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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Mar, 2012)

Recht auf Vergessen

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Unternehmen schauen sich auch gerne mal auf Sozialen Netzwerken wie Facebook um, um an Hintergrundinformation von Bewerber zu gelangen. Auch ganz Privates, das nur unter Freunden zu sehen ist, ist nicht sicher, denn es gibt vor allem in den USA immer mehr Unternehmen, die von Kandidaten auch Zugriff auf ihre Social Networks verlangen. Das heisst zum Beispiel, dass eine private Foto, das nur mit engen Freunden sichtbar ist auch in der Personalabteilung von Firmen zu sehen ist, bei denen sich Freunde bewerben.

Arbeitgeber dürfen sich heute zum Beispiel bei Bewerbungsgesprächen nicht darüber erkundigen, ob eine Bewerberin schwanger ist. Mit Zugriff auf Facebook sind solche Informationen aber womöglich erhältlich.

Ob Politikern es gelingt, Arbeitgebern den Zugriff auf Privatdaten zu verbieten, oder gar ein "Recht aufs Vergessen" durchzubringen ist nicht klar.

Datenschützer werden es schwierig haben. Den was heisst, dass "Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, das Volumen an gesammelten persönlichen Daten ihrer User möglichst klein zu halten"?

Heise:
In den USA gibt es anscheinend immer mehr Arbeitgeber, die Bewerber auffordern, die Daten ihrer Accounts für Social Networks oder Web-Mail herauszugeben - die potentiellen Arbeitgeber wollen so an Informationen in Social Networks gelangen, die Bewerber nicht mit der Öffentlichkeit, sondern nur mit bestimmten Personen geteilt haben. Das befürchten die demokratischen US-Senatoren Richard Blumenthal und Charles E. Schumer. Sie haben deshalb den Ausschuss für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz (Equal Employment Opportunity Commission - EEOC) und das US-Justizministerium aufgefordert zu untersuchen, ob diese Arbeitgeber gegen Bundesgesetze verstossen. Falls die Untersuchungen Gesetzeslücken offenbarten, wollen sie Schumer und Blumenthal füllen. Hintergrund des Schreibens sind unter anderem Medienberichte über einen Bewerber auf eine Stelle bei einem Sicherheitsdienst, der seine Facebook-Zugangsdaten herausgegeben hat. Am vergangenen Freitag reagierte das Social Network mit dem Hinweis an die Nutzer, dass es ihr gutes Recht sei, ihre Nutzerdaten für sich zu behalten. Obendrein sei die Herausgabe von Account-Daten ein Verstoss gegen die Facebook-Regeln, denn davon seien auch Dritte betroffen, die beispielsweise über Facebook E-Mails austauschen. In Kalifornien hat der dortige Senator Leland Yee am Freitag ein Gesetzentwurf eingebracht, durch den es Arbeitgebern untersagt werden soll, Bewerber über ihre Internet-Aktivität auszuforschen. Für Yee ist es nicht hinzunehmen, wenn Arbeitgeber über Social Networks in die Privatsphäre der Bewerber eindringen. Das sei nicht nur unnötig, sondern auch unverhältnismässig. Ebenso sehen es Blumenthal und Schumer. Zudem könnten diese Fälle Schule machen und die Arbeitssuche für die Amerikaner erschweren. Das sei besonders heikel in einer Zeit, in der immer mehr persönliche Informationen ins Internet gelangten. Arbeitgeber hätten ebenso wenig Recht auf Übergabe von Passwörtern wie darauf, einen Hausschlüssel ausgehändigt zu bekommen oder im Tagebuch eines Bewerbers zu schmökern. Die Arbeitgeber könnten an Informationen gelangen, die ihnen in Bewerbungsgesprächen sonst nicht zuständen wie das Glaubensbekenntnis eines Bewerbers oder ob eine Bewerberin schwanger ist.
20 Min:
