Ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Video von Mitt Romney könnte eine
wichtige Rolle bei den kommenden Wahlen spielen. Es wurde am 17. September auf der
Webseite Mother
Jones veröffentlicht. Es ist auf Youtube in voller Länge zu sehen.
Hier ist ein Ausschnitt.
Man könnte meinen, dass Mitt Romney kein Fettnäpfchen
auslässt. Jetzt hat man ihn auch noch mit der #versteckten Kamera"
erwischt. In Ton und Bild ist ein Romney zu sehen, der scheinbar 47
Prozent der US-Wähler zumindest politisch abschreibt: 47 Prozent
der Amerikaner fühlten sich als Opfer und wären von der
Regierung abhängig. Diese 47 Prozent würden - egal was - Obama
wählen. Und diese 47 Prozent will Romney auch gar nicht von sich
überzeugen. Das sagte er hinter verschlossenen Türen bei einer
Spendengala. Die Türen waren zwar zu. Aber ein Smartphone war an.
Die Washington Post spricht von Romneys schwärzester Stunde und
Politico erklärt Obama sieben Wochen vor der Wahl zum Sieger. Das
Ganze erinnert irgendwie an George Allens "Macaca-Moment".
Das gefährlichste Echo auf den heimlichen Videomitschnitt einer
Rede des republikanischen Präsidentschaftskandidaten vor Spendern
liest sich so: "Romneys reduzierte Charakterisierung der politischen
Landschaft legt nahe, dass er überhaupt nichts verstanden hat."
Dieser Satz findet sich auf der Homepage des "Weekly Standard", dem wohl
einflussreichsten Magazin Republikaner-naher Intellektueller, und dort
in einem Blog-Eintrag unter der Überschrift: "Konservative stimmen
überein: Romney hat Unrecht". Darin zitiert der Journalist Michael
Warren verschiedene Gesinnungsgefährten, die Mitt Romney massive
Fehleinschätzungen vorwerfen.
Auch die konservative Internet-Plattform "Daily Caller" und der
libertäre Publizist Matt Welch widersprechen Romneys Rechnung,
laut der knapp die Hälfte der Bevölkerung als Wähler
nicht in Frage komme, weil sie keine Einkommensteuer zahle und sich als
"Opfer" fühle.
Die einen sprechen von einem Wahlkampfgeschenk des Republikaners Mitt
Romney an Barack Obama. Andere würdigen die Vorratshaltung des
Wahlkampfteams des Präsidenten. Das Video, das die USA erregt und
dem Rennen sieben Wochen vor dem Wahltag eine unerwartete Wende gibt,
stammt vom 17. Mai. Warum wird es erst jetzt veröffentlicht? Bisher
ist nicht bekannt, wer es an das Mother Jones Magazin weitergegeben hat,
das links der Mitte steht.
Das Video wurde mit versteckter Kamera aufgenommen und zeigt ein
Treffen Romneys mit wohlhabenden Unterstützern in Florida. Darin
behauptet er, dass 47 Prozent der Wähler in jedem Fall für
Obama stimmen werden, weil sie von staatlichen Leistungen leben und
keine Einkommensteuer bezahlen.
Politisch gefährlich für Romney ist nicht die Darstellung,
dass die steuerzahlende Mittel- und Oberschicht den Lebensunterhalt
von annähernd der Hälfte der Einwohner über staatliche
Umverteilung wie Sozialhilfe, Lebensmittelmarken, Wohngeld und
Zuschüsse zur Grundrente mitfinanziert. Seine Absicht, den Umfang
der Sozialleistungen zu korrigieren, könnte ihm sogar Wähler
zutreiben.
Bedrohlich für Romney sind Sätze, die danach folgen:
"Um diese Leute kümmere ich mich nicht. Ich werde sie niemals
überzeugen können, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst
verdienen müssen." Sie verstärken das Bild, das Obama von
seinem Gegner zeichnet: Romney sei ein Multimillionär, der reich
auf die Welt kam, nie Armut gekannt habe und kein Mitgefühl
für Menschen empfinde, die weniger Glück im Leben hatten.
Die Bemerkung, dass Romney sich um 47 Prozent nicht kümmern wolle,
lässt sich im Wahlkampf zu der These zuspitzen, Romney weigere sich,
im Fall seiner Wahl der Präsident aller Amerikaner zu sein.
