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Es ist nicht das erste Mal, dass wir das Verhalten
von Günter Grass kommentiert haben. Wo bleibt die
Selbstkritikfähigkeit eines so intelligenten Mannes? Wie bei der
Waffen- SS Geschichte spricht er auch bei dieser jüngsten Kritik
in den Medien von einer Kampagne, von einer Gleichschaltung der Presse.
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Aus dem
Spiegel:
Günter Grass sorgt mit seinem Gedicht zum Iran-Konflikt
für Empörung. Israel sei eine Bedrohung für den
Weltfrieden, schreibt der 84-Jährige, weil das Land offen mit einem
Militärschlag gegen Iran drohe. Charlotte Knobloch, Präsidentin
der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat dem
Schriftsteller ein "durchschaubares Schmierentheater" vorgeworfen.
Literaturkritiker Von Matt antwortet im Tagi:
Ist die Zeit der moralischen Instanz Günter Grass nach dieser
Kontroverse definitiv passé?
Grass' Nimbus ist ja nun schon seit mehreren Jahren angeschlagen, seit
bekannt wurde, dass er verschwiegen hat, einst die Uniform der Waffen-SS
getragen zu haben. Aber Grass ist weiterhin ein Autor, der angehört
werden sollte. Und eines sollte nicht vergessen werden: Wenn dieses
Gedicht und die laufende Diskussion darüber nun tatsächlich die
Wahrscheinlichkeit eines Erstschlags verringern sollten, dann hätte
es - trotz mancher Bedenken - seine unbestreitbare Bedeutung.
Aus der ZEIT:
Grass hatte in dem in der Süddeutschen
Zeitung veröffentlichten
Gedicht.
Israel vorgeworfen, als Atommacht den Weltfrieden zu gefährden
"Wenn Grass sich mit seiner magischen Brille im Spiegel anblickt,
sieht er heute den Literaturnobelpreisträger oder einen alten
Waffen-SSler?", fragt Klarsfeld in ihrer Mitteilung. Grass hatte erst
2006 in seinen Memoiren öffentlich gemacht, dass er als Jugendlicher
Mitglied der Waffen-SS gewesen war.
Klarsfeld wies darauf hin, der Iran drohe ständig damit, den
Staat Israel auszulöschen, und arbeite an der Entwicklung einer
Atombombe. "Der jüdische Staat ist verpflichtet, diese Drohungen
ernst zu nehmen. Nachdem gleiche Drohungen gegen neun Millionen
europäische Juden ausgesprochen wurden, hat Nazi-Deutschland es
nicht geschafft, zwei Drittel von ihnen zu vernichten?"
Fazit: Grass ist erstaunlich uneinsichtig. Er
spielt nach jeder öffentlichen Kritik den Beleidigten. Weshalb
reagiert ein intelligenter Mensch so realitätsfremd? Persönlich
war er beim Austeilen gar nicht zimperlich.
Aus
20 Min:
Kritik aus der Politik, Verteidigung aus der Kunst: Das jüngste
Werk des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass bewegt die
Gemüter. Der aussenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,
Rolf Mützenich, sagte, er halte Grass' Gedicht über Israel
und den Iran für einseitig. "In dem Text geht die Gefahr
ausschliesslich von der Atommacht Israel aus", sagte Mützenich
dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstagausgabe). "Die Gefahren,
denen sich der jüdische Staat gegenübersieht, werden hingegen
verschwiegen."Mützenich kritisierte, Grass verharmlose den iranischen
Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad als Maulhelden. Grass sei aber
kein Antisemit.
Zumindest einen Hauch von Verständnis äussert der israelische
Historiker Tom Segev im Deutschlandradio Kultur: "Er ist kein Antisemit,
er ist nicht anti- israelisch." Trotzdem habe er den Eindruck, dass
Grass vor allem von seinem eigenen langen Schweigen über seine
Vergangenheit bei der Waffen-SS getrieben sei, so Segev in einem weiteren
Interview mit Spiegel Online.
