Die Grenze zwischen Werbung und Journalismus ist schon immer unscharf
gewesen. Die folgende Geschichte illustriert die Problematik
einmal mehr:
Im Aargau ist ein Fall publik geworden, bei dem sich Grossratskandidaten
einen Platz in der Zeitung erkaufen können. Und zwar nicht über
ein reguläres Inserat, sondern in Form eines Interviews. Dies
berichtet die "Aargauer Zeitung" heute. Das Angebot der drei lokalen
Wochenzeitungen "General-Anzeiger", "Rundschau Nord" und "Rundschau
Süd", die alle zum Verlag Effingerhof AG in Brugg gehören:
ein Kandidatenporträt auf den Sonderseiten zu den Grossratswahlen,
die im redaktionellen Teil erscheinen werden.
Die Inserateabteilung der drei Zeitungen verschickte Ende August
das entsprechende Angebot, wonach die Kandidaten im Gegenzug entweder
Inserate in der Höhe von 550 Franken buchen oder den Betrag an die
Zeitung überweisen. Gemäss Recherchen der "Aargauer Zeitung"
hat auch Jungsozialisten-Präsident und Grossratskandidat Florian
Vock ein solches Schreiben erhalten. Er ist nicht einverstanden mit
dem Geschäftsgebaren der Effingerhof AG: "Hier werden grundlegende
journalistische Prinzipien verletzt, weil die Inserateabteilung in den
redaktionellen Teil eingreift", sagt er gegenüber der "Aargauer
Zeitung".
Deshalb hat der Jungpolitiker nun eine Beschwerde beim Presserat
eingereicht. Laut Vocks Aussagen können die Kandidaten der Zeitung
im Vorfeld angeben, auf welche Fragen sie in ihrem Porträt
Antwort geben wollen. Er sieht deshalb die Punkte 10 und 11 der
Erklärung von Pflichten und Rechten von Journalisten verletzt,
welche die Berufsleute verpflichtet, keinerlei Bedingungen vonseiten der
Inserenten zu akzeptieren. Zudem würden Kandidaten benachteiligt,
wenn sie die 550 Franken nicht aufbringen können, so Vock.
Der Fall scheint nicht nur Vock zu beschäftigen, auch der ehemalige
Präsident des Schweizer Presserates,
Peter Studer, findet dazu
klare Worte: "So ein Deal ist total daneben", kritisiert er den Verlag
Effingerhof AG gegenüber der "Aargauer Zeitung". "Entweder macht
ein Grossratskandidat ein Inserat oder die Lokalzeitung berichtet nach
journalistischen Kriterien über die Kandidierenden", so Studer.
Offenbar hat der Verlag diese Praxis schon früher betrieben:
Bei den Nationalratswahlen im vergangenen Jahr boten die Zeitungen
wohlwollende Kandidatenporträts für 350 Franken in bar
oder gegen Anzeigen in Höhe von 600 Franken an. Zum aktuellen
Fall wollten sich gegenüber der "Aargauer Zeitung" weder der
Geschäftsführer des Verlagshauses noch die Chefredaktoren der
Zeitungen äussern. Zu den Nationalratskandidaten-Porträts
äusserte sich aber die Chefredaktorin der "Rundschau Nord" und
der "Rundschau Süd", Friederike Saiger: "Die Leser sind keine
Dummköpfe. Die können sich ihre Meinung trotzdem bilden",
sagte sie im vergangenen Jahr gegenüber der "Aargauer Zeitung".