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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Okt, 2011)

Zum zweiten Staenderats Wahlgang in Schaffhausen

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Polit-Talk Gespräch im Schaffhauser Fernsehen
Im ersten Wahlgang zur Schaffhauser Ständeratswahl hat es Hannes Germann (SVP) mit einem Glanzresultat ins Stöckli geschafft. Germann ist ein kompetenter Redner, der komplizierte Sachverhalte einfach und mediengerecht ausdrücken kann. Seine Voten waren stets gut strukturiert, obwohl manchmal schriftsprachlicher Satzaufbau durchschimmert. Bei diesem seriöser "Schaffer" mit dem guten Leistungsausweis war der grosser Erfolg vorhersehbar. Für den zweiten Wahlgang kämpfen nun Thomas Minder, (parteilos) Matthias Freivogel (SP) und Christian Heydecker (FDP) um den zweiten Sitz. Herbert Bühl (ÖBS) tritt nicht mehr an. Seine Stimmen könnten somit Freivogel oder Minder zu Gute kommen.

Für den zweiten Wahlgang in Schaffhausen werden die folgenden vier Faktoren wichtig sein:
  1. Das Sensibilisieren hinsichtlich Themen.
  2. Das Visualisieren von Kernpunkten.
  3. Das Mobilisieren und die Vernetzung.
  4. Das Personifizieren und das Image der Person.
Thomas Minder setzt das Schwergewicht auf Nachhaltigkeit bei den Themen Umweltschutz, KMU's, Migration, Banken und erneuerbare Energie. Der Vater der "Abzockerinitiative" spricht mediengerecht, anschaulich und ausdruckstark. Ein Beispiel: "Es darf nicht so weiter gehen wie in Stetten, dass Häuser wie Nistkästen bis an den Waldrand gebaut werden." Der parteilose Kandidat moblilisiert mit eigenen Mitteln und grossen Inseraten. Er hat keine engen Verbindungen zu Parteien und Verbänden. Thematisch tangiert er zum Teil die Thematik der SVP und der Grünen. Er kann mobliliseren, wirkt als Person engagiert und ist von seiner Botschaft überzeugt. Wer an die Sache glaubt, kann auch rhetorische Fehler machen. So spricht Minder vor Mikrofon und Kamera oft, laut, schroff, zu pausenlos. Minder profitiert vom Bonus "Neu, frisch, unverbraucht, parteilos". Viele Bürger zeigen grossen Parteien gegenüber Verdrossenheit, Unbehagen bis hin zu Misstrauen. Sie ärgern sich auch, dass die Minder-Initiative auf die lange Bank geschoben wird und hoffen, dass der neue Ständerat in Bern Druck ausüben könnte. Thomas Minder ist so besessen von seiner Mission, dass die "Bilanz" ihn einmal mit "heiligen Eifer" betitelte. Er muss daher aufpassen, dass er mit seinem ausgesprochenen Sendungsbewusstsein nicht zu missionarisch wirkt und er im Wahlkampf keine Schlammschlacht führt. So stört zum Beispiel, dass Minder in seinen Inseraten für sich selbst Mitleid erweckt hatte. Wenn er den Sitz ins "chambre de réflexion" schaffen will, muss er die Balance zwischen Härte und Flexibilität finden.

Matthias Freivogel hat ein Herz für Minderheiten. Er verspricht Lösungen zu finden und ist Atomgegner. Die SP Botschaften "Abschaffung der Armee", "Ueberwindung des Kapitalismus" klammerte er aus. Er unterstreicht vor allem die jüngste SP Message "Für Alle statt für Wenige". Freivogel hat das beste Plakat im Wahlkampf. Sein Gesicht ist gross und bildfüllend was seine vertrauenserweckenden Augen zum Ausdruck bringt. Es unterscheidet sich wohltuend von der Schwemme dilletantischer Plakate, die meist zu viele Informationen enthalten. Auch die Worte der SP Botschaft weckt bei den Lesern das richtige Bild. Freivogel spricht mediengewandter als beim letzten Wahlkampf. Er nutzt Bilder, sieht sich sich als Brückenbauer und will hier zuerst das Fundament bauen. Bei den jüngsten Auftritten spricht er zudem narrativer und schildert in diesem Wahlkampf auch konkrete Details. Ferner ist er ausdruckstärker als früher. Doch stört vielfach seine belehrende Art mit Blick Stimme und Zeigefinger. Freivogel ist ein ernst zu nehmender Kandidat. Falls er die Stimmen Bühls erhält und die Schaffhauserinnen und Schaffhauser die Finanzierung der Wünsche über die Steuerzahler akzeptieren, könnte er zusätzlich punkten.

Christian Heydecker setzt sich für weniger Vorschriften ein. Er will einen gesunden Haushalt und eine funktionierende Energieversorgung, die günstig und sicher ist, ohne Abhängigkeit vom Ausland. Vor allem weil die FDP durch Themen wie "Banken, Villiger, Bosse, Boni, Swissair, Honegger, Spörri und Kopp" angeschlagen ist, können bei der FDP nur überzeugende Persönlichkeiten Erfolg haben. Doris Fiala zeigt, dass das möglich ist. Auch Heydecker müsste auf das Image seiner eigenen Person setzen. Obwohl Parteichef Pelli auf eidgenössischer Ebene auf Koalitionen verzichtet, ist das in Schaffhausen nicht der Fall. Ohne das Netzwerk mit SVP, Gewerbetreibender, und bürgerlich denkenden Gruppierungen hätte Heydecker hier kaum Chancen, Minder zu schlagen. Die Unterstützung der SVP ist vor allem wichtig für ihn. Er hat beim Visualisieren seiner Botschaften noch ein Defizit. Bei allfälligen Schlammschlachten in der zweiten Phase darf Heydecker auf keinen Fall die Nerven verlieren. Ein Detail: bei seinen Auftritten bei Podiumsgesprächen zeigt er ein anderes Blickverhalten als bei persönlichen Dialogen und Interviews. Bei Podiumsveranstaltungen fehlt zu oft der Blickkontakt als "Brücke zum Du". Bei Interviews hingegen ist er natürlich, Gestik, Blick und Stimme stimmten überein. Wenn Heydecker gewinnen will, muss er jetzt alle bürgerlichen Kräfte überzeugen und moblilisieren. In Small-Talk Situation muss er locker und unverkrampft seine Botschaften bildhaft vermitteln können um als Person zu überzeugen.

Das Rennen ist völlig offen. Es ist spannend mit zu verfolgen, wer auf der letzten Strecke den Finish gewinnt. Chancen hätten alle drei.

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