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www.rhetorik.ch aktuell: (24. Mai, 2012)

Leserreporter

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Da praktisch alle Handys heute auch Kameras sind, spielen Leserreporter eine immer grössere Rolle, denn Leserreporter sind immer auch am Tatort.

Aus Persoenlich: hat ein Gespräch mit Hans-Jürgen Voigt, dem Chefredaktor "20 Minuten Online" gemacht, und sich über das Phänomen "Leserreporter" unterhalten:
Herr Voigt, warum publizieren Sie bei 20 Minuten Leserreporter-Bilder? - Wir bekommen exklusive Bilder, sind schnell vor Ort und die Leser können uns oft noch als Augenzeugen Auskunft geben. Was will man mehr? Unsere Community ist Teil unserer Berichterstattung geworden. Das ist eine enorme Ergänzung unseres journalistischen Angebots, eine hervorragende Leserbindung und auch ein grosses Kompliment. Die Leser vertrauen der Redaktion von "20 Minuten Online" ihre Inhalte an. Das ist nicht selbstverständlich, sondern die Folge davon, dass die Zeitung auf Augenhöhe mit seinen Usern kommuniziert. Sie haben am Montag, 7. Mai in der Printausgabe von "20 Minuten" einen Artikel zu einer Messerstecherei am Bahnhof Bern veröffentlicht. Zum Artikel gab es ein Leserreporter-Bild. Ein Messer am Boden, eine Blutlache und Fragmente des Verletzten waren zu sehen. Das Bild sorgte auf der Redaktion für Diskussionen. Wieso? - Es ging um die Unversehrtheit des Betrachters, beziehungsweise die Frage, wie viel Blut einem unvorbereiteten Leser zugemutet werden darf. Warum haben Sie das Bild zum Online-Bericht entfernt? - Das Ereignis passierte an einem Samstag kurz vor Mitternacht. Es waren nur noch zwei Redaktoren anwesend. Der Redaktor fand, dass die Blutlache im Vordergrund des Bildes zuviel des Guten sei. Er entschied äusserst vorsichtig. Das Bild hätte man wohl auch zeigen können. Doch es ist richtig, im Zweifelsfall eher kein Risiko einzugehen. Was ist der journalistische Mehrwert dieser Illustration? - Na ja, es illustriert die Folgen einer gewalttätigen Auseinandersetzung, wie wir sie häufig mitbekommen, aber journalistisch unter "ferner liefen" beziehungsweise unter den Meldungen abhandeln, wenn kein Bildmaterial vorhanden ist. (...) Sie bekommen bestimmt viele Bilder, die für eine Veröffentlichung nicht in Frage kommen. Können Sie Beispiele geben? - Wir bekamen zahlreiche Fotos und Filme zugeschickt von dem 13-jährigen Mädchen, das in Zürich vom Dach des Jelmolis sprang. Wir hatten auch ein Video, von dem tragischen Unfall, bei dem sechs Jugendliche in den Pfeiler der Europa-Brücke in Zürich knallten und ein Mädchen starb. Den Sprung vom Jelmoli zeigten wir nicht, weil wir keine Suizidversuche zeigen, das Video von der Europabrücke zeigten wir nicht, weil es dokumentierte, dass der Passant vor allem die Hilfeleistungen unterliess und stattdessen vor sich hinfilmte. Wie reagieren Sie in der Redaktion, wenn Sie ein Bild erhalten, das die Würde eines Menschen verletzt? - Genau gleich, wie bei allen Bildern. Bei Grenzfällen wird die Chefredaktion beigezogen. Dann wird diskutiert, ob hier medienrechtliche oder medienethische Verstösse vorliegen. Falls ja, wird das Bild nicht gezeigt. (...) Wird mit Leserreportern der Beruf des Journalisten und seine Leistung nicht entwertet, wenn plötzlich jeder und jede Reporter sein kann? - Jeder Leser kann Reporter sein - aber nur dann, wenn er zufällig vor Ort ist. Das ist oft nur einmal im Leben der Fall. Einen Beruf können Sie daraus nicht machen. Allerdings verdrängt die Masse der Leserinputs durchaus den klassischen rasenden Reporter, der nach der Polizeimeldung vor Ort auftaucht und die Bilder schiesst. Denn der Leser mit seinem Handy ist immer schon dagewesen. Es verhält sich ein bisschen wie in der Fabel mit dem Hasen und dem Igel. Für "20 Minuten Online" sind die Leser eine grossartige Hilfe. Unsere Leser sind überall!

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