Hildebrand tritt zurueck
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Radio 1 Interview
Hildebrand tritt zurück.
Heute will er mit neuen Dokumenten vor die Medien gehen.
20 Min.
Das hätte niemand erwartet. Noch am Wochenende schien
es, als habe Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand das
Schlimmste im Zusammenhang mit den möglicherweise spekulativen
Devisengeschäften seiner Frau Kashya überstanden. Doch jetzt
kommt alles anders. Wie die Nationalbank am Montagnachmittag mitteilte,
stellt Hildebrand sein Amt per sofort zur Verfügung.
Nachtrag vom 9. Januar, 2012:
Der unerwartete Rücktritt schlug wie eine Bombe ein.
Grund des Rücktrittes: Hildebrand konnte seine Unschuld nicht beweisen.
Doch gibt er das Ehrenwort, dass seine Frau aus eigenen Stücken
die Transaktion getätigt hatte. Es gibt aber eine Notiz, bei der
das Wort WIR eine Rolle spielen könnte (Wir = meine Frau und ich)
Mit dem Rücktritt bleibt das Bild eines Ehrenmannes zurück.
Zur Wirkung des Auftrittes:
Hildebrand war authentischer als bei bei der Medienkonferenz.
Natürliche Gestik. Es wirkt nicht so antrainiert.
Hildebrand hat mich mit seiner Rücktrittsrede überzeugt
Er war gut vorbereitet. Die Struktur der Rücktrittsrede war gut
nachvollziehbar. Nach der Begrüssung wurden die Erfolge der
Nationalbank unter seiner Leitung betont (Leistungsausweis) - dann
folgte der Dank - hernach erläuterte er die Gründe seines
Rücktrittes).
Der Begründung leuchtete ein: Weil er seine Unschuld nicht
schriftlich beweisen kann, hätte die Geschichte noch lange kein
Ende gefunden. Da aber die Glaubwürdigkeit bei der Nationalbank
das höchste Gut ist, wäre für Hildebrand ein normales
Arbeiten unmöglich geworden und die Glaubwürdigkeit hätte
noch mehr Schaden genommen. Im Interesse des Vertrauens habe er sich
deshalb entschlossen, zurück zu treten. Er hätte längere
Zeit nicht mehr richtig arbeiten können. Dies wäre zu einer
unzumutbaren Belastung geworden.
Rhetorisch überzeugte mich der Nationalbankdirektor. Er sprach
ruhig, noch lockerer als an der Medienkonferenz - Er zeigt nur bei
einer kritischen Frage über die Dollar-Transaktionen Stressignale:
Hautverfärbung (wurde bleicher) - Körper bewegte sich mit
windenden Bewegungen.
An der Medienkonferenz am Donnerstag Mal griff er noch die SVP an. Jetzt
verzichtet er auf jegliche Schuldzuweisungen. Dies wirkte
souverän, sympathisch. Die SVP könnte nun vielleicht
jubeln, doch bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück, weil der
Rücktritt auf einer illegalen Handlung basiert und im Grunde
genommen ein Angeklagter nicht die Unschuld beweisen müsste. Es
gilt normalerweise das Prinzip: Es muss die Schuld bewiesen werden.
Hildebrand brach am Anfang das Eis vor den Journalisten, indem er
schalkhaft sagte: Wir werden uns nun lange Zeit nicht mehr sehen.
Ich vermute, dass nach diesem Rücktritt die Meinungen in den
Medienechos auseinandertriften. Es gibt Kommentatore, die wahrscheinlich
Mitleid haben mit Hildebrand (er sei von den Medien gejagt worden)
ist nun ein worden. Für sie ist er ein unschuldiges Opfer. Die
Schuldigen sind für sie die Weltwoche und Blocher und Co. Aber auch
die bösen Medien.
Dann könnte behauptet werden, Hildebrand habe mit dem Rücktritt
eine saubere Klärung der Vorwürfe stoppen können und
verlasse dank dieses Schachzuges als Ehrenmann die Bühne.
Von einer Frau habe ich erfahren, dass für sie Hildebrand
abgeschrieben sei. Er habe die Schuld seiner Frau zugeschoben. Typisch
Mann.
Dann hat mir ein Leser geschrieben: Bundesrätin Kopp musste
zurücktreten, weil sie ihren Mann gestützt habe. Hildebrand
sei zurückgetreten, weil er zu seiner Frau gestanden sei.
Nachtrag vom 10. Januar, 2012:
Der Rücktritt von Hildebrand gab viel zu reden.
In der
Schweizer Presse wird der Rücktritt vor allem
bedauert: etwa
Die "Südostschweiz" spricht von "beträchtlichem
Kollateralschaden" und sieht schwarz für den Rechtsstaat
Schweiz. Grossinquisitor Christoph Blocher und sein Schnellgericht
von der 'Weltwoche' haben es flugs geschafft, die Unschuldsvermutung,
einen der wesentlichsten Pfeiler jeder demokratischen Rechtsordnung,
in ihr Gegenteil zu verkehren."
Nicht mehr der Kläger müsse die Beweise für die Schuld
liefern, sondern der Beklagte für seine Unschuld, heisst es in
der Zeitung aus Chur. In die gleiche Kerbe schlägt auch die "NZZ"
mit ihrem Artikel "Im Zweifelsfall gegen den Angeklagten".
Für
Blocher selbst ist die Sache noch nicht fertig.
Die Rolle
Blochers
und
Weltwoche wird kritisiert.
Die Krisenkommunikation
hätte besser sein können.
Bei Kampagnen, die einen grossen Medienwirbel verursachen,
wird aber immer auch die Geschichte selbst unkontrollierbar.
Das Feuer ist zu einem Flächenbrand geworden und kann nicht
mehr kontrolliert werden.
Das Opfer der Kampagne muss den Imageschaden der Institution
berücksichtigen und hat fast keine andere Wahl mehr, als
zurückzutreten.
Dann gibt es einen anderen Faktor:
Bei einer Durchleuchtung von selbst unbescholtenen Personen kommen
immer auch nebensächliche "Delikte" ans Licht. Jede Parkbusse wird
dann dem Opfer ans Bein gehängt und von den Medien als "neue Fakten"
verbreitet.
Verloren hat sicher Christoph Blocher, der in dieser Angelegenheit
offensichtlich nicht immer die Wahrheit gesagt hat.
In einem
Interview sagte er auf die Frage
"Es geht um die Kontoinformationen, die Sie an den
Bundesrat weitergeleitet haben im Bezug auf die Familie Hildebrand." den
folgenden Satz: "Von dem weiss ich nichts".
Was sicher in dieser Geschichte verloren hat, ist das Image der Schweizer Bank.