Der Chef des Internationalen Wärungsfonds
Dominique Strauss-Kahn ist in New York festgenommen worden.
Er soll eine Hotelangestellte sexuell belästigt haben und versucht haben,
sie zu vergewaltigen. Die Geschichte hat Mediengewicht.
Es ist eine Kombination von Macht, Verbrechen, Sex und Politik,
die den Vorfall auf die ersten Seiten der Zeitungen wirft. Es ist die Verbindung von
Krise (Wirtschafts und Finanzkrise) und Skandal (Sex und Macht), die das Interesse
am Vorfall anheizt.
Sogar die Renommierten Zeitungen NYT oder Washington Post haben
den Skandal auf den Frontseiten
Der charismatische Dominique Strauss-Kahn
war eine ungewöhnliche Besetzung als IWF-Chef. Doch in der Krise
stieg er auf zum unumstrittenen Manager des Weltfinanzsystems. Die
Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn bringen nun auch den Gipfel zur
Euro-Rettung durcheinander.
Was geschah in Suite 2806? Hat IWF-Boss Strauss-Kahn tatsächlich
versucht, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen? Noch stehen die
US-Ermittler am Anfang. Nun soll ein DNA-Test Klarheit bringen. Das
mutmassliche Opfer hat den Top-Banker identifiziert - und aus Frankreich
werden neue Vorwürfe laut.
Eigentlich sollte Dominique Strauss-Kahn am Montagnachmittag am
Verhandlungstisch sitzen und in Brüssel die Gespräche
der Euro-Finanzminister zum Rettungspaket für Portugal
leiten. Daraus wird nichts. Stattdessen hat der Chef des Internationalen
Währungsfonds in New York einen Termin mit dem Haftrichter.
Es passierte im "Sofitel New York", einer Edelabsteige einer
französischen Hotel-Kette, unweit des Time Square. In der
Penthouse-Etage im 28. Stock, das über ein King-Size-Bett, sowie
zwei HD-Fernseher oder auch ein Marmorbad verfügt, stürzt sich
Dominique Strauss-Kahn auf ein Zimmermädchen.
Mittlerweile sitzt der mächtigste Banker und Chef des Internationalen
Währungsfonds in Polizeigewahrsam. Er soll die 32-jährige
Afrikanerin zu Oral- und Analsex gezwungen haben, behauptet die "New
York Post". Ein handfester Skandal erschüttert die Finanz- und
Politikwelt.
In Frankreich nennen sie Dominique Strauss-Kahn nur "DSK" - oder
auch "lapin chaud". Denn der "heisse Hase" ist längst als
unverbesserlicher Schürzenjäger bekannt. Der Vorfall
in der 3000-Dollar-Suite ist kein Einzelfall in der Vita des
62-Jährigen. Sarkozy soll ihn einst gewarnt haben, niemals alleine
mit einer Frau in einen Lift zu steigen, schreibt der "Spiegel".
Ein Charmeur, ein Verführer, ein Schürzenjäger - Frauen
sind seit Jahren ein "Schwachpunkt" im Leben von DSK, heisst es im Umfeld
des Mannes, der in den letzten Umfragen in der Wählergunst klar
vor dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy lag. In "Sexus
Politicus", einem Buch über das Liebesleben der französischen
Politiker, das 2006 erschien, werden Strauss-Kahns Affären eindeutig
beschrieben - ohne den Politiker beim Namen zu nennen. Doch es war klar,
um wen es sich dabei handelte.
Das vernichtende Dokument ist nicht mal eine Seite lang. Anklageschrift
Nr. 1225782, Titel: "Der Staat New York gegen Dominique Strauss-Kahn
(M 62)." Staatsanwalt Artie McConnell braucht keine fünf Minuten, um
den Inhalt des Papiers im restlos überfüllten Verhandlungssaal
130 des Criminal Court Building in Lower Manhattan zu verlesen.
In vier knappen, doch knallharten Absätzen hat
Detektiv Steven Lane von der Special Victims Unit (SVU), der
Sondereinsatzgruppe der New Yorker Polizei für Sexualverbrechen,
die sechs Anklagepunkte gegen den Chef des Internationalen
Währungsfonds (IWF) notiert. 1. Krimineller sexueller
Akt. 2. Versuchte Vergewaltigung. 3. Sexuelle Nötigung. 4.
