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www.rhetorik.ch aktuell: (16. Okt, 2012)

Die Inszenierung Kachelmanns

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Jörg Kachelmann ist weider in den Medien. Anlass ist ein Buch.
20 Min:
In einem seiner raren TV-Interviews hat sich Jörg Kachelmann als Kämpfer für alle Männer dargestellt. Frauen hätten mit einem Vergewaltigungs-Vorwurf eine sehr gefährliche Waffe. Am Freitag stellt Wetterfrosch Jörg Kachelmann an der Frankfurter Buchmesse sein Werk "Recht und Gerechtigkeit" vor. Im Rahmen einer Werbetour gab er im Talk auf "Tele Züri" bereits einige Details darüber preis. Einstweilige Verfügung gegen Kachelmann-Buch Das Landgericht Mannheim hat nach Angaben der Anwälte der Ex-Freundin von Jörg Kachelmann eine einstweilige Verfügung gegen das Buch "Recht und Gerechtigkeit" des Wettermoderators erlassen. Nach der Gerichtsentscheidung darf der Heyne-Verlag das Buch nicht verbreiten, solange die Ex-Geliebte Kachelmanns darin mit vollem Namen genannt wird. Die Entscheidung betrifft nicht die Exemplare, die bereits im Buchhandel sind. Einerseits sind es Einzelheiten zu den 132 Tagen hinter Gitter, andererseits ist es Kachelmann ein Anliegen, andere Männer "mit einem Puff im Privatleben" auf drohende Gefahren aufmerksam zu machen. "Selbst wenn am Ende ein Freispruch herauskommt, geht es für den Mann nie gut aus", ist Kachelmann überzeugt. Ein Mann müsse heutzutage bei Trennungssituationen enorm auf der Hut sein. "Es ist so einfach, einen Mann mit Falschanschuldigungen zu plagen und ihn ins Gefängnis zu bringen, auch wenn er gar nichts gemacht hat", ist der 54-Jährige überzeugt. Etwas schön reden wolle er aber auf keinen Fall: "Ich will jeden in der #Kiste# sehen, der so ein Verbrechen begeht." (...) Beruflich hat Kachelmann die Affäre offenbar nur teilweise geschadet. Zwar habe es seine ehemalige Geliebte Claudia D. geschafft, dass er nicht mehr bei der ARD arbeiten könne. Doch dem Unternehmen Meteomedia gehe es gut, es expandiere international. Dennoch bleiben Frust und die Feststellung: "So eine Falschanschuldigung ist das perfekte Verbrechen." Denn selbst bei einem Freispruch werde ein beschuldigter Mann nie mehr dort sein, wo er vorher war: sei es gesellschaftlich, sei es beruflich.
20 Minuten hat auch eine Chronik der Erreignisse:

Ein Entwurf zu einem Kommentar

Publizierter Beitrag
Kachelmann versucht mit seinen Auftritten das Image seiner Person aufzupolieren. Uns interessiert, ob diese Rechnung aufgeht.

Monatelang war Jörg Kachelmann ein Medienthema. Schon lange vorher habe ich sein Verhalten analysiert und kommentiert. Bereits in den guten Zeiten als Wetterfrosch pflegte er eine bildhafte Sprache, ich erinnere an die Wortschöpfung Blumenkohlwolken. Als er während seiner Haftzeit den Medien vorgeführt wurde, verstand er es, sich geschickt zu inszenieren. Gepflegte Frisur, Haare geschnitten, weisses Hemd (Weiss = Symbol der Unschuld), rasiert und ein permanent aufgesetztes Lächeln. Kachelmann kennt die Wirkung von Bildern und wie Journalisten arbeiten. Dadurch gab es trotz Blitzlichtgewitter nur Bilder mit einem lächelnden Kachelmann. Das aufgesetzte Lächeln hatte sich für ihn damals gelohnt. 2010 vor Gericht schwieg der Angeschuldigte längere Zeit konsequent, wohl wissend, dass sich eine Person, die schweigt, nicht in Widersprüche verstricken kann.

Auch jüngst im Talk täglich (Tele Züri) inszeniert sich Jörg Kachelmann professionell. Haare nicht geschniegelt, aber locker und gewaschen. Er sitzt locker da, spricht eloquent, mediengerecht, einfach und verständlich. Er gestikuliert natürlich. Sein Dreitagebart wirkt gepflegt. Es gibt nur wenige Stellen im Interview, bei denen er errötet oder etwas verlegen lächelt, er versteht es, mit Stress umzugehen. Bei der überraschenden Ankündigung, dass sein Buch nicht veröffentlich werden darf, trinkt er ruhig Wasser, Stress trocknet den Mund aus. Verschiedene Echos von Fernsehzuschauern attestieren mir, Kachelmann ist und bleibt ein guter Schauspieler. Bei seinem jüngsten Auftritt wirkt er für mich engagiert. Er differenziert und wiederholt in den Antworten gekonnt seine Botschaft, die lautet: Ich bin unschuldig, bin freigesprochen worden. Ich wurde zum Opfer. Sein Anliegen: Frauen haben ein leichtes Spiel, Männer grundlos zu beschuldigen. Das ist eine gefährlich Waffe. Falschbeschuldigungen sind ein schlimmes Verbrechen. Kachelmann warnte immer wieder alle Männer vor dem Verhalten der Frauen, wenn es Beziehungsprobleme gibt.

