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Nach Angaben aus Regierungskreisen in Washington landete eine "kleine Einheit" in der
Nacht zum Sonntag mit zwei Helikoptern auf einem abgeschirmten Anwesen in
Abbottabad. Abbottabad ist eine Stadt mit 100 000 Einwohnern und liegt
im Vorgebirge des Himalayas, nur rund 50 Kilometer von der Hauptstadt
Islamabad entfernt. Infografik Die Anschläge der Al Kaida
Die Einheimischen wurden offenbar kurz vor dem Sturm auf Bin Ladens
Wohnsitz angehalten, ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen und die
Lichter zu löschen, berichtet BBC. Kurz darauf seien die ersten
Schüsse gefallen.
Etwa 40 Minuten dauerte die riskante Kommandoaktion, bei der der
meistgesuchte Terrorist der Welt getötet wurde. Der TV-Sender
CNN berichtete, dass bin Laden nach einem längeren Feuergefecht
durch einen Kopfschuss gestorben sei. Ein Mitglied des pakistanischen
Geheimdiensts, sagte, er wisse nicht, wer den tödlichen Schuss auf
den Chef der Terrorzelle abgegeben habe.
Der Gründer und Chef des Terrornetzwerks Al-Kaida versteckte sich
nicht wie oft vermutet in einer Höhle im afghanisch-pakistanischen
Grenzgebiet vor den USA, die Bin Laden seit den Anschlägen
vom 11. September 2001 weltweit jagten. Er verschanzte sich in einer
herrschaftlichen Residenz in Abbottabad. Das Haus soll rund eine Million
Dollar wert sein. Das Anwesen sei von bis zu vier Meter hohen Mauern
umgeben, die zudem mit Stacheldraht gesichert waren und mit Videokameras
überwacht wurden. Der Bau hat sich nur rund 800 Meter entfernt von
einer pakistanischen Militärakademie befunden. Bin Laden war sehr
vorsichtig. Laut der "New York Times" stellten seine Leute den Müll
nicht vor die Tür, sie verbrannten ihn. Wie die Nachrichtenagentur
AP meldet, gab es weder Telefon- noch Internetleitungen zu dem Anwesen.
Der Komplex sei vor fünf Jahren errichtet worden. Im Spätsommer
2010 habe es erste Hinweise darauf gegeben, dass sich Bin Laden hier
aufhalten könnte. Auf die Spur kamen die US-Geheimdienste dem
Al- Kaida-Chef demnach über einen Boten, den sie bereits seit
einiger Zeit überwachten. Bin Laden setzte Boten zur Kommunikation
ein. Sie übermittelten seine Botschaften mittels Zetteln. In den
letzten Wochen sollen die Amerikaner genug Informationen gehabt haben,
um zuzuschlagen.
(...)
Die US-Spezialkräfte blieben unverletzt. Allerdings sei einer
der beiden Helikopter wegen einer "mechanischen Panne" ausgefallen und
deshalb zerstört worden, hiess es. Beim Rückzug habe die gesamte
Einheit mit dem verbleibenden Helikopter ausgeflogen werden müssen -
samt der Leiche Bin Ladens. Um sicher zu sein, dass es sich beim Toten um
Bin Laden handelt, wurde laut US-Informationen eine DNA-Analyse gemacht.
Bild
Kurz nach Mitternacht (Ortszeit, deutsche Zeit: kurz nach 21.00 Uhr
am Sonntagabend)
Von einem Stützpunkt in Afghanistan aus starteten zwei Hubschrauber
vom Typ CH47 Chinook Richtung Pakistan. Ziel: Eine Luxus-Villa in
Abbottabad.
Hier hielt sich Bin Laden offenbar seit 2005 versteckt - nicht in einem
Bunker-Versteck, sondern in einem 1 Million Dollar teureren Prachtbau
mit extrem dicken Mauern.
Das zwei Stockwerke hohe Anwesen steht nur wenige hundert Meter von der
pakistanischen Militär-Akademie in der Garnisonsstadt Abbottabad
entfernt.
Bin Laden hielt sich auf dem einen Hektar grossen Grundstück hinter
zehn Meter hohen Sicherheitsmauern verschanzt.
An der Militär-Aktion waren nach Informationen des US-Fernseh-Senders
"ABC" ca. 25 US-Elite-Soldaten der Anti-Terror-Einheit "Navy Seals"
beteiligt.
Zunächst griffen die Amerikaner von den Hubschraubern aus an.
Dann gab es ein heftiges Feuergefecht am Boden.
Bin Laden soll selbst auf die Angreifer geschossen haben. Er wurde
aufgefordert, sich zu ergeben - lehnte dies aber ab.
Kurz danach wurde er laut CNN durch einen Kopfschuss getötet!
