "Automatische Waffen und Bombenspürhunde auf dem Gehweg." Die Nacht, sagte er später, erinnere ihn an den 11. September 2001, den er damals in Lower Manhattan miterlebt hatte. Schon rief das Internet seinen Sieg aus. "Die Medien sind nicht mehr im Besitz der Story", triumphierte die Website BuzzFeed, die ihre "Popularitätslisten" aktuell aufmotzte: "Alles, was ihr über die Fahndung wissen müsst." Doch das war viel zu viel versprochen und viel zu früh gefreut. Websites und Online-Dienste gaben oft nur aufgeschnappte Informationshäppchen vom Polizeifunk weiter, ohne Zusammenhang und mit falschen Schlussfolgerungen. Schliesslich platzte dem Boston Police Department der Kragen, es schaltete die Netzverbindung seines Funks ab. Soziale Netzwerke waren zugleich Brutstätten für wüste Spekulationen, die zeitweise in einer Hexenjagd auf Unschuldige mündeten. Die Plattform Reddit entschuldigte sich später.
Auch Lokalnachrichten hielten sich:
Wie WCVB schlugen sich auch andere Network-Lokalsender wacker. Sonst wegen ihrer kruden Mischung aus News, Klatsch und PR verlacht, waren sie stundenlang die einzigen, die nüchtern berichteten - und das unter teils lebensgefährlichen Bedingungen. WHDH-Reporter Adam Williams fand sich während der nächtlichen Schiesserei auf der falschen Seite der Polizeibarrikaden: "Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in so einer Situation", sagte er. "Ich kann das Schiesspulver riechen."
Obama reagierte behutsam. Es wurde mit einer Foto kommuniziert, dass die Regierung und Berater am Arbeiten sind.
Aus dem Spiegel Artikel:
Im Weissen Haus verbunkerte man sich erst mal. US-Regierungssprecher Jay Carney sagte seine Pressekonferenz ab. Nur Banalitäten drangen nach draussen. Der Präsident werde stets auf dem Laufenden gehalten. Der Kongress auch. Zwischendurch wurde ein einzelnes, offizielles Foto veröffentlicht. Krisensitzung im Situation Room: Barack Obama, Vizepräsident Joe Biden, das Sicherheitsteam. Wasserflaschen auf dem Tisch, vor Obama eine Kaffeetasse. Soll heissen: Wir haben hier alles im Griff. Boston zitterte, doch Washington schwieg. Während der gesamten, fast 24-stündigen Terror-Nervenprobe gingen Obama und seine Leute auf Tauchstation. Kein Wort zu Boston. Kein Wort zu Tschetschenien, aus dem die mutmasslichen Täter stammen. Man müsse erst sicher sein, hiess es, bevor man vorpresche. Das war das politische Motto dieses ganzen Tages, an dem lange gar nichts sicher schien. Erst spätabends, als auch Dschochar Zarnajew in Haft war, der zweite Gesuchte, und nachdem die Kommunalbehörden Gelegenheit hatten, sich vor den TV-Kameras zu feiern, trat Obama vor die Nation. Er war den Ereignissen gefolgt wie die meisten Amerikaner - am Fernseher. Doch selbst jetzt, als "die Gerechtigkeit gesiegt hat", wie die Polizei in einem Tweet jubelte, als in Boston die Menschenmassen auf den Strassen feierten und "USA! USA!" skandierten, scheute Obama grosse politische Statements. Er lobte Boston, die Cops, das FBI. Und er schwor restlose Aufklärung: "Warum haben junge Männer, die hier aufwuchsen und hier studierten, zu solcher Gewalt gegriffen?"

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