In diesem Herbst wurde ich verschiedentlich gebeten, gewisse Kandidaten vor der Wahl zu analysieren. Obwohl ich ein Gegner von punktuellen Beurteilungen bin (Analyse der Stimme, der Mimik, der Gestik, des Verhaltens) hatte ich vor einigen Wochen dem Tagesanzeiger ausnahmsweise zugesagt, einige Fotos von Sarkozy und Merkel zu interpretieren. Ich betonte in meinem Beitrag deutlich, dass jede Interpretation subjektiv und gefährlich sei. Denn nach meinem Dafürhalten ist die Wirkung und Ueberzeugungskraft einer Persönlichkeit immer ganzheitlich zu beurteilen (Stimme, Aussage, Kleid, Ruf, Körpersprache usw.). Ich habe nur Analysen von Fotoaufnahmen gemacht, um zu veranschaulichen, dass wir alle die Körpersprache ständig interpretieren. Weil ich auch fürs Museum für Gestaltung zahlreiche Potos von Angela Merkel interpretieren musste, zeigte sich auch dort, dass die Körpersprache von eine Fotoreihe doch Einiges aussagen kann, sofern wir den Weg über das Beschreiben der Person wählen. Ich war selbst verblüfft, was eine Person durch ihr Verhalten alles verraten kann.

Viele gehen davon aus, dass man allein schon mit der richtigen Kleidersprache und einer antrainierten idealen Körpersprache bei Wahlen punkten kann.

Tele 1, vom 11. Oktober, 2011

Wahrscheinlich lassen sich deshalb viele Politiker theaterzentriert trainieren. Es wird ihnen dann beigebracht, während des Sprechens an Hände Blick und Gestik zu denken. Nicht mit dem Zeigefinger auf das Gegenüber zu zeigen, die Arme nicht zu verschränken oder die Handflächen möglichst offen nach oben zu halten. Jüngst kam eine Fernsehjournalistin zu mir, die von mir eine Analyse über die Körpersprache einzelner Kandidaten aus der Innerschweiz haben wollte. Zuerst habe ich ihr grundsätzliche Erkenntnisse zur Körperprache geschildert:

• Körpersprache ist immer ein Geschehen und hat etwas mit der inneren Einstellung zu tun.
• Wer sich während des Sprechens auf die Körpersprache achtet, ist nicht mehr voll konzentriert beim Kommunikationsprozess.
• Eine Person überzeugt nur, wenn sie selbst überzeugt ist von dem, was sie sagt.
• Das Image einer Person ist wichtiger, als das was sie sagt (Wissenschaftliche Untersuchung der Universität Zürich "Image schlägt Fakten" LINK rhetorik.ch).
• Wer die ganze Aufmerksamkeit aufs ZUHOEREN und DENKEN fokussiert, kann und darf sich nicht auf die Körpersprache oder Nebengedanken einlassen.
• Professionelles Coaching heisst die Kandidaten im Simulator so weit zu bringen, dass sie die eigene Gestik und die Technik im Studio völlig vergessen, trotz des Stresses und ungewohnter Situation. Erstaunlicherweise müssen wir vor Mikrofon und Kamera das natürliche, echte glaubwürdige Reden lernen, wie in der Schule das ABC. Der Grund: In Stress-Situationen sind wir blockiert und nicht mehr natürlich. Untrainierte bringen es deshalb kaum fertig, im Studio so zu reden, wie bei einem Small talk, wie bei einem Gespräch im privaten Rahmen. Bücher lesen und Theorien anhören genügt leider nicht. So wie wir nur im Wasser schwimmen lernen, erwerben wir die kommunikative Kompetenz in schwierigen Situation nur prozessorientiert d.h. Durch das TUN,TUN,TUN
• Ich habe festgestellt, dass auch Laien intuitiv erkennen, hören oder fühlen, ob ein Politiker lügt oder etwas vorgaukelt. Wir sind nämlich im Grunde genommen alle Spezialisten im Entziffern der Körpersprache. Seit Kleinkind haben wir - ohne es zu merken - eine mehrjährige Ausbildung erhalten, Körpersignale an Mitmenschen zu lesen. Wer in der Wahrnehmungsfähigkeit nicht geschädigt ist, lernte zu Hause, im Kindergarten, in der Schule, im Alltag die unterschiedlichten Signale lesen. Dank tausendfacher Wiederholung erkennen wir unbewusst, dass etwas nicht stimmt, ob jemand lügt oder das Gegenüber etwas gegen mich hat.
• Wer im Training mit dem Körper lügen lernen will, der benötigt einen zu grossen Aufwand. Clinton musste besipielsweise mit Spezialisten Monate lang üben, um beim Verhör nach seiner Affaire - vor der Videokamera bei der Befragung - die gespielte Argumentation glaubwürdig vertreten zu können.
• Leider gibt es viele Gurus, die behaupten, die Körpersprache eine Person auf Grund eines Mosaiksteines schlüssig beurteilen zu können sind fragwürdig (Beurteilung, nach Gesichtsform, oder nur aufgrund einer Stimmanlyse oder einem graphologischen Gutachten). Meistens haben diese angeblichen Experten Erfolg, weil viele Menschen einfache Rezepte schätzen.