Todeszeitpunkt: zwischen 01.30 und 02.00 Uhr Ortszeit am frühen
Montag.
Seine Leiche wurde anschliessend sichergestellt, per Hubschrauber nach
Afghanistan ausgeflogen und untersucht.
Ergebnis: Es handelt sich zweifelsfrei um Osama Bin Laden.
Die Leiche ist laut US-Fernsehberichten inzwischen im Meer beigesetzt
worden - möglicherweise von einem amerikanischen Flugzeugträger
aus.
Die USA haben die Kommando-Aktion offenbar allein durchgeführt.
Pakistanischen Behörden waren nicht über den geplanten Einsatz
informiert.
"Wir haben die geheimdienstlichen Erkenntnisse über die Residenz
(in der sich der al-Qaida-Chef aufhielt) mit keinem anderen Land geteilt,
auch nicht Pakistan", sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington.
Neben dem 9/11-Drahtzieher sollen bei der Operation auch sein Sohn und
zwei weitere al-Qaida-Bosse getötet worden sein.
Auch eine Frau ist angeblich unter den Opfern - sie war von Osama und
seinen Getreuen offenbar als menschliches Schutzschild missbraucht worden.
Nachtrag vom 3. Mai, 2011: Wie die
Washingtonpost
berichtet, sei die Sache im Beraterteam umstritten gewesen.
Obama sei zuversichtlich gewesen und habe dann grünes Licht
gegeben. Das brauchte Mut: Carters Geiselbefreiung zeigte, was für ein
Desaster ein Fehlschlagen bedeuten kann.
Das Foto zeigt das Team, beim Verfolgen des Kommandos. Nicht alles ging glatt.
Ein Helikopter hatte mechanische Probleme und musste zerstört werden,
das Wetter war erst nicht gut, am Schluss sollen noch pakistanische
Kampfjets aufgestiegen sein.
Zurück zum Bild, das Bände spricht:
Eine Karte vor Clinton wurde unkenntlich gemacht. Neben Obama ist ein
Sack, in dem Papiere zur sofortigen Verichnichtung gesammelt werden.
Nachtrag vom 3. Mai, 2011:
Die Liquidierung von Osama zeigt, dass das Fernsehen es schwieriger
hat, mit dem Tempo mitzuhalten.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Schweizer Fernsehen bei wichtigen
News geschlafen hat. Die Sendeverantwortlichen finden nachträglich
meist einleuchtende Gründe, die plausibel machen wollen, weshalb
solche Pannen möglich sind.
Bei so einem wichtigen Medium sollte es möglich sein,
wichtige Vorkommnisse über die Tagesredaktion sofort einzuspeisen.
Online Medien wie "20 Min" oder "Blick" bringen es fertig,
innert Minuten wichtige Neuigkeiten unverzüglich aufzuschalten.
Das Schweizer Fernsehen hat durch seine
online Präsenz auch die Möglichkeit
gekriegt, schneller zu reagieren.
Der Tagi:
Um 5 Uhr früh Mitteleuropäischer Zeit verbreiteten die
Nachrichtenagenturen die ersten Meldungen über die
Erschiessung von Osama Bin Laden. Kurz darauf waren auf allen
internationalen und den öffentlich-rechtlichen Sendern der
Nachbarländer Sondersendungen zu sehen. Der ORF brachte um
7.30 Uhr die erste Sondersendung und vier weitere später;
um 9 Uhr sassen die ersten Experten im ORF-Studio, standen die ersten
Liveschaltungen nach Washington.
Im Schweizer Fernsehen lief derweil: der Wetterkanal, "Welt der Tiere",
"5 gegen 5" ("Die tägliche Spielshow mit Sven Epiney"). Erst die
verlängerte Mittags-"Tagesschau" um 12.45 Uhr handelte das Thema
Bin Laden erschöpfend ab.
Die Schweizer Gebührenzahler waren an den 10. Februar 2011 erinnert,
als die gesamte TV-Welt zu Sondersendungen auf den Tahrir-Platz in Kairo
schaltete, wo die Menge den Rücktritt Mubaraks erwartete und - als
dieser ausblieb - den Umsturz mit schweren Ausschreitungen endgültig
einleitete. Das SF zeigte in "Aeschbacher" eine Diskussion über
Baumnüsse.
