Ein
Spiegelartikel
vom 31. März, 2012, von
Chaehan, So: "Psychologie Mensch, was für ein Irrtum!"
zeigt, wie sich Vorurteile bilden können. Dazu gehören auch
Selbstüberschätzung, die umso grösser, je inkompetenter man auf einem Gebiet ist.
Das Bilden von Meinungen und Weltbilder wurde schon lange von Psychologen untersucht.
Wie ein Leser dieses Spiegel Artikels im Kommentar festgestellt hat, hat auch
Paul Watzlawick
schon viele solcher Phänomene beschrieben. Drei Ausschnitte aus seinem Vortrag
"Wenn die Lösung das Problem ist" aus dem Jahre 1987 sind oben zu sehen.
Folgendes aus Quelle: Gehirn&Geist, April 2012, von
Chaehan So:
Tatsächlich gibt es eine Reihe von gut dokumentierten
psychologischen Urteilsverzerrungen, denen wir alle - ob wir wollen oder
nicht - sowohl beim Einschätzen anderer Personen unterliegen als
auch beim Beurteilen unserer eigenen Fähigkeiten. Wenn wir diese
Tendenzen kennen, mag es uns besser gelingen, sie im Alltag aufzudecken
und ihnen bewusst entgegenzusteuern.
Solche Urteilsverzerrungen tauchen besonders häufig in einem
bestimmten Bereich unserer Gedankenwelt auf, der Metakognition,
also dem Nachdenken über das eigene Wissen und die eigenen
Fähigkeiten. Dass Menschen sehr oft unbemerkt metakognitive
Fehlurteile treffen, wissen Forscher schon seit geraumer Zeit. Bereits
in den achtziger Jahren stellten Psychologen die bis dahin gängige
Lehrmeinung in Frage, eine möglichst realistische Wahrnehmung
der Welt sei normal, ja unerlässlich für die geistige
Gesundheit. Immer mehr Studien zeigten damals, dass gut angepasste,
"normale" Personen mit einer Reihe von sogenannten positiven Illusionen
leben - die ihr Selbstbild in ein besseres Licht rücken, als es
objektiv geboten wäre.
So beurteilen die meisten von uns ihre Leistungen und Begabungen als
überdurchschnittlich, egal auf welchem Gebiet: Wir halten uns etwa
für klüger, kompetenter und attraktiver als das Mittelmass -
und eben auch für besonders gute Menschenkenner.
(...)
Wie die Psychologen Justin Kruger und David Dunning von der Cornell
University 1999 in mehreren Experimenten zeigten, ist das Ausmass der
Selbstüberschätzung sogar umso grösser, je inkompetenter
man auf einem Gebiet ist. So beurteilten bei einem Grammatiktest die
schlechtesten 25 Prozent der Probanden die eigene Leistung als ebenso
überdurchschnittlich wie der Rest der Versuchsteilnehmer. Lediglich
das beste Viertel zeigte Bescheidenheit: Sie unterschätzten ihre
Leistungen etwas.
(...)
Die Selbstüberschätzung geht Hand in Hand mit einem
anderen psychologisch tief verankerten Irrtum: dem sogenannten
Bestätigungsfehler - also der Tendenz, einmal bestehende Urteile
immer wieder zu bestätigen, anstatt sie in Frage zu stellen. Der
Kognitionspsychologe Peter Wason (1924 bis 2003) beschrieb diese mentale
Fehleinschätzung bereits 1960 in einem seiner klassischen Experimente
am University College London: Darin sollten seine Versuchspersonen
beispielsweise raten, nach welcher Regel die Ziffernfolge 2-4-6 gebildet
wurde. Die Probanden konnten sich an eigenen Reihen versuchen und bekamen
zurückgemeldet, ob diese der zu findenden Regel entsprachen oder
nicht.
Die meisten Versuchspersonen tippten im genannten Fall auf eine
aufsteigende Zahlenreihe mit einem Intervall von zwei und führten
daher Beispiele wie 4-6-8 oder 10-12-14 an, woraufhin sie stets
positives Feedback erhielten. So kamen sie allerdings nicht auf die
tatsächlich zugrunde liegende Gesetzmässigkeit: eine beliebig
aufsteigende Folge von Zahlen. Um das zu entdecken, hätten sie als
Gegenprobe ungerade oder unregelmässige Intervalle wie 2-5-8 oder
3-6-17 nennen müssen, was aber die wenigsten taten.
(...)
Der Bestätigungsfehler entsteht also dadurch, dass sich unsere
Wahrnehmung der Wirklichkeit unseren Erwartungen anpasst. Dieses
Prinzip der "Erwartungskongruenz" funktioniert auch im Nachhinein -
und führt dann zum sogenannten Rückschaufehler: "Ich habe es
von Anfang an gewusst!"
Der Psychologe Baruch Fischhoff untersuchte diese Urteilsverzerrung
erstmals 1975 an der Hebräischen Universität in Jerusalem. In
seinen Studien lasen die Versuchspersonen zum Beispiel einen Bericht
von einem unbekannten historischen Ereignis, zu dem es vier denkbare
Ausgänge gab. Dann sollten sie die Wahrscheinlichkeit für
jede dieser Wendungen einschätzen. Einen Teil der Probanden
informierte Fischhoff bereits am Ende der Geschichte über den
"wahren" Ausgang. Die Folge: Diese Probanden hielten das tatsächlich
eingetretene Ereignis für "objektiv" viel wahrscheinlicher als
solche, die das Ende noch nicht kannten.
Viele weitere Studien bestätigten seitdem, dass Menschen sich im
Nachhinein kaum ihrer Urteilsverzerrung bewusst sind. Im Alltag ist das
häufig zu beobachten. Wenn wir etwa das Ergebnis von Fussballspielen
oder ärztlichen Untersuchungen erfahren, ist die Erinnerung an
unsere anfängliche Prognose bereits schöngefärbt - wir
sind davon überzeugt, es schon immer genau so vorhergesagt zu haben.
Diesen Effekt hat Hartmut Blank von der University of Portsmouth zusammen
mit seinen Kollegen Volkhard Fischer und Edgar Erdfelder sowohl bei
den ersten Bundestagswahlen nach der Wiedervereinigung als auch bei den
Landtagswahlen 2000 in Nordrhein-Westfalen untersucht. Drei Monate im
Voraus sollten die Probanden eine Prognose abgeben, wie die einzelnen
Parteien abschneiden würden. Einen Monat nach der Wahl wurden sie
gebeten, ihre ursprüngliche Vorhersage noch einmal aufzuschreiben.
Erwartungsgemäss waren die Prognosen in der Erinnerung deutlich
näher am tatsächlichen Wahlausgang. Im Schnitt erlaubte sich
das Gedächtnis zirka zehn Prozent "Schönheitskorrektur". Der
Rückschaufehler dürfte daher wohl ebenfalls eine grosse Rolle
dabei spielen, unsere Illusion einer hervorragenden Menschenkenntnis
aufrechtzuerhalten - charakteristisch dafür sind Aussprüche wie
"Ich habe es von Anfang an gewusst!" oder "Dachte ich mir doch gleich,
dass das so eine Person ist!".