Unternehmen schauen sich auch gerne mal auf
Sozialen Netzwerken wie Facebook um, um an
Hintergrundinformation von Bewerber zu gelangen.
Auch ganz Privates, das nur unter Freunden zu sehen ist, ist nicht sicher,
denn es gibt vor allem in den USA immer mehr Unternehmen, die von Kandidaten
auch Zugriff auf ihre Social Networks verlangen. Das heisst zum Beispiel,
dass eine private Foto, das nur mit engen Freunden sichtbar ist auch in der
Personalabteilung von Firmen zu sehen ist, bei denen sich Freunde bewerben.
Arbeitgeber dürfen sich heute zum Beispiel
bei Bewerbungsgesprächen nicht darüber
erkundigen, ob eine Bewerberin schwanger ist. Mit Zugriff auf Facebook
sind solche Informationen aber womöglich erhältlich.
Ob Politikern es gelingt, Arbeitgebern den Zugriff auf Privatdaten zu verbieten,
oder gar ein "Recht aufs Vergessen" durchzubringen ist nicht klar.
Datenschützer werden es schwierig haben. Den was heisst, dass
"Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, das Volumen an
gesammelten persönlichen Daten ihrer User möglichst klein zu
halten"?
Heise:
In den USA gibt es anscheinend immer mehr Arbeitgeber, die Bewerber
auffordern, die Daten ihrer Accounts für Social Networks oder
Web-Mail herauszugeben - die potentiellen Arbeitgeber wollen so
an Informationen in Social Networks gelangen, die Bewerber nicht
mit der Öffentlichkeit, sondern nur mit bestimmten Personen
geteilt haben. Das befürchten die demokratischen US-Senatoren
Richard Blumenthal und Charles E. Schumer. Sie haben deshalb den
Ausschuss für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz (Equal Employment
Opportunity Commission - EEOC) und das US-Justizministerium aufgefordert
zu untersuchen, ob diese Arbeitgeber gegen Bundesgesetze verstossen. Falls
die Untersuchungen Gesetzeslücken offenbarten, wollen sie Schumer
und Blumenthal füllen.
Hintergrund des Schreibens sind unter anderem Medienberichte über
einen Bewerber auf eine Stelle bei einem Sicherheitsdienst, der seine
Facebook-Zugangsdaten herausgegeben hat. Am vergangenen Freitag reagierte
das Social Network mit dem Hinweis an die Nutzer, dass es ihr gutes
Recht sei, ihre Nutzerdaten für sich zu behalten. Obendrein sei die
Herausgabe von Account-Daten ein Verstoss gegen die Facebook-Regeln,
denn davon seien auch Dritte betroffen, die beispielsweise über
Facebook E-Mails austauschen.
In Kalifornien hat der dortige Senator Leland Yee am Freitag ein
Gesetzentwurf eingebracht, durch den es Arbeitgebern untersagt
werden soll, Bewerber über ihre Internet-Aktivität
auszuforschen. Für Yee ist es nicht hinzunehmen, wenn
Arbeitgeber über Social Networks in die Privatsphäre der
Bewerber eindringen. Das sei nicht nur unnötig, sondern auch
unverhältnismässig.
Ebenso sehen es Blumenthal und Schumer. Zudem könnten diese
Fälle Schule machen und die Arbeitssuche für die Amerikaner
erschweren. Das sei besonders heikel in einer Zeit, in der immer mehr
persönliche Informationen ins Internet gelangten. Arbeitgeber
hätten ebenso wenig Recht auf Übergabe von Passwörtern wie
darauf, einen Hausschlüssel ausgehändigt zu bekommen oder im
Tagebuch eines Bewerbers zu schmökern. Die Arbeitgeber könnten
an Informationen gelangen, die ihnen in Bewerbungsgesprächen sonst
nicht zuständen wie das Glaubensbekenntnis eines Bewerbers oder ob
eine Bewerberin schwanger ist.
