Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (25. Mar, 2011)

Verschuldung in Europa

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die verschuldeten Länder Griechenland, Irland und Portugal haben Mühe mit dem Sparen. Die Bevölkerung dieser Länder lehnt verständlicherweise konkrete Sparübungen ab. Falls eine Regierung die Sparschraube dennoch anzieht, wird gestreikt und die Regierung wird abgewählt. Auch in Frankreich sah man letzes Jahr die Probleme. Es kam zu Unruhen.

Verschuldete Länder wissen, dass sie vor einem Kollaps gerettet würden und mit Nothilfe rechnen können. Sie verladssen sich auf den rettungsschirm. Die EU will den Euro nicht gefährden. Ob das gut gehen wird, ist im Moment nicht klar. Die Positionen zum Umgang mit der Verschuldung in Europa sind natürlich politisch äusserst umstritten. Bürgerliche Regierungen fordern in erster Linie das Sparen, linke Regierungen wollen vor allem die Steuern erhöhen.

Aus dem "Tagesanzeiger" vom 24. März:
Gestern ist die sozialistische Regierung von Premierminister José Sócrates in Portugal zurückgetreten. Es ist ihr nicht gelungen, abermals ein Paket aus Sparmassnahmen und Steuererhöhungen durch das Parlament zu boxen. Es wäre das vierte innert kürzester Zeit gewesen. Damit ist Portugal einem Staatsbankrott einen Schritt näher gekommen. Das Land ist dringend auf die Hilfe aus Europa und dem Internationalen Währungsfonds angewiesen und muss in diesem Sommer rund 20 Milliarden Euro auftreiben.
Und der Spiegel:
Überschattet werden die Einigungen in der Atompolitik und beim dauerhaften Krisenfonds allerdings von den Problemen der drei grössten Euro-Sorgenkinder Portugal, Irland und Griechenland.

Portugal steht seit Mittwochabend ohne handlungsfähige Regierung da. Nachdem Ministerpräsident Jose Sócrates für das vierte Sparpaket binnen eines Jahres keine Mehrheit im Parlament bekommen hatte, trat er zurück. Zwar ist der Sozialist in Brüssel anwesend und durfte sich ein paar warme Worte von Merkel für seinen Sparwillen anhören, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er kein Regierungschef mehr ist.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Portugal rasch unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen wird - auch wenn die Ratingagenturen längst ihre Daumen gesenkt haben. Die deutsche Delegation bemühte sich nach rhetorischen Kräften, nur ja nicht den Eindruck entstehen zu lassen, sie dränge Portugal zur Annahme fremden Geldes. Selbst der Chef der konservativen sozialdemokratischen Partei, Pedro Passos Coelho, der nach Umfragen der künftige Ministerpräsident sein dürfte, will sich nicht von anderen Staaten aus der Finanzpatsche helfen lassen.

Streit gibt es auch mit Irland. Fast sechs Prozent Zinsen muss die Regierung für die europäischen Hilfen bezahlen. Diese Kosten könnten das Land überfordern, somit das Gegenteil ihres Ziels erreichen und es in die Staatspleite treiben. Nun streitet sich die irische Regierung mit ihren Geldgebern über bessere Konditionen - im Gegenzug fordern die Europäer jedoch eine Erhöhung der extrem niedrigen Körperschaftsteuer auf der einstigen Wirtschaftswunder-Insel. Allerdings wollten die Iren dann doch nicht so stur sein, und die Verabschiedung eines dauerhaften Krisenmechanismus für den Euro blockieren.