Freiheitsberaubung. 5. Nochmals sexuelle Nötigung. 6. "Gewaltsamer
Körperkontakt."
Strauss-Kahn, 62, hockt schweigend und mit versteinerter Miene
da, in derselben, dunkelblauen Anzugjacke, in der er am Samstag am
Kennedy-Flughafen von den Cops aus einer startbereiten Air-France-Maschine
geholt worden war. Ab und zu schielt er zu seinem Anwalt Ben Brafman,
der als Starverteidiger bereits so illustren Angeklagten wie Michael
Jackson, Sean Combs und Jay-Z zur Seite stand.
Die Anschuldigungen gegen Dominique Strauss-Kahn schockieren Frankreich
zutiefst, die Sozialisten haben ihren aussichtsreichsten Anwärter
auf das Präsidentenamt verloren. Die Zeitung "Libération"
formulierte kurz und knapp: "DSK Out". Eine Schriftstellerin erhebt
zudem erneut Vorwürfe gegen ihn.
Der Schock sitzt tief bei den Sozialisten, die Meinungsumfragen zeigen,
dass die Franzosen Dominique Strauss-Kahn bereits am Ende seiner Karriere
wähnen. Selbst unter Konservativen sorgen die Bilder vom Chef des
Weltwährungsfonds, der mit Handschellen eine New Yorker Polizeiwache
verlässt, für deutliches Unbehagen.
Die Taiwanesische Animationsnews-Firma NMA hat den möglichen Übergriff
von Dominique Strauss-Kahn im New Yorker Hotelzimmer digital nachgestellt.
Nachtrag vom 17. Mai, 2011
Obschon der verdächtigte Dominique Strauss-Kahn kein unbeschriebenen
Blatt ist im Umgang mit Frauen, so gilt für ihn - nach wie vor -
die Unschuldsvermutung. Die Geschichte mit der angeblichen Vergewaltigung
gibt allen Verschwörungstheoretikern Aufwind, weil der Verhaftete
ein prominenter Anwärter auf das Präsidentschaftsamt in Frankreich
ist. Es lag somit in der Luft, dass bei dieser Person die
unmöglichsten Vermutungen kolportiert werden.
So zum Beispiel, dass man den Konkurrenten bewusst mit einem fiesen Spiel
ausser Gefecht setzen wollte, analog zu Julian Assange von
Wikileaks.
Diese Verschwörungstheorie ist deshalb bei
vielen Lesern nachvollziehbar, weil es immer wieder vorgekommen ist,
dass missliebige Konkurrenten mit einer üblen Verdächtigung
ausgeschaltet werden konnten: man hätte es mit einem politischen
Attentat zu tun.
Aus dem Kurier:
Ich bin von einer internationalen Verschwörung überzeugt",
sagte die sozialistische Politikerin Michèle Sabban zur
Affäre um Dominique Strauss-Kahn. "Dies ist eine neue Form eines
politischen Attentats." Die französische Ministerin ist nicht die
einzige, die eine Hetzkampagne ortet. Im Internet kursieren bereits
Verschwörungstheorien um den Fall des eines Sexualverbrechens
beschuldigten Franzosen.
Ex-Ministerin Christine Boutin sprach von einer "Falle", die Strauss-Kahn
gestellt worden sei - "entweder vom IWF, von den französischen
Rechten oder den französischen Linken", mutmasste sie. Einer von
Strauss-Kahns Anwälten sprach von einer möglichen "Provokation".
Was hatte Strauss-Kahn in New York zu tun? Warum übernachtet
er in einem teuren Hotel, obwohl ihm eine Wohnung in Manhattan zur
Verfügung steht? Warum kommt ein Zimmermädchen in sein Zimmer,
obwohl er noch nicht abgereist ist? Warum weiss die US-Presse so schnell
so viele Details, noch bevor es eine Anklage gibt? Es sind Fragen wie
diese, die den Nährboden für Verschwörungstheorien bieten.
Die Information, dass ausgerechnet ein junger Anhänger der
französischen Regierungspartei UMP die Nachricht als erster
über Twitter verbreitet hatte, nährte die Komplott-Theorien. Die
Affäre wurde zudem sehr früh von dem früheren Wahlkampfchef
von Präsident Nicolas Sarkozy, Arnaud Dassier, aufgegriffen.