20 Min:
Wer sich für eine Stelle bei Coop, SBB, Adecco oder Novartis bewirbt,
sollte besser eine reine Cyber-Weste haben. Denn wie eine Umfrage des
"Tages-Anzeigers" ergab, checken diese Unternehmen stichprobenartig
die Profile, die Stellensuchende bei sozialen Netzwerken wie Facebook
oder beruflichen Netzwerken à la Xing unterhalten. Auch eine
Google-Suche gehört zum Standardrepertoire. Peinliche Fotos von einer
üblen Party oder brisante Statusmeldungen können da schnell zum
Ablöscher für Personalchefs werden - auch wenn die Fotos und
Texte eigentlich schon lange gelöscht wurden. Dass viele Daten gegen
den Willen von deren Urhebern weiterhin im Netz kursieren, stösst
SP-Nationalrat Jean-Christophe Schwaab sauer auf: In einem in der
Frühlingssession eingereichten Vorstoss verlangt er vom Bundesrat,
dem "Recht auf Vergessen" im Internet zum Durchbruch zu verhelfen.
Das Problem sei heute, dass niemand, der Daten ins Netz stellt, wisse, was
langfristig damit passiere. Suchmaschinen könnten kompromittierende
Bilder oder Texte noch Jahre nach dem Hochladen ausspucken. Schwaab nennt
ein Beispiel: Als Politiker sei man darauf aus, eine möglichst
grosse Resonanz im Netz zu erreichen. Doch in zehn, zwanzig Jahren
sei man eventuell froh, wenn der Name nicht mehr in Zusammenhang mit
dem politischen Engagement auftauche - etwa bei einem Wechsel in die
Privatwirtschaft.
"Wenn die Daten auch noch aus dem Kontext gerissen sind, kann das eine
schwere Persönlichkeitsverletzung sein", mahnt Schwaab. Deshalb
sollten die Internet-Nutzer punktuell sagen können: Es reicht,
das muss jetzt gelöscht werden. Derselben Meinung ist auch der
grüne Nationalrat Balthasar Glättli: "Eine Gesellschaft lebt
nicht nur davon sich zu erinnern - sondern auch davon, vergessen zu
können." Das gelte besonders für Jugendliche, die sich nicht
immer bewusst seien, welche Folgen ihre geposteten Daten später
haben könnten.
Der Anstoss zu Schwaabs Postulat kommt aus Brüssel: Ende Januar
legte EU-Kommissarin Viviane Reding den Entwurf für einen besseren
Datenschutz vor, in dem auch das "Recht auf Vergessen" enthalten
ist. Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, das Volumen an
gesammelten persönlichen Daten ihrer User möglichst klein zu
halten. Sie müssten zudem sofort jene Informationen löschen,
die ihre Kunden nicht mehr online sehen wollen - und sie nicht wie
Facebook noch jahrelang archivieren. Auch in den USA sind ähnliche
gesetzgeberische Bemühungen im Gang. Die Schweiz müsse da
mitziehen, fordert Schwaab: "Wir dürfen nicht zu einem Schlupfloch
werden für Internetbetreiber, die sich um den Datenschutz foutieren."
Das Justiz- und Polizeidepartement prüft derzeit eine Revision
des Datenschutzgesetzes. Für Schwaab ist es wichtig, dafür
bereits zu einem frühen Zeitpunkt Inputs geben zu können
- bevor ein fixfertiges Paket auf dem Tisch liegt. Das ist auch im
Sinne des eidgenössischen Datenschutzes (EDÖB). Zwar gebe
es im aktuellen Gesetz bereits so etwas wie ein Recht auf Vergessen,
sagt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Jean-Philippe
Walter. "Doch es fehlt an stärkeren Mechanismen, um das Recht auch
durchzusetzen." Schwaab ergänzt: In einer globalisierten Welt und
im dezentral aufgebauten Internet sei es ein Problem, den Adressaten
für eine Intervention zu finden. "Man kann nicht einfach wie bei
der Cumulus-Karte die Migros anrufen und eine Löschung der Daten
verlangen."
Für die Datenschützer ist das Recht auf Vergessen nur ein Aspekt
in einem ganzen Bündel von Massnahmen. EDÖB-Sprecherin Eliane
Schmid erklärt, es wäre vorstellbar, eine Bewilligungspflicht
für bestimmte Datenbearbeitungen einzuführen. Oder ein
Verbandsbeschwerderecht, damit betroffene User sich für eine Klage
zusammenschliessen können, wenn sie ihre Persönlichkeitsrechte
verletzt sehen. Möglich wäre es auch, dem Datenschützer
wie in der EU die Kompetenz einzuräumen, fehlbare Unternehmen zu
büssen. Klar ist für Schmid: Solche Bemühungen müssten
in Kooperation mit der EU passieren. "Die virtuelle Welt hört ja
nicht an den nationalen Grenzen auf."