Griechenland ist, was die Finanzierungsbedingungen angeht, einen Schritt weiter als Irland. Das Land zahlt nur noch gut vier Prozent Zinsen für die Milliardenhilfen. Allerdings gab es zuletzt immer neue schlechte Nachrichten aus Athen. Der Staat leidet unter dem Wegbrechen der Steuereinnahmen. Im Januar und Februar ging das Aufkommen gegenüber dem Vorjahr um fast zehn Prozent zurück. Die Regierung dürfte kaum daran vorbeikommen, noch härter zu sparen. Doch damit könnte sie die Konjunktur weiter abwürgen. Eine längere Rezession würde zu noch niedrigeren Steuereinnahmen führen. Ein Teufelskreis.
Aus 20 Min:
Seit Monten haben die EU-Spitzenpolitiker um einen Mechanismus zur Stabilisierung des Euro gerungen. Nun wollen Merkel, Sarkozy und Co. den permanenten europäische Stabilitätsmechanismus heute Abend unter Dach und Fach bringen. Der ESM soll ab Mitte 2013 den bisherigen, kürzlich auf 440 Milliarden Euro aufgestockten Rettungsschirm, ablösen. Trotz der Bemühungen ist der deutsche Buchautor und Euro-Kritiker Dr. Bruno Bandulet skeptisch: "Langfristig kann der Euro dadurch nicht saniert werden, denn mit den Notstandsmassnahmen werden die Schulden der einzelnen Mitglieder nicht kleiner." Mit dem permanenten Stabilitätsmechanismus werde die Euro-Krise nur herausgeschoben, der Euro bleibe auf der Intensivstation.
Die Bemühung, "sich nicht zu Tode zu sparen!" wird von vielen Oekonomen als sinnvoll angesehen. Wir müssen Geld ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Wirtschaft wird in diesem Bild als Motor betrachtet, der, wenn er mal ins Stottern kommt, ganz abstellt, wenn er aber gut läuft auch grosse Schulden längerfristig wieder gutmachen kann.

Der zur Wikiartikel zur Staatsverschuldung erklaert dies mit der Rationaltaetenfalle:
Die Beurteilung der Bekämpfung der Staatsverschuldung durch Sparmassnahmen unterliegt häufig einer sogenannten Rationalitätenfalle. Was auf den ersten Blick plausibel klingt und jedem Privathaushalt einleuchtet ("Ich habe zu hohe Schulden, also muss ich sparen."), kann für die Volkswirtschaft unerwartete Folgen haben: Wenn der Staat seine Ausgaben kürzt, indem er beispielsweise Transferzahlungen an die Industrie und Haushalte in Form von Förderungen und Subventionen kürzt, hat dies zwar zwangsläufig Auswirkungen auf die Ausgabenseite des Staatshaushaltes: Auf die tatsächliche und/oder wahrgenommene Einkommensminderung der Haushalte können diese mit einer Verminderung des Konsums und einer Erhöhung der Sparneigung reagieren. Dies hat zur Folge, dass die aggregierte oder gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt und zu einem sinkenden oder negativen Wirtschaftswachstum führt, wodurch sich gleichzeitig die Steuereinnahmen des Staates vermindern, was effektiv zu einem negativen Spareffekt führen kann. Die Individualrationalität "Sparen vermindert Schulden" steht somit im Konflikt zur Kollektivrationalität. Wenn alle sparen kann dies keine oder negative Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben.
Manchmal geht das gut, manchmal nicht. Die USA hatte eine grössere Schulden als Prozent des GDP als Griechenland, die Situation gilt aber nicht als kritisch. Die Wirtschaftsankurbelungsversuche der Bush Regierung in den USA durch Steuersenkungen haben aber zum Beispiel nicht gefruchtet. Die Verschuldung der USA ist enorm.
Verschuldung, Dezember 2010, Quelle
Auch in der Schweiz wurde man sich bewusst, dass man sich zu Tode verschulden kann. Bei einem kleineren Land ist dies zwar kritischer, Korrekturen waren leichter zu machen. Die Schweiz ist legendär stabil und deshalb ein attraktiver Standort.

Was würde passieren, wenn europäischen Staaten, die den Haushalt nicht in den Griff bekommen nicht unterstützt werden, wenn sie nicht sparen? Die Konsequenzen sind nicht abzusehen. Die Schwierigkeit, klare Bedingungen durchzusetzen ist enorm. Einzelne Länder könnten ein Fass ohne Boden werden, wenn der Rank nicht gefunden wird. Im Moment versucht man, die Katastrophe herauszuschieben.
Anschauungsbeispiele gibt es schon. So zum Beispiel die Argentinienkrise: Argentinien hatte eine grosse Staatsverschuldung, und stand mit Milliarden im Ausland in der Kreide. So musste die argentinische Regierung vor 10 Jahren die internationale Zahlungsunfähigkeit erklären.

Im Spiegel: meint der deutsche Wirtschaftsweise Lars Feld:

"Wir haben die aktuellen Probleme, weil Banken insbesondere in Deutschland und Frankreich eine massive Umschuldung von staatlichen Schuldnern nicht verkraften würden. Deshalb retten wir Pleiteländer. Wir müssten aber genauso dringend den Bankensektor umstrukturieren."

Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com