Ganz der Vater?
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Tagesanzeiger vom 20. Juli, 2011
Aus dem Tagi:
(...)
Doch wenn Martullo Politikerin wird, muss sie sich automatisch am
Vater messen lassen. Dieser hat die Entwicklung einer stagnierenden
10-Prozent-Partei zur heutigen SVP, die einen Drittel der Wähler
hinter sich schart, massgeblich mitgeprägt. Taugt Martullo wie ihr
Vater zum nationalen Partei-Aushängeschild und zur Chefstrategin?
Ja, sie hätte das Zeug dazu, glaubt Lüönd. "Intellektuell
und analytisch ist sie unglaublich stark. Und sie hat offenbar Charisma,
sie wirkt immer echt und kommt bei vielen Leuten gut an. Und sie
kann überzeugen, sie hat wie Christoph Blocher die Gabe zur
Vereinfachung."
Kommunikationsexperte Marcus Knill traut ihr zu, dass sie die
Argumentationstechnik und die Rhetorik von ihrem Vater "gleichsam geerbt,
also bereits im Blut" hat. Blocher mache unzählige rhetorische
Fehler, er spreche zu laut, wild, unkoordiniert gestikulierend. Trotzdem
könne er seine Zuhörer fesseln und beeinflussen. "Sein
Erfolgsrezept: Er glaubt an das, was er sagt, spricht in Bildern und
Geschichten." Auch seine Tochter könnte, sofern sie von dem, was
sie sage, ebenfalls voll und ganz überzeugt sei, als Nachfolgerin
"grosse Massen beeinflussen".
Er habe sich gewundert, wie Martullo im SF-Film ein Mitglied der
Führungsriege als Träumer blossgestellt habe, sagt Knill. Doch
seine Recherchen hätten gezeigt, dass sich in der Ems-Chemie
niemand an der burschikosen Direktheit der Chefin störe, dass
diese sogar geschätzt würde, weil man bei ihr wisse, woran
man sei. "So gesehen könnte ihre Eindeutigkeit und Direktheit
unserem politischen Klima guttun, in dem oft nur indirekt und mit
Weichspülern kommuniziert wird."
Trotzdem sind Wirtschaft und Politik nicht dasselbe. Das mussten schon
andere erfolgreiche Unternehmer erfahren, die in der Politik einflussarm
geblieben sind. Und Martullos unzimperlicher Führungsstil, der von
Buchautor Karl Lüönd als militärisch bezeichnet wird, wirft
die Frage nach der Politiktauglichkeit auf. Was in einer andern Partei zum
Problem würde, ist in der SVP aber womöglich keines. Denn die
Partei ist streng hierarchisch und straff organisiert, die Folgsamkeit
der Parteifunktionäre gegenüber dem Chefstrategen ist
augenfällig und hat ebenfalls militärische Züge.
Sonntag vom 24. Juli, 2011