Die Zeitung Le Parisien schreibt, dass die Zimmernummer der Luxus-Suite
- 2806 - dem Datum der parteiinternen Vorwahlen für die
Präsidentschaftskandidatur entspricht.
Der französische Radiosender RMC wiederum berichtet, Strauss-Kahn
soll ein Alibi haben: Er sei mit seiner Tochter zum Mittagessen verabredet
gewesen. Schon eine Stunde vor dem angeblichen Vergewaltigungsversuch
habe er aus dem Hotel ausgecheckt.
Der Fall ist brisant. Es wird interessant sein
zu sehen, was die Untersuchung an den Tag bringt.
Der Druck auf Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wächst. Aus
Ermittlerkreisen sind neue Details durchgesickert: Demnach soll er
zum Zimmermädchen gesagt haben während er sie im New Yorker
Hotelzimmer mutmasslich vergewaltigte: "Weisst du nicht, wer ich
bin! Weisst du nicht, wer ich bin?" Dies berichtet "Fox News".
Zudem gibt es neue Beweise, die belegen sollen, dass es tatsächlich
zum Sex zwischen Strauss-Kahn und einem Zimmermädchen kam. Bleibt
die Frage, ob es gewaltsam geschah. Die Verteidigung des Franzosen
bezweifelt das offenbar.
(...)
Inzwischen steht Strauss-Kahn unter Hausarrest. Er muss
eine elektronische Fussfessel tragen und wird wegen Fluchtgefahr rund
um die Uhr von bewaffneten Sicherheitsbeamten überwacht.
Nachtrag vom 30. Juni, 2011:
Ein New York Times Artikel
hat einen Update über den Fall Strauss-Kahn. Die Frau kurz nach dem Vorfall hatte ein Telefongespräch mit einem
Gefängnisinsassen in der sie die Vorteile einer Anklage diskutierte.
Der Spiegel nennte die Wende eine
Sensation:
Nach Angaben der "New York Times" könnte die Anklage wegen versuchter
Vergewaltigung und sexueller Nötigung platzen, da die Staatsanwaltschaft
mittlerweile erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmasslichen
Opfers und damit der einzigen Belastungszeugin habe. Die Frau stehe
womöglich mit "kriminellen Aktivitäten" in Verbindung. Es werde erwogen,
die Anklage fallenzulassen.
(...)
Diese "erleichterten Konditionen" könnten nach Informationen der "NYT"
eine sofortige Freilassung bedeuten. Strauss-Kahn müsste zwar seinen
Reisepass hinterlegen, könnte sich aber innerhalb der USA frei bewegen.
Richter Michael Obus hat darüber das letzte Wort. Dieser Antrag würde
darauf hindeuten, dass sich die Ermittlungen klar zugunsten Strauss-Kahns gewendet haben.
(...)
Vertreter der Staatsanwaltschaft trafen sich den Angaben zufolge am
Donnerstag mit Strauss-Kahns Anwälten, um sie über die
jüngsten Erkenntnisse zu unterrichten. Sie hätten "Probleme mit dem Fall",
zitierte die "NYT". Die Anklage überlege nun, "die Vorwürfe des
Kapitalverbrechens fallenzulassen". Eine Option sei es, dass sich
Strauss-Kahn eines Vergehens schuldig bekenne. Das würde die
Verteidigung aber wohl kaum akzeptieren. "Es ist ein Schlamassel", sagte
einer der Beteiligten der "NYT". "Ein Schlamassel auf beiden Seiten."
Die 32-Jährige, die vor einigen Jahren aus dem westafrikanischen
Guinea eingewandert war, soll nach neusten Erkenntnissen nicht nur
bei ihrem Asylantrag gelogen haben. Es gebe auch Hinweise, dass sie
in Geldwäsche und Drogenhandel verwickelt sei, berichtet die
"New York Times". Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei hochrangige
Strafverfolger. Auch wenn es Beweise für einen sexuellen Kontakt
gebe, würden die Ankläger ihr nicht mehr viel glauben. So soll
sie am Tattag mit einem inhaftierten Mann über die Möglichkeit
gesprochen haben, mit Vorwürfen gegen Strauss-Kahn Geld zu machen,
berichtete die Zeitung weiter.