Die Rahmendaten der Spendengala, bei der Romney die Aussagen machte,
unterstreichen den Eindruck: Jeder Teilnehmer musste 50 000 Dollar
bezahlen.
Seit Ronald Reagan damals, 1980, Jimmy Carter aus dem Amt jagte,
träumen die Republikaner von einem Wahlkampf gegen einen neuen Jimmy
Carter. Sie sollten sich das noch einmal überlegen. Denn James Carter
IV., Enkel des Ex-Präsidenten, trug in diesen Tagen massgeblich dazu
bei, dass Mitt Romney jetzt in den Augen der Hauptstadtpresse praktisch
als erledigt gilt.
Carter der Jüngere brachte das Magazin "Mother Jones" in Kontakt
mit jener Person, die mit versteckter Kamera filmte, was Romney seiner
reichen Klientel so zu sagen hat. Das Romney-Video ist nun eine der
grossen Katastrophen einer Kampagne, die ohnehin von Fettnapf zu
Stolperstein humpelt.
Jetzt wollen Washingtoner Insider von James Carter wissen, wie er an
das Video herankam. Ihm selber ist das Ganze bereits etwas unheimlich:
"Ich wollte nie Teil der Berichterstattung werden", sagte er einem
lokalen TV-Sender. Aber der als "opposition researcher" der Demokraten
arbeitende Carter erkannte bereits vor Wochen, dass dieser Blick
durchs Schlüsselloch von Amerikas Plutokraten Gold wert ist. Er
bestätigte alles, was die Demokraten schon immer über Romney
sagten, so Carter: "Dass er ein abgehobener, reicher Mensch ist. Und
dass er sich überhaupt nicht interessiert für die Belange
der Mittelklasse."
Für seinen Grossvater, den Ex-Präsidenten, muss Romneys
Blossstellung eine ziemliche Genugtuung sein. Schliesslich prügelt
Wahlkämpfer Romney praktisch täglich auf die angeblich
gescheiterte Präsidentschaft Carters ein: "Er kontaktierte
mich und gratulierte mir zu der Arbeit", bestätigt Enkel Carter
lächelnd. Dabei war der Rechercheur mit dem berühmten Namen
einfach ein bisschen aufmerksamer als die Konkurrenz. Auch andere
Journalisten hätten sich die Trouvaille besorgen könne,
wären sie etwas schneller gewesen. Denn die seltsamen schummrigen
Videofetzen kursierten schon seit Mai im Internet. Immer wieder unter
anderem Namen.
Die berüchtigte Tischrede selbst hielt Romney am 17. Mai an einer
privaten Spendengala, organisiert vom berüchtigten Investor Marc
Leder in Boca Raton, Florida. Jemand installierte dort eine versteckte
Kamera und nahm die Rede auf, mit gutem Ton und weniger gutem Bild. Unter
dem Namen "RomneyExposed" (Romney entblösst) erschienen am 1. Juni
einige kurze Stücke dieser Aufnahmen auf Youtube. Zwei Monate lang
wurden diese Clips kaum angeklickt.
Wer der seltsame Spion war, ist bis heute ein Rätsel. Tatsache ist,
dass er oder sie auf linksliberalen Websites auf die Aufnahmen hinwies. Im
Juni als Leser unter dem Namen "romneyexposed" auf "Huffington Post"
und im September als "Anne Onymous" auf "Daily Kos". Unter diesem Namen
erschien am 27. August auch ein neuer Youtube-Account, der weitere
Teile des Romney-Videos ins Internet lud. Diesmal übrigens mit dem
Herkunftsland China und einem Porträtfoto einer Frau.
Auf Daily Kos schrieb Anne Onymous am 29. August: "Das wird alles bald
bestätigt von den Mainstream-Medien. Es ist alles echt. Mehr wird
folgen. Mitt Romney gibt zu, er habe eine Ausbeuterfabrik in China
gekauft, als er noch bei Bain arbeitete. 20'000 junge Arbeiterinnen, 12
Mädchen pro Schlafraum, 120 Mädchen pro WC. Hohe Zäune
mit Wachtürmen." Es waren vor allem diese Enthüllungen,
die Anne Onymous unter die Leute bringen wollte.
Reaktionen bei Letterman, der im Tape auch erwähnt wird: