ist weider in den Medien. Anlass ist ein Buch.
In einem seiner raren TV-Interviews hat sich Jörg Kachelmann als
Kämpfer für alle Männer dargestellt. Frauen hätten
mit einem Vergewaltigungs-Vorwurf eine sehr gefährliche Waffe.
Am Freitag stellt Wetterfrosch Jörg Kachelmann an der Frankfurter
Buchmesse sein Werk "Recht und Gerechtigkeit" vor. Im Rahmen einer
Werbetour gab er im Talk auf "Tele Züri" bereits einige Details
darüber preis. Einstweilige Verfügung gegen Kachelmann-Buch
Das Landgericht Mannheim hat nach Angaben der Anwälte der Ex-Freundin
von Jörg Kachelmann eine einstweilige Verfügung gegen das
Buch "Recht und Gerechtigkeit" des Wettermoderators erlassen. Nach der
Gerichtsentscheidung darf der Heyne-Verlag das Buch nicht verbreiten,
solange die Ex-Geliebte Kachelmanns darin mit vollem Namen genannt wird.
Die Entscheidung betrifft nicht die Exemplare, die bereits im Buchhandel
sind.
Einerseits sind es Einzelheiten zu den 132 Tagen hinter Gitter,
andererseits ist es Kachelmann ein Anliegen, andere Männer "mit
einem Puff im Privatleben" auf drohende Gefahren aufmerksam zu machen.
"Selbst wenn am Ende ein Freispruch herauskommt, geht es für den
Mann nie gut aus", ist Kachelmann überzeugt. Ein Mann müsse
heutzutage bei Trennungssituationen enorm auf der Hut sein. "Es ist
so einfach, einen Mann mit Falschanschuldigungen zu plagen und ihn
ins Gefängnis zu bringen, auch wenn er gar nichts gemacht hat",
ist der 54-Jährige überzeugt. Etwas schön reden wolle er
aber auf keinen Fall: "Ich will jeden in der #Kiste# sehen, der so ein
Verbrechen begeht."
(...)
Beruflich hat Kachelmann die Affäre offenbar nur teilweise geschadet.
Zwar habe es seine ehemalige Geliebte Claudia D. geschafft, dass er nicht
mehr bei der ARD arbeiten könne. Doch dem Unternehmen Meteomedia
gehe es gut, es expandiere international.
Dennoch bleiben Frust und die Feststellung: "So eine Falschanschuldigung
ist das perfekte Verbrechen." Denn selbst bei einem Freispruch werde
ein beschuldigter Mann nie mehr dort sein, wo er vorher war: sei es
gesellschaftlich, sei es beruflich.
Kachelmann versucht mit seinen Auftritten das Image seiner Person
aufzupolieren. Uns interessiert, ob diese Rechnung aufgeht.
Monatelang war Jörg Kachelmann ein Medienthema. Schon lange vorher
habe ich sein Verhalten analysiert und kommentiert. Bereits in den
guten Zeiten als Wetterfrosch pflegte er eine bildhafte Sprache, ich
erinnere an die Wortschöpfung Blumenkohlwolken. Als er während
seiner Haftzeit den Medien vorgeführt wurde, verstand er es,
sich geschickt zu inszenieren. Gepflegte Frisur, Haare geschnitten,
weisses Hemd (Weiss = Symbol der Unschuld), rasiert und ein permanent
aufgesetztes Lächeln. Kachelmann kennt die Wirkung von Bildern und
wie Journalisten arbeiten. Dadurch gab es trotz Blitzlichtgewitter nur
Bilder mit einem lächelnden Kachelmann. Das aufgesetzte Lächeln
hatte sich für ihn damals gelohnt. 2010 vor Gericht schwieg der
Angeschuldigte längere Zeit konsequent, wohl wissend, dass sich
eine Person, die schweigt, nicht in Widersprüche verstricken kann.
