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www.rhetorik.ch aktuell: (29. Apr, 2011)

Märchenhochzeit

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Es wurde geschätzt, dass zwei Milliarden Menschen die "Traumhochzeit" an den Bildschirmen mitverfolgen würden. [Nachtrag vom 1. Mai: 3 Milliarden mögen es gewesen sein, 2. Mai: oder nicht?] Ein mediales Ereignis, das die Öffentlichkeit total in den Bann zieht. Alle reden, schreiben und kommentieren die Liebesgeschichte von zwei jungen Menschen - als sei dies die wichtigste Geschichte der Weltgemeinschaft. Die mediale Dosierung steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Zeitfragen, welche uns derzeit beschäftigen müsste. Durch die mediale Ueberdosierung wird die Feierlichkeit des britischen Königshauses zu einem Kollektivereignis, dem sich keine Zeitung, kein Radio oder keine Fernsehstation entziehen konnte. Banale Fragen dominierten das Tagesgeschehen: Frisur der Braut? Diadem und Schleier oder nur Schleier? Wie verhalten sich die Gäste? Passt der Ring? Wie ist das Wetter? Verhaspelt sich jemand beim Ehegelübde? Wichtige politische Fragen waren für Stunden vom Tisch.



Niemand scheint sich dem Medienphänomen entziehen zu können. Die königliche Hochzeit dominiert die Traktandenliste der Aktualität. Vielleicht findet die banale Geschichte deshalb einen so grossen Widerhall, weil sich die Bevölkerung für ein paar Stunden in eine Märchenwelt flüchten kann und sich so die Sorgen und Alltagsprobleme verdrängen lassen. Der Mensch scheint ein Bedürfnis zu haben, Märchen zu glauben. Könnte es nicht auch sein, dass jeder weiss, dass heute die Hälfte der Ehen scheitern und hier auf der Weltbühne wenigstens die Illusion einer perfekten Ehe nachvollzogen werden kann. Der Traum und der Glaube an ein Versprechen "in guten wie in schlechten Zeiten einander treu zur Seite zu stehen" ist angeblich noch nicht ausgeträumt.

All jene, die das Kollektivereignis am Bildschirm mitverfolgen, ist die mediale Überdosierung kein Thema. Sie geniessen die Hochzeit und die inszenierte Traumwelt in vollen Zügen. Aus Distanz betrachtet, weckt das mediale Ereignis jedoch viele Fragen. Vor allem müsste es Medienwissenschafter interessieren, wie es zu solchen Phänomenen kommen kann, dass sich die ganze Welt nur noch einem Thema widmen. Es gibt kaum ein Medium, das diese Traumhochzeit ausklammern konnte. Erstaunlich, dass sich für ein paar Stunden das Weltgeschehen auf ein Märchen fokussieren kann.
Die Hochzeit von "William und Kate" ist im Gange. Die Medien arbeiten auf Hochtouren für die Märchenhochzeit.

Blick, 20Min, Spiegel, Google und Bild Hauptseiten während der Hochzeit:






Nachtrag vom 3. Mai: Quelle Salzburger Nachrichten:
Schon zu Beginn der Royal Wedding, als die Blumenkinder zusammen mit Kate Middletons Schwester Pippa vor der Westminster Abbey eintrafen, fiel auf, dass eines der Mädchen offenbar überhaupt nicht begeistert davon war, bei der #Hochzeit des Jahrhunderts" mittendrin statt nur dabei zu sein. Wann immer die Kameras das kleine blasse Mädchen, Williams Patenkind Grace van Cutsem, die dreijährige Tochter der Familienfreunde Hugh van Cutsem und Rose Astor, im Lauf der nächsten Stunden einfingen, fühlte sich Grace sichtlich gar nicht wohl in ihrer Haut. Am Höhepunkt war ihre Missmut dann ausgerechnet in dem Moment, als sich Will und Kate am Balkon des Buckingham Palace küssten: Grace hält sich genervt die Ohren zu, da eine Fliegerstaffel der Royal Air Force mit viel Karacho über den Palast hinwegdüst. Klar, dass rund um die Welt nun Millionen Menschen ganz angetan von dem kleinen Mädchen sind - und im Internet ihrer Begeisterung freien Lauf lassen. "Ich liebe dieses griesgrämige Mädchen", schreibt ein User etwa auf Facebook, während sie für einen anderen gar #das bezauberndste Wesen der Hochzeit" ist. Grace' Missmut blieb auch auf der Hochzeit selbst nicht unbemerkt: Kate beugte sich auf dem Balkon zu ihr runter und sprach ihr beruhigende Worte zu, William soll später seinen Vater Prinz Charles gefragt haben, ob er auch bemerkt hätte, wie verschreckt Grace gewesen sei. Auf dem offiziellen Hochzeitsfoto lächelt Grace dann übrigens auch nicht - warum auch?
Für das Publikum hat die unbeschwerte Ehrlichkeit des dreijährigen Mädchens etwas Erfrischendes. Das Bild steht im Gegensatz zu den unzähligen inszenierten Fotos, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die Aufnahme ist bereits ein Quotenknüller.

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