Das Drama begann als Fauxpas, der im Lauf des Tages aber zum handfesten
Skandal anschwoll - und zum Mega-Problem für Romney und seinen
Vizekandidaten Paul Ryan. Auslöser war ihr republikanischer
Parteifreund Todd Akin. Der Abgeordnete aus Missouri kandidiert
für einen Sitz im Senat und hatte auch gute Aussichten, seiner
Partei damit die Mehrheit im US-Oberhaus zurückzuerobern.
Doch nun steht beides in Frage - und Romney muss ernsthaft um seine
Wahlchancen bei mehr als der Hälfte der Amerikaner bangen.
Was ist geschehen? In einem TV-Interview hatte sich Akin, 65, zu
einem Lieblingsthema Abtreibung ausgelassen. Genauer gesagt:
Abtreibung im Fall von Vergewaltigung - die der studierte Theologe
weder für nötig noch für zulässig befand:
"Wenn es sich um eine rechtmässige Vergewaltigung handelt,
hat der weibliche Körper Möglichkeiten, die ganze Sache
abzustellen." Will heissen: Der psychologische Stress der
Vergewaltigung wirke als biologische Empfängnisverhütung.
Lange nicht mehr hat ein US-Politikersatz so viele Unsäglichkeiten
enthalten. "Rechtmässige" Vergewaltigung? "Die ganze Sache
abstellen"?
Akin ruderte zwar gleich zurück: Er habe sich "versprochen". Doch
schnell überschatteten seine Worte sogar die andere aktuelle
Republikaner-Affäre - die feuchtfröhliche Nacktbade-Exkursion
einer US-Kongressdelegation im israelischen See Genezareth vorigen
Sommer.
Panisch distanziert sich die Partei nun von Akin. Allen voran Mitt
Romney, der es bei weiblichen Wählern so schon schwerer hat als
sein Widersacher US-Präsident Barack Obama: Akins Worte seien
"beleidigend, unentschuldbar und, ehrlich gesagt, falsch".
Viele führende Republikaner drängen Akin auf einmal, seine Kandidatur
aufzugeben - um ihre Hoffnung auf einen Senatssieg mit einem anderen
Bewerber doch noch zu retten. Das National Republican Senatorial
Committee sowie die millionenschwere Spendengruppe "Crossroads GPS"
entzogen Akin ihre Gelder.
Der zeigt sich bisher aber stur. "Ich bin kein Drückeberger",
konterte er in der Radioshow des erzkonservativen Ex-Gouverneurs Mike
Huckabee, der zu den wenigen gehört, die sich auch in der
Öffentlichkeit verständnisvoll zeigen. Der Parteispitze,
die Akin dagegen plötzlich verzweifelt loswerden will, läuft
die Zeit weg: An diesem Dienstagnachmittag endet die Frist, bis zu
der sie noch einen neuen Kandidaten nominieren könnte.
Akins Senatsgegnerin, die demokratische Senatorin Claire McCaskill,
darf sich freuen: Sie hatte zuvor kaum Chancen - und ist nun
buchstäblich über Nacht die Favoritin.
Doch der Aufstand der Republikaner gegen ihren Zögling Akin
trieft vor Scheinheiligkeit. Denn der hat, wie ein Blick in seine
Vergangenheit voller derber Bemerkungen zeigt, nicht nur aus dem
eigenen Herzen gesprochen. Sondern zugleich eine Schattenseite der
abtreibungsfeindlichen US-Konservativen enthüllt, von der sich
auch das Vorzeigeduo Romney/Ryan nur schwer lösen kann. Akins
seltsames Frauenbild, sagte die Kolumnistin Cynthia Tucker auf MSNBC,
sei "die Sicht des republikanischen Mainstreams".
In der Tat wimmelt es im Zitatenarchiv der Republikaner vor
ähnlich kruden Äusserungen: Manche Vergewaltigungsopfer
seien ja selbst schuld, sie sollten doch lieber stillhalten,
resultierende Schwangerschaften seien so selten wie "Schnee in
Miami". Die Männer, die sowas von sich
geben, sind zwar meist rechte Kommunalschergen, werden aber vom
Establishment geduldet - wenn nicht gar befördert, etwa auf
mächtige Richterposten.
Allein die Floskel "rechtmässige Vergewaltigung", die Akin am
Montag noch verschlimmbesserte: Er habe "gewaltsame Vergewaltigung"
sagen wollen. Was ein bizarrer Kunstbegriff ist, den die Republikaner
nur erfunden haben, um in einigen Fällen eine Abtreibung zu
unterbinden.
Diese Verhöhnung tauchte erstmals im Januar 2011 auf. Eines der
ersten Gesetze, das die neu erstarkten Republikaner da anpackten,
strich Staatsgelder für Abtreibungen, mit Ausnahme von
Vergewaltigungen. Nach einem frühen, inzwischen modifizierten
Gesetzestext mussten die Opfer
dazu aber nachweisen, dass sie eine "gewaltsame Vergewaltigung"
erlitten hätten.
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