Es ist journalistisch sicherlich fragwürdig, wenn Aussagen aus
dem Zusammenhang herausgerissen werden. Anderseits müsste ein
Bundesrat jede Aussage reflektieren und hat sich stets bewusst zu
sein, dass sein Verständnis für jene Schweizer, die im Ausland
einkaufen, missverstanden werden kann. Die Intervention hat seine Aussage
nochmals zementiert und ich bin überzeugt, dass nun das ganze
Volk glaubt, Schneider Ammann befürworte den Einkauf im billigen
Ausland. Er hätte als Kerbotschaft verdeutlichen und unterstreichen
müssen, dass er soches Verhalten nicht billige. Oft lohnt es sich -
bei vielen journalistischen Faux-pas - nicht zu intervenieren und die
Sache ledigllich unter vier Augen mit der Chefredaktion zu bereinigen. Die
öffentliche Diskussion mit der unbefriedigenden Korrektur war auch
in diesem Fall für den Wirtschaftminister kontraproduktiv. Der
publizierte, weidrholte Auszug aus einem Statement ist nun in aller Munde
und es würde mich nicht wundern, wenn Otto Normalverbraucher sogar
glaubt, auch der Bundesrat selbst, kaufe persönlich bedenkenlos im
Ausland ein.
Aus 20 Min:
Das Volkswirtschaftsdepartment hat bei der
Sendeleitung von "10vor10" interveniert. Grund war ein unvollständig
ausgestrahltes Interview mit Bundesrat Schneider-Ammann.
Das Departement von Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann
(EVD) ist zurzeit nicht gut auf das Nachrichtenmagazin "10vor10" zu
sprechen. Nach der Sendung vom Montagabend hat das EVD beim Schweizer
Fernsehen interveniert, wie Sprecherin Evelyn Kobelt auf Anfrage von
20 Minuten Online bestätigt. Grund war ein Beitrag über den
Schweizer Einkaufstourismus in das benachbarte Ausland.
Bundesrat Schneider-Ammann zeigte darin Verständnis dafür, dass
Schweizer aufgrund des tiefen Eurokurses vermehrt im Ausland einkaufen.
Die Durchschnittsfamilie habe nicht beliebig Mittel zur Verfügung,
die Kaufkraft sei nicht grösser geworden und der Druck auf die Kosten
sei gross, sagte Schneider-Ammann auf seiner Russlandreise gegenüber
"10vor10". "Jeder sucht - das finde ich das Gute am freien Markt - seine
beste Möglichkeit und somit geht er über die Grenze und deckt
sich ein."
Nicht zufrieden mit der ausgestrahlten Aussage war das EVD. "Im
Beitrag vom Montag war das Interview mit Bundesrat Schneider-Ammann
unvollständig", sagt Sprecherin Kobelt. Die Verantwortlichen bei
"10vor10" hätten aus dem Interview nur die Passage herausgenommen,
die ihnen passte und so einen falschen Eindruck entstehen lassen. "Auf
unsere Intervention hat "10vor10" am Dienstag in einem zweiten Beitrag
die vollständige Aussage von Bundesrat Johann Schneider-Ammann
ausgestrahlt."
Tatsächlich bringt "10vor10" am Dienstag eine Folgegeschichte
- mit kritischen Reaktionen auf Schneider-Ammanns Aussage, die laut
Moderatorin Daniela Lager "hohe Wellen" geworfen hat. Darauf kommt der
Angeschossene zu Wort: "Ich will selbstverständlich, dass vor allem
in der Schweiz konsumiert wird", sagt Schneider-Ammann. Ein Einblender
mit "Gestern" signalisiert, dass der Volkswirtschaftsminister dieses
Statement bereits am Montag gemacht hatte - im gleichen Interview,
in dem auch die später kritisierten Aussagen fielen.
Für das EVD ist auch der zweite Beitrag "nicht sauber gemacht". Die
Verantwortlichen hätten die externen Kommentatoren nur mit dem am
Montag ausgestrahlen Statement konfrontiert. "Sie konnten so nicht auf
die gesamte Aussage von Herrn Bundesrat Schneider-Ammann reagieren,
was das Missverständnis noch akzentuiert hat", so Sprecherin
Kobelt. Der Einblender "Gestern", der darauf hinweist, dass der
Volkswirtschaftsminister die zweite Aussage ebenfalls am Montag gemacht
hat, reicht laut Kobelt nicht aus. Für sie ist klar: "Unserer Meinung
nach ist das keine korrekte Informationsverarbeitung. Wir behalten uns
weitere Schritte vor."
Das Schweizer Fernsehen bestätigt, dass am Dienstag ein Gespräch
mit dem EVD stattgefunden hat, welches laut Mediensprecher Marco Meroni
"sehr freundlich" verlaufen sei. Im Beitrag vom Dienstag sei ein weiteres
Zitat des Volkswirtschaftsministers verwendet worden, weil es zum Thema
passte und nicht aufgrund einer Intervention des EVD. Für eine
Entschuldigung gebe es deshalb keinen Grund.