Zudem verdrehe Grass die Tatsachen. "Der Unterschied ist, dass Israel
im Gegensatz zu Iran noch niemals erklärt hat, dass es irgendein
Land von der Weltkarte streichen will, während Iran Tag und Nacht
verspricht, dass man Israel aus der Welt schaffen will", sagte Segev
in Anspielung auf Aussagen des iranischen Präsidenten Mahmud
Ahmadinedschad.
Scharfe Kritik dagegen gab es unter anderem vom Publizisten Henryk M.
Broder. Er warf Grass vor, im fortgeschrittenen Alter zu seinen
Anfängen zurückgekehrt zu sein: "Damals war er ein SS-Mann,
heute schreibt er wie einer", sagte Broder dem Saarländischen
Rundfunk.
Der Text wäre in der rechtsradikalen "National-Zeitung" "gut
platziert" gewesen, empörte sich auch der deutsch-jüdische
Historiker Michael Wolffsohn im Interview mit Spiegel-Online. In dem
Gedicht stehe "so ziemlich jedes antisemitische Klischee darin, das man
aus der rechtsextremen Ecke kennt".
Grass hatte am Mittwoch unter anderem in der "Süddeutschen Zeitung"
das Gedicht "Was gesagt werden muss" veröffentlicht. Darin heisst
es: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen
Weltfrieden." Sich selbst bezichtigte der Autor, zu lange dazu geschwiegen
zu haben, und fuhr fort: "Ich schweige nicht mehr."
Politiker, jüdische Organisationen und Intellektuelle warfen
Grass vor, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. Nicht Israel,
sondern das iranische Mullah-Regime bedrohe den Weltfrieden.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte den Text "ein aggressives
Pamphlet der Agitation". Der Publizist Ralph Giordano nannte es einen
"Anschlag auf Israels Existenz".
Grass hatte sich 2006 dazu bekannt, dass er als 17-Jähriger am
Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Kritiker warfen
ihm vor, seine SS-Zugehörigkeit jahrzehntelang verschwiegen zu
haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit
öffentlich kritisierte. Manch einer sprach ihm die moralische
Integrität ab.
Auch in deutschen Tageszeitungen gingen etliche Kommentatoren
mit Grass hart ins Gericht.
- Südkurier" (Konstanz)
"Grass hat sich weit vorgewagt. Am ungeheuerlichsten ist seine
Unterstellung, die Atommacht Israel habe die Absicht, das iranische
Volk auszulöschen. Böswilliger lassen sich Fakten nicht
verdrehen. Es ist die Führung in Teheran, die dem jüdischen
Staat mit Vernichtung droht."
- "Kölner Stadt-Anzeiger"
"Gäbe es die Grass'sche Gleichschaltung, er hätte erst gar
nicht sprechen dürfen. Stattdessen hat fast jede Zeitung im Land
sein 'Gedicht' gebracht. Dass er einen Sturm der Kritik entfachte,
hat allein mit dem gebündelten Unsinn zu tun, den er verfasste."
- "Frankfurter Rundschau"
"Gleichschaltung wirft Grass nun den deutschen Medien des Jahres
2012 vor, weil sie ihn kritisieren - ihn, den Mahner vor einem neuen
Vernichtungskrieg, diesmal von Israel/Juden ausgehend. Diese von
ihm konstruierte Parallele entlarvt ihn stärker noch als sein
Irr-Gedicht. Mir nichts, dir nichts verschiebt er die Last: weg von
Deutschland, den Deutschen, weg vor allem von sich selbst."
- "Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung"
"Sein sogenanntes Gedicht über die Bedrohung des Weltfriedens durch
Israel hat es verdient, gelesen zu werden - weil man erst dann erkennt,
dass der 84-Jährige, wie so oft verquast und eitel, sich in der
Sache verrannt hat."