Wer sich für eine Stelle bei Coop, SBB, Adecco oder Novartis bewirbt, sollte besser eine reine Cyber-Weste haben. Denn wie eine Umfrage des "Tages-Anzeigers" ergab, checken diese Unternehmen stichprobenartig die Profile, die Stellensuchende bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder beruflichen Netzwerken à la Xing unterhalten. Auch eine Google-Suche gehört zum Standardrepertoire. Peinliche Fotos von einer üblen Party oder brisante Statusmeldungen können da schnell zum Ablöscher für Personalchefs werden - auch wenn die Fotos und Texte eigentlich schon lange gelöscht wurden. Dass viele Daten gegen den Willen von deren Urhebern weiterhin im Netz kursieren, stösst SP-Nationalrat Jean-Christophe Schwaab sauer auf: In einem in der Frühlingssession eingereichten Vorstoss verlangt er vom Bundesrat, dem "Recht auf Vergessen" im Internet zum Durchbruch zu verhelfen. Das Problem sei heute, dass niemand, der Daten ins Netz stellt, wisse, was langfristig damit passiere. Suchmaschinen könnten kompromittierende Bilder oder Texte noch Jahre nach dem Hochladen ausspucken. Schwaab nennt ein Beispiel: Als Politiker sei man darauf aus, eine möglichst grosse Resonanz im Netz zu erreichen. Doch in zehn, zwanzig Jahren sei man eventuell froh, wenn der Name nicht mehr in Zusammenhang mit dem politischen Engagement auftauche - etwa bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft. "Wenn die Daten auch noch aus dem Kontext gerissen sind, kann das eine schwere Persönlichkeitsverletzung sein", mahnt Schwaab. Deshalb sollten die Internet-Nutzer punktuell sagen können: Es reicht, das muss jetzt gelöscht werden. Derselben Meinung ist auch der grüne Nationalrat Balthasar Glättli: "Eine Gesellschaft lebt nicht nur davon sich zu erinnern - sondern auch davon, vergessen zu können." Das gelte besonders für Jugendliche, die sich nicht immer bewusst seien, welche Folgen ihre geposteten Daten später haben könnten. Der Anstoss zu Schwaabs Postulat kommt aus Brüssel: Ende Januar legte EU-Kommissarin Viviane Reding den Entwurf für einen besseren Datenschutz vor, in dem auch das "Recht auf Vergessen" enthalten ist. Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, das Volumen an gesammelten persönlichen Daten ihrer User möglichst klein zu halten. Sie müssten zudem sofort jene Informationen löschen, die ihre Kunden nicht mehr online sehen wollen - und sie nicht wie Facebook noch jahrelang archivieren. Auch in den USA sind ähnliche gesetzgeberische Bemühungen im Gang. Die Schweiz müsse da mitziehen, fordert Schwaab: "Wir dürfen nicht zu einem Schlupfloch werden für Internetbetreiber, die sich um den Datenschutz foutieren." Das Justiz- und Polizeidepartement prüft derzeit eine Revision des Datenschutzgesetzes. Für Schwaab ist es wichtig, dafür bereits zu einem frühen Zeitpunkt Inputs geben zu können - bevor ein fixfertiges Paket auf dem Tisch liegt. Das ist auch im Sinne des eidgenössischen Datenschutzes (EDÖB). Zwar gebe es im aktuellen Gesetz bereits so etwas wie ein Recht auf Vergessen, sagt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Jean-Philippe Walter. "Doch es fehlt an stärkeren Mechanismen, um das Recht auch durchzusetzen." Schwaab ergänzt: In einer globalisierten Welt und im dezentral aufgebauten Internet sei es ein Problem, den Adressaten für eine Intervention zu finden. "Man kann nicht einfach wie bei der Cumulus-Karte die Migros anrufen und eine Löschung der Daten verlangen." Für die Datenschützer ist das Recht auf Vergessen nur ein Aspekt in einem ganzen Bündel von Massnahmen. EDÖB-Sprecherin Eliane Schmid erklärt, es wäre vorstellbar, eine Bewilligungspflicht für bestimmte Datenbearbeitungen einzuführen. Oder ein Verbandsbeschwerderecht, damit betroffene User sich für eine Klage zusammenschliessen können, wenn sie ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen. Möglich wäre es auch, dem Datenschützer wie in der EU die Kompetenz einzuräumen, fehlbare Unternehmen zu büssen. Klar ist für Schmid: Solche Bemühungen müssten in Kooperation mit der EU passieren. "Die virtuelle Welt hört ja nicht an den nationalen Grenzen auf."

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