Der Blick-online titelte: Paraplegie-Arzt: "Rechne mit Querschnitts-Lähmung"
Wenn wir jedoch das Interview genau lesen, stellen wir fest, dass der
Arzt es so nicht gesagt hat. Es war der fragwürdige Titel, der unprofessionell
war. Aus dem Interview:
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Nach Samuel Kochs Horror-Sturz bei "Wetten dass..?" rechnet
Dr. Michael Baumberger, Chefarzt im Schweizer
Paraplegiker-Zentrum Nottwil, mit dem Schlimmsten:
- Was sagen Sie zum Unfall in der Sendung "Wetten dass..?"?
- Vieles deutet darauf hin, dass es sich um eine Tetraplegie handelt. Ein
Indiz dafür ist die Bewegung des Kopfes nach dem Aufprall.
- Was konkret bedeutet Tetraplegie?
- Tetraplegie ist eine Querschnittslähmung ab der Höhe des
4. bis 6. Halswirbels. Sie wird unterschiedlich klassifiziert. Ich
gehe davon aus, dass es sich um eine komplette Tetraplegie oder eine
mit schweren Ausfällen handelt.
- Kann sich das wieder erholen?
- Bei einer kompletten Tetraplegie, also bei einer kompletten Durchtrennung
des Rückenmarks, gibt es keine Heilung.
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Michael Baumberger kann kein Kommunikationsfehler vorgeworfen
werden. Der Fehler liegt bei der Titelgebung. Der Chefarzt
sagt nämlich wortwörtlich: Es deute vieles darauf hin ...
Er sagt nicht, er vermute, der Verunfallte bleibe gelähmt. Mit
dem Titel wurde jedoch den Lesern suggeriert, Baumberger sei sich
gleichsam sicher, dass ... Wenn wir die wortwörtliche Aussage
lesen, beschreibt der Chefarzt des Paraplegiker Zentrums lediglich -
völlig korrekt -, dass es nur bei einer kompletten Tetraplegie
keine Heilung mehr gebe.
Bei Samuel Koch ist dies aber noch nicht bestätigt.
Auch am 6. Dezember antwortet Neurochirurg Raab
vorbildlich. Er macht vor Mikrofon und Kamera keine Prognosen.
BILD Journalisten fragten bei den Aerzten der Düsseldorfer Uniklinik
nach:
Wie stehen die Chancen auf eine vollständige Genesung und wie gross
ist die Gefahr einer fortwährenden Lähmung?
Für Neurochirurg Dr. Richard Bostelmann ist "der Zeitpunkt" für
eine konkrete Einschätzung "viel zu früh". Denn: Auch an Tag
zwei nach dem schlimmen Sturz ist Samuels Zustand weiterhin kritisch!
Raab :
"Wir möchten uns zum derzeitigen Zeitpunkt nicht über
irgendwelche prognostischen Aspekte der Verletzungen, die
zugegebenermassen schwerwiegend sind, äussern."
Der "Blick" vom 7. Dezember meint: Samuel bleibt wohl gelaehmt.
Dieser Titel basiert auf den Aussagen der Mediensprecherin des
Universitätsspitals Düsseldorf - Susanne Doheide.
Die Medien machten aus den Mutmassung der Mediensprecherin eine Tatsache.
Susanne Doheide erwähnte zuerst alle Fakten (dies war noch
völlig korrekt) und schilderte auch die festgestellten
Lähmungserscheinungen. Dann fügte sie dazu:
"Wir können eventuell davon ausgehen, dass sich das nicht vollkommen
zurückentwickeln wird. Das kann man aber nicht mit Sicherheit sagen."
Analysieren wir diesen Wortlaut, so stellen wir fest: Die Mediensprecherin
machte den Fehler, zu vermuteten und eine Prognose zu formulieren,
die noch nicht belegt ist.
Im Gegensatz zur Sprecherin hatte der Chefarzt nach der Einlieferung immer
nur Fakten beschrieben. Aus meiner Sicht hatte der Arzt vorbildlich
kommuniziert. Er beschrieb stets nur den jeweiligen aktuellen Zustand
und verstieg sich nie in Hypothesen, obwohl ihn die Journalisten mit
Fragen über den kommenden Verlauf der Genesung löcherten.
Schon im Fall des verunfallten Skifahrers Daniel Albrecht
haben wir gesehen, wie der Universitätsspital Innsbruck
vorbildlich und proaktiv informiert hatte und auf jegliche Prognosen
verzichtete. Wir haben später nach der Überlieferung ins Berner
Inselspital erlebt, wie man dort die Journalisten abgeschottet hatten.
Dies ist nach negativen Erfahrung mit der fragwürdigen Foto des
Buundesrates Merz passiert. Die Medien hoten sich die Informationen dann bei
Verwandten oder beim Chef "SwissSki" die Informationen.
In Krisensituationen muss die Kommunikation koordiniert geführt werden.
Informieren heisst dann: Fakten beschreiben. Ein Chefarzt, der eine
Krisensituation erfolgreich gemeistert hatte, schrieb mir nach meiner Analyse:
Die Mediensprecherin hat sich in ihrer doppelten Verneinung restlos
verheddert. Ausserdem kennt sie den "Punkt" nicht, nur den Beistrich -
und findet nicht mehr in den Hauptsatz zurück. Wenn das Publikum
auf eine schlechte Nachricht vorbereitet werden muss, dann würde
ich solche Inhalte auch mitteilen aber eher so:
"Der Patient ist derzeit im künstlichen Tiefschlaf (nicht Koma,
das ist negativ besetzt). Deshalb können wir im Moment nicht
feststellen, ob Lähmungen vorhanden sind..... Die Operation hat
die Wirbelsäule knöchern stabilisiert."
Oder, zu einem späteren Zeitpunkt:
"Wir haben den Patienten langsam aus dem künstlichen Tiefschlaf
aufwachen lassen. Dabei sind erste Hinweise auf Lähmungserscheinungen
sichtbar geworden. Erst in weiteren Untersuchungen -wenn der
Patient völlig wach ist - können wir das genaue Ausmass der
Lähmungen feststellen."
Noch später:
"Der Patient ist jetzt wach. Lähmungen sind leider vorhanden.
Das genaue Ausmass der Lähmungen wollen wir ihnen aus Respekt vor der
Privatsphäre des Patienten und seiner Familie nicht berichten. Ob
sich die Lähmungen zurückbilden werden, können wir jetzt
noch nicht sagen. Eine hochprofessionelle Rehabilitationstherapie
kann hier helfen, und ist unter allen Umständen auch sehr lange
durchzuführen."
Nachtrag 11. Dez.10: Erfreulich auch, wie die Aerzte in Nottwil
professionell informieren. Kein Arzt macht fragwürdige Prognosen:
Nottwil (dpa) - Der Schweizer Arzt des schwer verletzten Wettkandidaten
Samuel Koch hält sich bei einer Prognose über die
Heilungschancen des 23-Jährigen zurück. Entscheidend
seien die ersten beiden Wochen nach dem Unfall, sagte Oberarzt
Hans Georg Koch der Zeitung "Blick". Die Ärzte der Schweizer
Klinik sähen Möglichkeiten einer positiven Entwicklung und
hätten die Hoffnung, dass die Lähmungserscheinungen und
Gefühlsstörungen zurückgehen. Am Montag will sich die
Klinik zu den nächsten Schritten äussern.