Die
LOVE-LIFE
Werbe Kampagne wurde vom Schweizer Fernsehen aus der Primezeit geworfen.
Aus
20 Minuten::
Wenns juckt oder brennt - dann zum Arzt: Diese Botschaft soll durch
die neue LOVE-LIFE-Kampagne vermittelt werden. Im Mittelpunkt der
Präventionsarbeit stehen nicht mehr Aids und HIV, sondern die sexuell
übertragbaren Infektionen (STI) wie Syphilis oder Chlamydiose.
Die Bevölkerung soll mit witzigen Fernsehspots über das
heikle Thema aufgeklärt werden: Ein Baggerführer muss sich
derart dringend zwischen seinen Beinen kratzen, dass er die Kontrolle
über die Baggerschaufel verliert und diese ein parkiertes Auto
zertrümmert.
Oder im Yoga-Kurs: Eine junge Frau stört die meditative Ruhe, weil
sie nicht anders kann, als in verrenkter Pose den beissenden Schmerz
ihrer Geschlechtskrankheit zu lindern - mit Kratzen.
Mit insgesamt vier solcher Fernsehspots lancierten das Bundesamt für
Gesundheit (BAG), die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) und die Stiftung Planes
am Montag die neue LOVE-LIFE-Kampagne. Plakate und Internetwerbung
ergänzen das rund zwei Millionen Franken teure Projekt.
Das Ziel der Kampagne ist ehrgeizig: "Bis 2017 sollen nicht nur die
Ansteckungen mit HIV, sondern auch mit STI halbiert werden", sagte
BAG-Direktor Pascal Strupler am Montag vor den Medien in Bern. Das sei
nur möglich, wenn die infizierten Personen vermehrt zum Arzt gingen,
sich behandeln liessen und vor allem ihre Sexualpartner über die
Krankheit informierten.
Dass dieses Ziel in der Schweiz noch lange nicht erreicht ist,
erklärte Roger Staub, Leiter der Sektion Prävention und
Promotion beim BAG, am Beispiel der Chlamydiose: Die häufigste STI
wird vor allem bei Frauen diagnostiziert. Im Jahr 2010 verzeichnete das
BAG 6575 Fälle. Der Frauenanteil betrug über 70 Prozent.
"Auch die männlichen Sexualpartner dieser Frauen sind von Chlamydiose
betroffen; sie gehen einfach viel seltener zum Arzt", sagte Staub. Die
Symptome der Krankheit - Brennen oder Jucken - hörten nach
einiger Zeit auf, die STI selbst verschwinde jedoch nicht. Die Folge:
Die Infizierten können weitere Personen anstecken, ohne dies zu
merken, wie Staub erklärte.
Gemäss Zahlen des BAG sind die Ansteckungen aller STI in den
vergangenen zehn Jahren in der Schweiz kontinuierlich gestiegen -
Chlamydiose etwa hat sich verdreifacht. Die Gründe für
den Anstieg seien vielfältig und schwierig zu beweisen, sagte
Staub. Unter anderem hätten viele Menschen die Todesangst vor Aids
verloren und schützten sich deshalb weniger gut beim Sex.
Er zeigte sich dennoch optimistisch, das Kampagnenziel 2017 zu
erreichen. "Wenn unsere Kampagne funktioniert, dann werden die
Ansteckungszahlen für 2011 und 2012 aber zuerst einmal steigen",
prognostizierte Staub. Denn die Kampagne fordere ja die Leute auf,
vermehrt zum Arzt zu gehen. So würden auch mehr Krankheiten
festgestellt.
Die neue LOVE-LIFE-Kampagne gehört zur Umsetzung des neuen Nationalen
Programms HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen 2011
- 2017. Neu an der Strategie, die der Bundesrat im November 2010
verabschiedete, ist die kombinierte Bekämpfung von HIV und anderen STI.
Entsprechend sei der Slogan der Kampagne angepasst worden: Das
legendäre STOP AIDS ist verschwunden. Neu heisst der Slogan nicht
mehr LOVE LIFE - STOP AIDS, sondern einfach LOVE LIFE.
Aus "20 Min":
Ärzte kritisieren BAG-Kampagne "Wenns juckt oder brennt, dann
bitte zum Arzt!": Der Slogan zur neuen BAG-Kampagne sorgt bei Medizinern
für Kopfschütteln. Bei einer Mehrheit von Leuten, die sich eine
Geschlechtskrankheit einfangen, juckt nämlich überhaupt nichts,
wie Stephan Lautenschlager, Chefarzt im Dermatologischen Ambulatorium
Triemli in Zürich, erklärt. "Eine Syphilis zum Beispiel brennt
nie im Genital-bereich und juckt auch nicht." Ähnlich verhält
es sich mit Chlamydien. "Bei Frauen verläuft die ganze Infektion in
70 Prozent der Fälle ohne Symptome wie Brennen oder Jucken." Diese
Fälle gebe es, räumt Roger Staub vom BAG ein. Am Slogan wolle
man aber festhalten. "Bei ganz vielen juckt und brennt es - und es ist
ein Drama, wenn diese Leute dann nicht zum Arzt gehen."