Digitale Aufrüstung
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Weltweit rüsten Armeen auch digital auf. Auseinandersetzungen könnten in Zukunft
vermehrt auch auf dem Internet geführt werden.
20 Minuten vom 27. Dezember 2010:
Die Kriege der Zukunft könnten nicht mehr mit Drohnen und Gewehren
geführt werden, sondern im Internet. Das stellt die Armeen und
Geheimdienste vor neue Probleme: "Wir sind noch längst nicht gegen
Angriffe aus der Cyber-Welt gerüstet", sagte ein Angehöriger der
CIA. Die chinesische Armee sei für das "virtuelle Schlachtfeld des
21. Jahrhunderts" schon hochgerüstet. Jüngste Untersuchungen
hätten ergeben, dass die chinesischen Streitkräfte "Tausende
von Militärspezialisten für Attacken bei einem Krieg im Netz
vorbereitet haben", erläuterten auch deutsche Geheimdienstler.
In Berliner Verteidigungskreisen wurden Presseberichte bestätigt,
dass die Bundesregierung plane, eine neue virtuelle "Verteidigungslinie"
aufzubauen. Es soll ein eigenes "Cyber-Abwehrzentrum" eingerichtet
werden. Die USA hatten im vergangenen Mai ein neues "Cyber-Command"
gegründet, das für die "vierte Dimension der Kriegsführung"
zuständig ist. Auch Grossbritannien rüstet nach Darstellung
seines Geheimdienstes MI 6 "zunehmend digital auf". Nach Angaben
von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen soll sich das
Atlantische Bündnis nicht nur gegen die bisher herkömmlichen
militärischen Angriffe zu Boden, in der Luft und auf dem Wasser,
sondern auch gegen Attacken über das Internet gemeinsam verteidigen.
NATO wappnet sich gegen "Cyber-War"
Die NATO hatte auf ihrem Gipfel von Lissabon im November zum ersten
Mal den "Cyber-War" in ihr strategisches Konzept aufgenommen. Sie
entschied, dass zu den neuen Bedrohungen neben dem Terrorismus und der
wachsenden Fähigkeit von Staaten zur Nutzung ballistischer Raketen
auch Internetangriffe auf strategische Netze gezählt werden
müssen. Zum Bedauern von Militärs im NATO-Hauptquartier
in Brüssel hat das Bündnis aber nicht die Frage des
"Bündnisfalles" im Fall des "Cyber-Krieges" geklärt. Das
neue NATO-Strategie-Konzept beschränkt die "Artikel-5-Option"
auf militärische und terroristische Angriffe.
Für Attacken auf Computernetze beispielsweise der Energieversorgung
eines der 28 NATO-Mitglieder soll der "Bündnisfall" noch nicht
gelten. "Wir müssen schnellstens eine Definition für
den Cyber-Krieg erarbeiten", sagten hohe Generäle dapd in
Brüssel. Bei den Terrorangriffen am 11. September 2001 auf die
Twin Towers in New York hatte die NATO erstmals den "Bündnisfall"
ausgerufen. Nach Artikel 5 des NATO-Vertrages wird ein Angriff auf
ein Mitgliedsland des Bündnisses als Attacke auf die gesamte NATO
betrachtet und wird dann auch gemeinsam abgewehrt. Die Allianz-Partner
können mit allen Mitteln ihrer Wahl reagieren.
Als erster "Cyber-War" gelten die Angriffe im Frühjahr 2007 auf
die estnischen Internet-Server. Auf sie ging drei Wochen lang aus dem
"Cyberspace" ein Flächenbombardement nieder. Alle Computersysteme
von zivilen und staatlichen Einrichtungen wurden lahmgelegt. Ganz
Estland war im Ausnahmezustand. Die Angreifer brachten alle estnischen
Internet-Adressen unter ihre Kontrolle und liessen massenhaft
Spam-Mails herabregnen. Das Chaos war komplett, als die Attacken
auch alle Notrufnummern ausgeschaltet hatten. Ausgelöst hatte
die Katastrophe eine Anordnung der estnischen Regierung, ein ehemals
sowjetisches Kriegerdenkmal aus dem Zweiten Weltkrieg vom Zentrum der
Hauptstadt Tallinn an deren Peripherie zu verlegen. Als Drahtzieher der
Angriffe "aus Rache" wurde Russland vermutet. Moskau schwieg.
Die NATO nahm den gravierenden Vorfall zum Anlass, in Estland ein
Hauptquartier einzurichten, das als "Testfeld" gegen Internetkrieger
arbeitet. In der Einrichtung werden ständig internationale
Fallübungen veranstaltet und Personal für die Abwehr von
Attacken in der virtuellen Computerwelt ausgebildet. Oberst Ilmar Tamm,
der Leiter des NATO-Cyber-Verteidigungszentrums in Tallinn, erklärte,
Aufgabe seiner Militärspezialisten sei es nicht, die IT-Probleme
westlicher Länder zu lösen. Das Zentrum soll untersuchen,
wie die Digitalisierung die Arbeit des Militärs im Zeitalter eines
möglichen Cyber-Angriffs, bei dem alle Verbindungen eines Staates
intern und extern ausgeschaltet werden können, verändert.