Auch jüngst im Talk täglich (Tele Züri) inszeniert sich
Jörg Kachelmann professionell. Haare nicht geschniegelt, aber locker
und gewaschen. Er sitzt locker da, spricht eloquent, mediengerecht,
einfach und verständlich. Er gestikuliert natürlich. Sein
Dreitagebart wirkt gepflegt. Es gibt nur wenige Stellen im Interview,
bei denen er errötet oder etwas verlegen lächelt, er versteht
es, mit Stress umzugehen. Bei der überraschenden Ankündigung,
dass sein Buch nicht veröffentlich werden darf, trinkt er
ruhig Wasser, Stress trocknet den Mund aus. Verschiedene Echos von
Fernsehzuschauern attestieren mir, Kachelmann ist und bleibt ein guter
Schauspieler. Bei seinem jüngsten Auftritt wirkt er für mich
engagiert. Er differenziert und wiederholt in den Antworten gekonnt
seine Botschaft, die lautet: Ich bin unschuldig, bin freigesprochen
worden. Ich wurde zum Opfer. Sein Anliegen: Frauen haben ein leichtes
Spiel, Männer grundlos zu beschuldigen. Das ist eine gefährlich
Waffe. Falschbeschuldigungen sind ein schlimmes Verbrechen. Kachelmann
warnte immer wieder alle Männer vor dem Verhalten der Frauen,
wenn es Beziehungsprobleme gibt.
Beim Interview fällt immer wieder die bildhafte Sprache, die
Analogieen oder Vergleiche auf. Kachelmann formuliert unkompliziert,
"strassengängig", so wie die Leute auf der Strasse reden:
Jede Vergwaltiger ghört id Chischte. Da sind zwei verschiedeni
Paar Stiefel. Ich han es Puff gha. Isch en Hafechäs gsi.
Er vergleicht die Haft mit einem langen WK (Gefängnis= Bunker)
und visualisiert seine Aussagen detailliert: Es hatte Ratten und
Kakalaken. Bei einem Spiegelinterview nahm er sogar eine "Schabe" mit
und schenkte sie dem Reporter.
Kachelmann greift die Justiz an: Die Staatsanwaltschaft habe gelogen.
Er greift auch die Medien an: BILD sitze auf dem eigenen Kot. Frau
Springer nennt er eine Heuchlerin. Kachelmann gibt sich immer wieder
als Opfer. Deutsche und besonders Alice Schwarzer kriegen auch einige
Kratzer ab. Sich selbst rückt er hingegen ins gute Licht. Er
schildert ausführlich, wie er den Mitgefangenen geholfen habe. Nur
etwas gesteht er ein: Früher habe er mit Frauen "ein Puff" gehabt,
heute sei jedoch alles geklärt.
Das Formulieren fällt Jörg Kachelmann leicht, doch spricht
der Interviewte streckenweise hastig. Er antwortetoft zu schnell -
ohne Denkpause.
Rhetorisch finden wir zahlreiche gute Beispiele :
- Bist Du ein gebeutelter Mann, fragt der Moderator. Warum soll ich
gebeutelt sein? fragt Kachelmann zurück (Wer fragt führt!)und
lenkt die Antwort auf die Kernbotschaft zurück indem er sagt,
es gehe ihn darum, die gefährliche Waffe "Falschbeschuldigungen"
der Frauen gegen Männer bewusst zu machen und warnt: Erfundene
Anschuldigungen sind gefährlich. Mit seinem Buch wolle er nur den
gefährdeten Männern helfen. Kachelmann geht gar nicht auf
das Wort "gebeutelt" ein.
- Bei der Frage nach einem allfälligen "schlechten Gefühl" wischt
er die Frage mit der Bemerkung weg "Wir wollen nicht psychologisieren",
um dann zur Kernbotschaft zurückzukommen und die Männer erneut
vor der permanenten Gefahr zu warnen.
