Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (06. Okt, 2012)

Obdachlosen-Schick

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Aus dem Spiegel:
Die deutsche Ausgabe von Condé Nasts Modezeitschrift "Vogue" präsentiert, in ihrer Oktober-Ausgabe, also rechtzeitig zum Beginn der nasskalten Jahreszeit, eine Fotostrecke, die ein Model im Obdachlosen-Look zeigt. Mal mit einem Einkaufswagen voller Getränkedosen, mal mit einem zerknüllten Oberbett auf der Treppe im Hintergrund, immer aber mit vielen Schichten sehr teurer Kleidung übereinander und immer mit einer Menge (Hand-)Taschen. "Bag Lady" ist in den USA ein Ausdruck für eine obdachlose Frau, und man kann sich vorstellen, dass irgendjemand in der Redaktion der "Vogue" das sogar witzig fand. Man kann der "Vogue" nicht vorwerfen, dass sie diese geschmacklose Kombination - Kleidungsstücke für mehrere tausend Euro ergänzt um die Insignien extremer Armut - allein erfunden hätte. Brancheninsider würden womöglich sogar sagen, dass das eine alte, geklaute Idee ist. ANZEIGE Für allzu viel Aufmerksamkeit hat die Fotostrecke bislang jedenfalls nicht gesorgt. Das US-Online-Magazine "The Gloss" wies darauf hin, dass die Idee mit der Obdachlosen-Modekollektion im Ben-Stiller-Film "Zoolander" von 2001 noch Satire war, das US-Portal BuzzFeed.com veröffentlichte einige der "Vogue"-Bilder - darunter auch zwei, die in der Druckausgabe gar nicht zu finden sind, aber der Originalserie zu entstammen scheinen. Das Blog Kotzendes-Einhorn.de diagnostizierte "einen der hässlichsten 'Let-Them-Eat-Cake-Momente' der letzten Jahre". Bloggerin Antje Schrupp wies darauf hin, dass "Menschen, die von Hartz IV leben" pro Monat "30 Euro und 40 Cent zur Verfügung" hätten, um Kleidung zu kaufen. Viel mehr Echo gab es nicht - vielleicht kann sich über das Thema tatsächlich niemand mehr aufregen. Schliesslich hat doch beispielsweise der deutsche Designer Patrick Mohr schon Ende 2009 Obdachlose als Models auf den Laufsteg geschickt, Vivienne Westwood gab ihren Models zur Mailänder Modewoche im Januar 2010 löchrige Schaumstoffmatten, geklaute Supermarkt-Einkaufswagen und zerschlissene Kleidung mit auf die Bühne. Und das "Antidote"-Magazin aus den USA veröffentlichte vor fast genau einem Jahr eine Modestrecke, in der krankgeschminkte Models auf Pappkartons und Parkbänken vor sich hinvegetierten. "Homeless Chic" als Modephänomen ist heute eigentlich schon wieder sowas von vorbei.

Rhetorik.ch 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com