Tristan Brenn, stellvertretender Chefredaktor von Schweizer Radio
und Fernsehen (SRF), begründet das gestrige Morgenprogramm mit
Geld- und Ressourcenmangel. Einerseits hätten die deutschen und
österreichischen Kollegen reguläre Frühnachrichten,
das Personal sei darum schon früh verfügbar, was bei SF
nicht der Fall sei. Ausserdem seien in diesem Jahr mit Ägypten,
Libyen und Japan sehr viele Grossereignisse zu bewältigen
gewesen. Alleine zwischen dem 11. und dem 20. März hat SF 24
Sondersendungen realisiert und etliche reguläre Sendungen von
"10 vor 10" und "Tagesschau" verlängert. Das ging ins Geld. "Wir
haben ein Budget für Sondersendungen. Zahlen kann ich keine
nennen. Was ich sagen kann: Die bisherige Zahl an Sondersendungen liegt
weit über dem Durchschnitt, was sich auf die Kosten auswirkt",
sagt Brenn. Den Vergleich mit den deutschen oder österreichischen
öffentlich-rechtlichen Sendern lässt er nur bedingt gelten. Zwar
habe die SRG mit 1.5 Milliarden Franken ein höheres Budget als der
ORF mit 1 Milliarde Euro, doch müssten die Österreicher nur in
einer Sprache senden und viel weniger Spartenkanäle finanzieren. "Wir
werden den publizistischen Auftrag jedoch nie aus Kostengründen
vernachlässigen", sagt Brenn. Im Fall Bin Laden habe man diesen
mit einem Dok-Film und der Verlängerung von "Tagesschau" und "10
vor 10" erfüllt.
Die Begründung Brenns ist eine Selbstschutzbehauptung.
Es wird nicht gesagt, was künftig geändert wird. Das Fernsehen
muss über die Bücher und beweisen, dass man aus Fehlern
lernen kann. Wichtige Meldungen sollten sofort gemeldet werden.
So könnte man etwa wichtige News auf einem Spruchband einspeisen oder
der Online Präsenz noch mehr Priorität geben und Kurzeinspeisungen
vom Online Medium ins Fernsehen zulassen. Man sieht weltweit, dass
das Fernsehen die Rolle als "News Quelle" immer mehr ans Internet abgibt.
Viele Fernsehkanäle verzichten ganz auf Nachrichten. Bei einem staatlich
finanziertem Betrieb sollte eine minimale und aktuelle Grundversorgung
an Nachrichten weiterbestehen und bei wichtigen Vorkommnissen gar
das Programm unterbrochen werden.
Nachtrag vom 3. Mai, 2011:
20 Min:
Das Foto
vom Beraterteam beim Verfolgen der Action gab viel zu reden.
Bemerkenswert: warum hat man ein Bild ausgewählt, wo Clinton erschrocken die
Hand vor den Mund hält und Obama im Ecken sitzt.
Auf ein anderes Foto, ein Beweisfoto von Bin Ladens Tod wird man vergeblich warten.
Es wurde entschieden, das Bild nicht zu publizieren.
Antworten zu Fragen vom Tagesanzeiger:
1. Was fällt Ihnen als Kommunikationsexperte an den Fotos auf?
Insbesondere beim ersten Bild mit Hillary Clinton?
Das Bild mit den engsten Berater Obamas und der Aussenministerin Hillary
Clinton erinnert an eine Gruppe, die einen wichtigen Fussballmatch
verfolgt oder eine brutalen Film verfolgt. Doch geht es um das Betrachten
einer Hinrichtung - live - wie es früher im Mittelalter auf dem
Hinrichtungsplatz von Verbrechern der Fall war. Ein ähnliches Bild
hätte man im Weissen Haus aufnehmen können, beim Anblick am
Bildschirm anlässlich des Columbia Desasters 2003. Spannung liegt
in der Luft. Bestürzt hält die Aussenministerin die Hand
vor den Mund. Barack Obama wirkt höchst konzentriert und neigt
selbstvergessen den Oberkörper nach vorn , die Unterme auf die
Oberschenkel stützend. Drei der Betrachter schützen sich
gleichsam mit den verschränken Armen.
2. Was ist der Zweck dieser Inszenierung? Warum hat das Weisse Haus diese Bilder freigegeben?
Das Weisse Haus hat keine Bilder freigegeben, die den Jubelbildern
auf der Strasse ähneln.Es wollte auch keine Bildes des toten
Terroristen publizieren. Das Foto Dilemma löste die Regierung,
indem sie nur Bilder veröffentlichten, die veranschaulichen, dass
die Regierung bedacht gehandelt hat. Die Aufnahmen sollen bewusst
machen, dass es um eine ernste, bedachte Aktion gegangen ist. Die
Weltöffentlichkeit soll sehen, dass der der imagemässig
angeschlagene Präsident sich durchsetzen und handeln kann und
es Obama das gelungen ist, was dem Vorgänger nie gelungen war.
3. Ist das eine Anlehnung an die Kennedy-Bilder während der
Kuba-Krise? Nach der Ikone Kennedy die Ikone Obama?