Wie ein Profi - Fernsehmoderator spricht Kachelmann im richtigen Moment
zur Kamera - fordert dabei die Zuschauer auf, sein Buch sofort zu
kaufen, solange es noch erhältlich sei. Aufgefallen ist mir ferner:
Das füllige Kinn Kachelmanns. Es stimmt nicht ganz mit der Aussage
überein, dass er im Gefängnis viel Gewicht verloren habe.
Kachelmann polarisiert das Publikum mit seinem Auftritt. Die Kommentare
im Internet verdeutlichen, dass zwei gegensätzliche Meinungen
aufeinanderprallen. Zum einen, die empörten Frauen, denen die
plumpe Verallgemeinerung (Waffe Frau) sauer aufgestossen ist zusammen
mit jenen Frauen, die Jörg Kachelmann kritisieren, weil sie den
Gerichtsentscheid anzweifeln.
Auf der andern Seite gibt es aber auch einige positive Echos von jenen
Männern, die eine ähnliche Situation erlebt hatten oder mit
unschuldigen Opfern Erbarmen haben.
Für mich bemitleidet sich Jörg Kachelmann zu offensichtlich,
zu aufgesetzt. Wenn der Wetterfrosch auch in dieser Sendung rhetorisch gut wegkommt,
so ist doch der Auftritt zu stark inszeniert. Ich befürchte,
dass es nach wie vor zahlreiche Zuschauer gibt, die der Medienprofi
Kachelmann, trotz seiner gekonnter Medienrhetorik, mit diesem Auftritt
nicht überzeugt hat.
Auch diese Sendung im ARD habe ich verfolgt. Ich bin mit dem PR
Spezialisten im Tagi-online Artikel insoweit einig, dass die Kachelmann
Offensive für die Autoren zum Bumerang werden könnte, weil
im deutschen Fernsehen dem Millionenpublikum alles Negative nochmals in
Erinnerung gerufen werden konnte, beispielsweise, dass der Freispruch nur
ein Freispruch zweiter Klasse gewesen sei und es durchaus möglich
sein könnte, dass Jörg Kachelmann doch Täter sei. Die
Vergewaltigung habe nur nicht bewiesen werden können.
Ferner konnte der Kachelmannkritiker nochmals bewusst machen, dass der
bekannte Wettermoderator hinsichtlich Frauengeschichten erwiesenermassen
sehr viel gelogen hatte.
"Wie kann man so einem Menschen glauben - der so viel gelogen hat -
Der Zweifel sei berechtigt, ob er jetzt immer die Wahrheit sagt?"
Anderseits verstanden es die beiden Akteure, sich glaubwürdig
zu inszenieren. Jörg Kachelmann, wiederum sehr präsent,
konzentriert mit offenem Blick, gepflegter Kleidung, sauber rasiert,
konterte stets ruhig, sachlich, mit wachem Blick - auch nach
unhöflichem Unterbrechungen. Beispielsweise: "Gestatten Sie mir,
den Gedanken noch fertig zu machen." Auch Frau Kachelmann agierte wie
abgesprochen - einmal ruhig freundlich - dann wieder bestimmter und
engagiert. Im letzten Teil dominierte sie sogar. Jörg Kachelmann
wirkte über weite Strecken als guter Zuhörer.
Ich teile jedoch die Meinung des PR Experten nicht, dass der Auftritt
eindeutig ein PR Flop gewesen sei.
So wie ich die Wirkung beim Publikum interpretiere, haben die Beiden
Ihr Bestes gegeben. Was ich bezweifle: Ob das Schönreden, die
Verallgemeinerungen, die offensichtliche Inszenierung, dem Paar sehr viel
genützt hat. Nach meinem Dafürhalten hat uns die Sendung der
Oeffentlichkiet höchstens bewusst gemacht, dass die Problematik
von Falschaussagen künftig ernster genommen werden muss. Wenn
es jedoch um das Image und die Glaubwürdigkeit der Autoren geht,
habe ich nach wie vor - trotz gekonnter Medienrhetorik - grosse Zweifel.