Beim Interview fällt immer wieder die bildhafte Sprache, die Analogieen oder Vergleiche auf. Kachelmann formuliert unkompliziert, "strassengängig", so wie die Leute auf der Strasse reden:

Jede Vergwaltiger ghört id Chischte. Da sind zwei verschiedeni Paar Stiefel. Ich han es Puff gha. Isch en Hafechäs gsi. Er vergleicht die Haft mit einem langen WK (Gefängnis= Bunker) und visualisiert seine Aussagen detailliert: Es hatte Ratten und Kakalaken. Bei einem Spiegelinterview nahm er sogar eine "Schabe" mit und schenkte sie dem Reporter.

Kachelmann greift die Justiz an: Die Staatsanwaltschaft habe gelogen. Er greift auch die Medien an: BILD sitze auf dem eigenen Kot. Frau Springer nennt er eine Heuchlerin. Kachelmann gibt sich immer wieder als Opfer. Deutsche und besonders Alice Schwarzer kriegen auch einige Kratzer ab. Sich selbst rückt er hingegen ins gute Licht. Er schildert ausführlich, wie er den Mitgefangenen geholfen habe. Nur etwas gesteht er ein: Früher habe er mit Frauen "ein Puff" gehabt, heute sei jedoch alles geklärt.

Das Formulieren fällt Jörg Kachelmann leicht, doch spricht der Interviewte streckenweise hastig. Er antwortetoft zu schnell - ohne Denkpause.

Rhetorisch finden wir zahlreiche gute Beispiele :

Kachelmann polarisiert das Publikum mit seinem Auftritt. Die Kommentare im Internet verdeutlichen, dass zwei gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen. Zum einen, die empörten Frauen, denen die plumpe Verallgemeinerung (Waffe Frau) sauer aufgestossen ist zusammen mit jenen Frauen, die Jörg Kachelmann kritisieren, weil sie den Gerichtsentscheid anzweifeln.

Auf der andern Seite gibt es aber auch einige positive Echos von jenen Männern, die eine ähnliche Situation erlebt hatten oder mit unschuldigen Opfern Erbarmen haben.

Für mich bemitleidet sich Jörg Kachelmann zu offensichtlich, zu aufgesetzt. Wenn der Wetterfrosch auch in dieser Sendung rhetorisch gut wegkommt, so ist doch der Auftritt zu stark inszeniert. Ich befürchte, dass es nach wie vor zahlreiche Zuschauer gibt, die der Medienprofi Kachelmann, trotz seiner gekonnter Medienrhetorik, mit diesem Auftritt nicht überzeugt hat.

Auch diese Sendung im ARD habe ich verfolgt. Ich bin mit dem PR Spezialisten im Tagi-online Artikel insoweit einig, dass die Kachelmann Offensive für die Autoren zum Bumerang werden könnte, weil im deutschen Fernsehen dem Millionenpublikum alles Negative nochmals in Erinnerung gerufen werden konnte, beispielsweise, dass der Freispruch nur ein Freispruch zweiter Klasse gewesen sei und es durchaus möglich sein könnte, dass Jörg Kachelmann doch Täter sei. Die Vergewaltigung habe nur nicht bewiesen werden können.

Ferner konnte der Kachelmannkritiker nochmals bewusst machen, dass der bekannte Wettermoderator hinsichtlich Frauengeschichten erwiesenermassen sehr viel gelogen hatte.

"Wie kann man so einem Menschen glauben - der so viel gelogen hat - Der Zweifel sei berechtigt, ob er jetzt immer die Wahrheit sagt?"

Anderseits verstanden es die beiden Akteure, sich glaubwürdig zu inszenieren. Jörg Kachelmann, wiederum sehr präsent, konzentriert mit offenem Blick, gepflegter Kleidung, sauber rasiert, konterte stets ruhig, sachlich, mit wachem Blick - auch nach unhöflichem Unterbrechungen. Beispielsweise: "Gestatten Sie mir, den Gedanken noch fertig zu machen." Auch Frau Kachelmann agierte wie abgesprochen - einmal ruhig freundlich - dann wieder bestimmter und engagiert. Im letzten Teil dominierte sie sogar. Jörg Kachelmann wirkte über weite Strecken als guter Zuhörer. Ich teile jedoch die Meinung des PR Experten nicht, dass der Auftritt eindeutig ein PR Flop gewesen sei.

So wie ich die Wirkung beim Publikum interpretiere, haben die Beiden Ihr Bestes gegeben. Was ich bezweifle: Ob das Schönreden, die Verallgemeinerungen, die offensichtliche Inszenierung, dem Paar sehr viel genützt hat. Nach meinem Dafürhalten hat uns die Sendung der Oeffentlichkiet höchstens bewusst gemacht, dass die Problematik von Falschaussagen künftig ernster genommen werden muss. Wenn es jedoch um das Image und die Glaubwürdigkeit der Autoren geht, habe ich nach wie vor - trotz gekonnter Medienrhetorik - grosse Zweifel.
Der Artikel.
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