Der Spiegel:
Putin und die Kraniche: meint "Der Kranichflüsterer
aus dem Kremel:
Am Freitag will Russlands Präsident Wladimir Putin in
Wladiwostok Staats- und Regierungschefs von Pazifik-Anrainerstaaten
begrüssen. Für den Gipfel hat der Kreml eigens einen neuen
Stadtteil für rund zwölf Milliarden Euro auf eine Insel vor die
Hafenstadt betoniert. Putin wird dort Chinas Staatsoberhaupt Hu Jintao
die Hand schütteln und wohl auch US-Aussenministerin Hillary Clinton,
die Präsident Barack Obama vertritt.
Auf dem Weg nach Osten aber hat Putin einen Zwischenstopp am
Polarkreis eingelegt, um eine Mission zu erfüllen, auf die der
Präsident sich laut Bekunden des Kremls anderthalb Jahre gewissenhaft
vorbereitet hat: die Rettung einer vom Aussterben bedrohten Kranich-Art.
Auf einer Wiese, 2000 Kilometer nordöstlich von Moskau, zog
Putin einen weissen Overall und eine schwarze Fliegerbrille an und
schwang sich in den Sitz eines Ultraleichtfliegers. Aus Lautsprechern
an seinem Fluggerät erschallten die krächzenden Laute eines
Kranich-Muttertiers.
(...)
Mascha Gessen, Journalistin und Autorin des Putin-kritischen Buchs
"Der Mann ohne Gesicht" hat die Kreml-Inszenierung schon ihren Job als
Chefredakteurin von "Wokrug Sweta - Um die Welt" gekostet. Das Magazin ist
das russische Pendant zu "Geo" oder "National Geographic". Gessen sollte
auf Drängen der Verlagsleitung einen Reporter zu Putins Kranich-Flug
schicken, widersetzte sich aber und musste ihren Posten räumen.
Im Internet setzt es reichlich Spott über die PR-Aktion. In sozialen
Netzwerken wie Facebook und Twitter machen Fotomontagen die Runde, auf
denen Putin mit entblösster Brust auf einem Hai reitet. Das Amt des
Präsidenten sei Putin offenbar zu langweilig, ätzt Anton Orech,
Star-Kommentator des kritischen Radiosenders "Echo Moskau". Der Kreml-Chef
alias Kranich-Papa solle doch am besten mit seinen neuen Schützlingen
im Süden überwintern, "damit wir ihn wenigstens von September
bis März nicht bei uns sehen müssen".