Das Plakat
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Die Idee war frech, die Umsetzung dilettantisch. Hüllenlos posierte
Nationalratskandidatin Claudine Esseiva
diesen Sommer für einen Flyer der FDP Frauen. Lediglich ein schwarzer
Balken verhinderte die freie Sicht auf den nackten Oberkörper. Die
Botschaft "Nicht mehr oben ohne" sollte auf die unterdurchschnittliche
weibliche Vertretung in Führungspositionen aufmerksam machen.
Doch auf der im Internet aufgeschalteten Version des Flyers war die
Generalsekretärin der FDP Frauen nicht nur oben ohne, sondern auch
ohne Balken zu sehen. Dazu reichten lediglich drei Klicks auf einem
Grafikprogramm. Dieser Umstand blieb auch der Redaktion des "Blicks"
nicht verborgen. Am 11. Juli publizierte die Zeitung unter dem Titel
"Freisinnige Nacktpanne" Bilder Esseivas mit und ohne Balken.
Für die 32-Jährige war das eine klare Verletzung
des Rechts an ihrem Bild und ein massiver Eingriff in ihre
Persönlichkeitsrechte. "Niemand darf ohne mein Einverständnis
ein bewusst technisch manipuliertes Bild von mir verwenden", sagt sie
auf Anfrage von 20 Minuten Online. Deshalb habe sie beim Presserat eine
Beschwerde gegen die Zeitung eingereicht.
Natürlich habe die Grafikerin einen Fehler gemacht, als sie
eine Datei aufgeschaltet habe, bei der die verschiedenen Bildebenen
nachträglich bearbeitbar gewesen seien, räumt Esseiva ein. Sie
hätte jedoch nie damit gerechnet, dass dies getan werde.
Der Presserat kann in diesem Zusammenhang allerdings weder dafür
sorgen, dass die Bilder verschwinden, noch eine Richtigstellung empfehlen.
Weshalb also dieser Schritt? "Mir geht es um das Recht an meinem Bild
und um Stil im Journalismus", sagt die Freiburgerin. Es sei eine Chance
zu zeigen, dass die Medien mit Frauen und Männern unterschiedlich
umgingen. "Wenn der Grüne Nationalrat Bastien Girod nackt vor einem
Polizeiauto posiert, finden das alle cool, aber bei mir als Frau macht
man den Balken weg."
Ob das Geschlecht Esseivas tatsächlich eine Rolle gespielt hat beim
Entscheid, das Foto ohne Balken zu publizieren, ist offen. Bei Ringier,
dem Verlag des "Blicks", wollte man dazu mit Verweis auf das hängige
Verfahren keine Stellung nehmen.
Klar ist, dass mit der Beschwerde gegen die Publikation die Geschichte
um das Oben-Ohne-Plakat nochmals aufgekocht wird. Publizität,
die im Wahlkampf gelegen kommt. "Im Gegenteil", wehrt sich Esseiva,
"persönlich kann ich diese Publizität überhaupt nicht
gebrauchen, da ich sowieso keine Wahlchancen habe."
Ihr als Person habe die ganze Geschichte nur geschadet. Trotzdem
würde sie erneut für den Flyer posieren, wenn sie das Rad der
Zeit zurückdrehen könnte, sagt die 32-Jährige. Die FDP
Frauen hätten bewusst provoziert, um auf ihre Anliegen aufmerksam
zu machen. Mit den Reaktionen, die das Plakat ausgelöst hatte,
habe sie gut leben können, erzählt Esseiva. Doch der "Blick"
habe eine Grenze überschritten.
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