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www.rhetorik.ch aktuell: (21. Jul, 2011)

Zum Auswendiglernen

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Vor Jahren wurden Pädagogen, die Inhalte auswendig lernen pflegten, von den zeitgemässen Kollegen belächelt. So wie es keinen Frontalunterricht mehr geben durfte, war jegliches Memorieren tabu. Nun scheint die Wissenschaft erkannt zu haben, dass im Zeitalter des Interets die Förderung der Gedächtnisleistung wieder einen neuen Sinn bekommt. In der Campus Beilage NZZ wurde diese Thematik am 15. Juli beleuchtet:
Erinnerungen können sich zu neuen, spannenden Ideen verknüpfen. Man muss sie aber erst einmal in den Kopf abfüllen. (Bild: Falko Ohlmer) Lernstoff auswendig lernen gilt leider heute oft als aufreibend und sinnlos. Wozu im Zeitalter des Internets das Gedächtnis anstrengen? Memorieren kann aber unterhaltsam sein - und hat seine Vorteile. Es ist wie eine allergische Reaktion, die ganze Studentenscharen befällt. Kaum heisst es "bitte auswendig lernen" folgt die Abwehrhaltung. Wozu braucht man all den Stoff? Im Beruf wird man die Fakten eh per Mausklick und nicht per Gedächtnis herbeizaubern. Und kaum hat man das memorierte Wissen bei der Prüfung abgespult, scheint der Stoff aus der Erinnerung verschwunden. Tatsächlich aber ist das Gedächtnis weder so schwer in den Griff zu kriegen noch so leistungsschwach wie wir annehmen. Das Problem ist nur: Wir trauen ihm nichts mehr zu. Im Zeitalter von elektronischen Erinnerungsfunktionen und Adressbüchern wird das Gedächtnis ein Opfer des Outsourcing. Schliesslich, so scheint es, ist es wesentlich einfacher die Maschinchen machen zu lassen als das eigene Gehirn.
Der Beitrag von Anna Gielas macht bewusst, dass dem Gedächtnis in unserem Leben eine tragende Rolle im gesellschaftlichen Leben zukommt. Wer früher als kultiviert gelten wollte, lernte die Werke von der ersten bis zur letzten Seite auswendig. Das geschriebenen Wort war lediglich eine Stütze zu: "Die Dinge werden in Büchern niedergeschrieben, um dem Gedächtnis zu helfen", hielt Thomas von Aquin in seiner "Summa theologica" fest.

Im antiken Griechenland führte Simonides von Keos die Gedächtniskunst - Mnemonik - ein. Sein simpler Rat entsprach den heutigen Erkenntnissen: Wenn wir uns an etwas erinnern wollen, müssen wir die Gedanken Bildern zuordnen. Wenn die Bilder gedanklich in ein vertrautes Gebäude gesetzt werden, lassen sie diese Bilder nachher auswendig wieder abrufen. Das Erinnern wird zu einem imaginären Gang durch diese Räume. Diese sogenannte Loci-Methode funktioniert erstaunlich gut. Es ist eine Eigenart des Gedächtnisses, dass wir visuelle und räumliche Informationen besonders gut speichern können.

Die Methode wird noch heute als Strategie der Sieger nationaler und internationaler Gedächtnis-Meisterschaften angewendet. Visualisierung ist ihr Schlüssel.

Wir können von Gedächtnis-Profis lernen. Die Bildung von Schlüssel- und Brückenbegriffen ist eine weitere Hilfe.

Wir können einzelne Kapitel mit bereits gelerntem Stoff verknüpfen und somit das Erinnern erleichtern. Wenn es sich nicht um ganze Bücher, sondern um überschaubare Mengen des Lernstoffs handelt, ist auch das Auswendig lernen durch regelmässige Wiederholung zu empfehlen. Denn das Gedächtnis zu fördern und ihm ruhig mal etwas zuzutrauen zahlt sich nicht nur im Examen aus: Erinnerungen können sich zu neuen, spannenden Ideen verknüpfen, denn Kreativität schöpft stets aus dem Alten, bereits Vorhandenen.

Es ist bekannt, dass ein Schauspieler seitenweise Texte auswendig speichern kann. Dies ist jedoch ohne Training nicht möglich. Auch Namen können auswendig gelernt werden, indem gezielt Eselsbrücken genutzt werden. Diese Merkfähigkeit kann gelernt werden. Ein Medizinstudent sagte mir, wer nicht gelernt hat, Medikamente und Begriffe aus der Anatomie automatisch abzurufen, der hat Probleme bei Prüfungen. Er habe sich während des Studiums das Gedächtnis bewusst gefordert und trainiert.

Viele Schüler sagen sich, dass man ja im Zeitalter des Internets alles abrufen könne und es völlig sinnlos sei, Flüsse, Seen oder Städte ( analog der Briefträgergeografie) auswendig zu lernen. Diese Kritiker sind sich nicht bewusst, dass jedes noch so sinnlose Training von Namen, Texten oder Fremdwörtern, beitragen kann, die Merkfähigkeit zu verbessern.

Quellen:

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