Es gehört zur Verhörtaktik bei Grössenwahnsinnigen: die
Ermittler müssen den Massenmörder glauben lassen, ihn zu bewundern,
um mehr zu erfahren. Vor allem wollen die Ermittler wissen,
ob Mittäter vorhanden sind.
Aus dem
Blick:
Der 32-Jährige wird in einem Raum der Polizeistation Grønland
in Oslo befragt. Anwesend sind dabei lediglich sein Anwalt Geir Lippestad
sowie der polizeiliche Leiter des Verhörs. In einem Nebenraum
schauen sich weitere Ermittler das Gespräch via Videoleinwand an.
Ihr Problem: Breivik redet gerne, er ist gewandt und kooperativ - doch
seine Aussagen beziehen sich stets auf sein Manifest, seinen wirren
"Krieg". Was sie jedoch interessiert sind nicht seine Selbstdarstellungen
als "Kreuzritter", sondern mögliche Hintermänner oder
Helfer. Breivik behauptet, es gäbe in Skandinavien zwei weitere
"Terrorzellen". Hirngespinste?
Um das herauszufinden, so erklärt Sven Christianson im "Dagbladet",
müssen die Beamten ihre Verhörtaktik der Psyche Breiviks
anpassen. Christianson ist Professor für Forensische Psychologie. Bei
ihm lernen Norwegische Ermittler die nötige Technik, um Kriminelle
zum Reden zu bringen.
Bei Breivik macht er Verfolgungs- und Grössenwahn aus. Das heisst
für die Ermittler: Professionelle Distanz und ein neutraler Ton
bringen mehr, als einfühlsame Nähe. Breivik soll sich sicher
fühlen. Er soll denken, dass er ernst genommen wird.
Breivik will angeben mit seiner Tat. Lässt man sich davon nicht
provozieren und lässt ihn reden, wird ihn das dazu verleiten, immer
mehr von sich preis zu geben. Breivik will bewundert werden. Gelingt
es den Vermittlern, dies zu vermitteln, so werden sie die ideologische
Mauer des 32-Jährigen durchbrechen.
Und auch dies sagt Christianson voraus: Die Isolationshaft wird Breivik
früher oder später brechen. Als Narziss braucht er ein Publikum
als Projektionsfläche für seine Selbstverliebtheit. Bleibt
dieses aus, fällt das Fantasiegebilde, das er um sich und seine
Tat aufgebaut hat in sich zusammen - Breivik wird sich als das sehen,
was er ist. Ein Massenmörder.
Nachtrag aus dem
Blick
vom 6. August:
Reue aber zeige er in keinster Weise, so Breiviks Anwalt gegenüber
der norwegischen Zeitung "VG". "Er geht davon aus, dass die heutige
Gesellschaft seine Taten verdammt. Doch er glaubt auch, dass er jetzt
viele Anhänger gefunden hat."
Breivik hat den Anwalt offenbar auch gebeten, das über 1500-seitige
Manifest seiner kranken Sicht auf die Welt und die Gesellschaft weiter
zu verbreiten. "Ich habe ihm sehr deutlich gesagt, dass ich das nicht
tun werde", so Lippestad.