Präsident Kennedy wurde bei der Kuba Krise auch mit seinen Beratern auf der
Veranda des Weissen Hauses am 29 Oktober 62 ebenfalls fotografiert.
Sie ging in die Geschichte ein. Die Aufnahme mit Obama und seinem
engsten Kreis könnte eine ähnliche Wirkung haben.
4. Was sagen diese Bilder über Obama aus?
Habe ich bei
Frage 2 beantwortet. Bilder sagen mehr als Worte. Der Präsident
wirkt natürlich, engagiert und bedacht. Man sieht bei allen
Aufnahmen: Es geht dem Präsidenten um sehr viel. Sie haben
Obama Punkte gebracht. Doch ist noch nicht gesagt, ob diese Punkte
bei der Wiederwahl immer noch nachwirken.
5. Was würde die Veröffentlichung eines Fotos des toten Bin
Ladens bedeuten?
Wenn Fotos des Toten mit dem zerstümmelten Kopf gezeigt würden,
wäre dies ein Verstoss gegen den Codex der Medien. In der
amerikanischen Medienlandschaft sollen möglichst keine Bilder
von Toten gezeigt werden. Das heisst: Zumindest keine Aufnahmen
von Verstümmelten oder Misshandelten. Die meisten Zeitungen
halten sich an das Gebot. Allerdings gibt es immer wieder Ausnahmen
(Saddam Husseins Leiche nach dessen Hinrichtung). Ich kann mir
gut vorstellen, dass nach den gefälschten Fotos der Druck sehr
gross wird und die Regierung die echte Foto doch preisgibt.
Wenn dies geschieht, müssen wir aber damit rechnen, dass die
Verschwörungstheoretiker auch diese Aufnahme anzweifeln werden.
6. Gibts noch etwas Wichtiges zu sagen?
Es hat noch viele Parallelfragen: Darf man einen Terroristen auf
fremden Territorium hinrichten? Auch folgende Frage wird kontravers
diskutiert: Verstiess das Sonderkommando gegen die Menschenrechte,
wenn sie einen unbewaffneten Massenmörder hinrichten? Darf
man bei Tod eines Terroristen Freude zeigen? (Angela Merkel hat ein
Problem mit Ihrer spontanen Aeusserung, sie habe sich über die
Hinrichtung gefreut)
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Soll die Foto des toten Bin Laden publiziert werden?
Es ist begreiflich, wenn die Medien das Bild des getöteten
Terroristen publizieren möchten. Die Begründung lautete meist:
Die Oeffentlichkeit hätte dann den Bildbeweis. Doch geht es der
Boulevardpresse vor allem um das Bild und damit um die Einschaltquote.
Persönlich war ich wie Obama immer gegen eine Publikation einer
Foto. Nicht, weil die Aufnahme bei den Anhängern Bin Ladens
Rachegefühle aufkommen lassen. Auch nicht, weil der Bevölkerung
solch grauenhaften Bilder nicht zugemutet werden könnten (In Krimis
werden oft noch schlimmere Bilder gezeigt).
Ich glaube auch nicht, dass mit einer Publikation die
Verschwörungstheoretiker zum Schweigen gebracht werden könnten.
Es geht mir vielmehr um ein Prinzip (von den amerikanischen Medien
wird dies als Kodex meist eingehalten und bei uns wird es in den meisten
Redaktionen so gehandhabt): Es dürfen keine Toten oder gefolterten
Menschen abgebildet werden.
Der Kommunikationsfehler im Weissen Hauss war aus meiner Sicht die
uneinheitliche Information. Zuerst wollte man die Aufnahme zeigen, dann
intervenierte der Präsident und das Bild des toten Bin Laden durfte
man nicht mehr zeigen.
Es kamen einige gefälschte Aufnahmen in Zirkulation. Und Obamas
Entscheid war aus meiner Sicht richtig. Aus Fachkreisen wurde ich nach
meiner publizierten Analyse im Tagi darauf aufmerksam gemacht, dass
ein grosskalibriger Schuss durch den Kopf eine visuelle Identifikation
ohnehin nichts bringe. Das Gesicht sei meist völlig entstellt. Der
Profi, der mir geschrieben hatte, muss laufend Opfer nach Verbrechen
untersuchen. Die Idee dieser Fachperson hat etwas für sich. Sie
sagte mir am Telefon, man könnte ja die Originalaufnahme ledigleich
zur Akteneinsicht freigeben, vor allem die DNA Resultat. Das würde
zu einer gewissen Entspannung führen.
Eines steht jedenfalls fest: Ob das Bild publiziert wird oder nicht, es
ist immer falsch d.h. Die Verschwörungstheoretiker lassen sich von
ihrer Vorstellung - durch keine Dokumente - von ihrer Theorie abbringen.
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