Radiergummi fuers Internet
Rhetorik.ch Artikel zum Thema: |
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Ein Bild, das auf dem Internet veröffentlicht ist, ist kaum wieder
zum verschwinden zu bringen.
Der Spiegel
berichtet über einen vor kurzem vorgestellten Vorschlag, um das Internet vergesslich zu machen.
Bundesminister
Aigner und
de Maizière wollen einen "digitaler Radiergummi".
Peinliche Bilder sollen nach ein paar Jahren von allein aus dem Netz katapultiert werden:
Grundprinzip [WMV]
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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und nun auch seine
Kollegin, Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), flirten mit der
Idee eines "digitalen Radiergummis", einer Art Internetformat für
Dateien mit Verfallsdatum. Wer nicht sicher ist, ob er das Bild von
sich selbst mit der komischen Zigarette in der Hand in zehn Jahren
wirklich noch so witzig findet, soll sich gewissermassen selbst eine
Löschfrist setzen. Soll dem hochzuladenden Foto vorher einen Umschlag
mitgeben, der dann dafür sorgt, dass es nach ein paar Jahren von
selbst verschwindet. Der Saarbrücker Informatikprofessor Michael
Backes hat soeben, auf Einladung des Verbraucherschutzministeriums,
sogar eine Software vorgestellt, die das möglich machen soll:
Bilder mit Verfallsdatum ins Netz zu stellen.
Backes' System funktioniert, vereinfacht gesagt, so: Bilder werden vor
dem Hochladen und Onlinestellen verschlüsselt. Ansehen kann sie nur,
wer ein Zusatzprogramm für seinen Browser, ein sogenanntes Plug-in,
installiert hat. Das Plug-in holt sich von einem anderen Server den
Schlüssel, der das Bild sichtbar macht. Aber nur bis zu dem Tag,
an dem das Verfallsdatum abläuft.
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Der Spiegel listet ein paar Gründe, warum das Modell nicht funktioniert.
- Ein Plugin ist erforderlich. Das müsste auf allen Browsern erhätlich sein.
- Wenn der Schlüsselverteil-Server einmal kollabiert, wären auf einen
Schlag alle Bilder unzugänglich.
- Da das System kostenpflichtig sein würde,
und so eine umständliche Prozedur absolvieren, bevor
man ein Bild hochladen werden kann.
- Das Kopieren, Abspeichern, Herunter- und erneut anderswo
Hochladen der Bilder könnte das System nicht verhindern.
Auf jedem PC kann per Knopfdruck ein Bildschirmfoto gemacht werden.
- Solche Kopien müssten gar nicht von böswilligen
Menschen gemacht werden, sondern unter Umständen einfach
von den Crawlern,
Zur Totgeburt dürfte Professor
Backes sein Projekt allerdings gemacht haben, indem er
ankündigte, die Nutzung werde Geld kosten. Wer Bilddateien mit der
X-pire-Methode verschlüsseln will, zahlt für 90 Tage knapp
sieben Euro. Ein Jahresabo ist für 24 Euro zu haben. Ausserdem
funktioniert X-pire derzeit nur mit einem Firefox-Plugin, das vor der
Nutzung sowohl beim Ersteller als auch beim Betrachter installiert sein
muss.
Nachtrag vom 1. Februar, 2011:
21 Min:: Das System ist geknackt.
Nun hat die CSU-Politikerin Aigner allerdings dicke Post aus der
Schweiz erhalten: Die von ihrem Ministerium vorgestellte "Innovation"
hat Schiffbruch erlitten. Das Zürcher IT-Unternehmen Scip zeigt auf
seiner Website, wie X-pire geknackt werden kann. Durch eine Modifikation
des Browser-Plugins ist es möglich, das System zu überlisten. So
können die Bilder auch nach Ablauf des Verfallsdatums betrachtet
werden. "Damit ist bewiesen, dass das Kryptosystem nicht gegen
zielgerichtete Angriffe standhalten kann", heisst es. Im Interview mit
20 Minuten Online spricht Marc Ruef, Mitinhaber der Scip AG, über
das Internet-Verfallsdatum und andere Herausforderungen.
20 Minuten Online: Was halten Sie vom Digitalen Radiergummi? Marc Ruef:
Das Projekt X-pire war schon bei seiner Ankündigung umstritten. Denn
es liegt nicht im Wesen des Internets, dass man es "zwingen" kann, etwas
zu "vergessen". Als die ersten Spezifikationen der Implementierung bekannt
wurden, schien es offensichtlich, dass sich das System überlisten
lassen würde. Seine Nützlichkeit ist damit verpufft.