Die Kommunikationsprozesse im Schweizer Bundesrat waren oft unkoordiniert.
Einzelkämpfertum dominierte. Der Bundesrat sprach
in heiklen Situationen selten mit einer Stimme. Es kam zu Indiskretionen.
Der GPK-Bericht zur Libyen-Affäre hat dies nun offiziell bestätigt.
Die Regierung habe in der Libyen-Affäre wie ein wilder
Hühnerhaufen titelt Tagi-online.
Der Tagi
kritisiert
auch die GPK: sie wirke hilflos indem sie Ratschläge für die Zukunft erteile. Die
vorgeschlagenen Korrekturen seien kaum mehr als Kosmetik.
Die GPK trete "handzahm auf" - mit "weichgespülten Sätzen, wattierter Kritik,
wohlabgewogenen juristischen Ausführungen". Das sei ärgerlich,
aber auch verständlich, da die diplomatische Krise mit Libyen noch
nicht ausgestanden sei.
Auch die Freiburger "La Liberté" geht mit dem Bundesrat hart ins
Gericht. Die Libyen-Affäre sei vor allem eine Affäre
Merz und Calmy-Rey.
Letztere tue gut daran, dies nach ihrem Präsidialjahr ebenfalls zu
tun. Die "Tribune de Genève" bezeichnet
Merz als "öffentliche Gefahr". Wenn er noch im Amt stehen würde,
wäre seine Demission unausweichlich. Auch für die Genferin
Micheline Calmy-Rey hat das Genfer Blatt nur Häme übrig. Sie
habe für sich und gegen die anderen gearbeitet. Einzig durch die
erfolgreiche Internationalisierung des Konflikts, habe sie sich die Wahl
zur Bundespräsidentin 2011 gesichert. Dass die EDA-Vorsteherin
das Bundespräsidium übernehmen wird, "ist auch nicht eben ein
Versprechen auf Besserung", hält die "Südostschweiz" fest.
Der Bericht enttarne die Standardantwort des Bundesrates nach dem Zustand
im Gremium als "Schönfärberei". Der Bericht sei "eine Blamage
auf 98 Seiten", titelte der "Blick Online":
Bei der Libyen-Affäre zeige sich dasselbe Bild, wie bei
der UBS-Affäre, stellt das "St. Galler Tagblatt" fest. Der
Bundesrat entpuppe sich in stürmischen Zeiten als Gruppe von
Einzelkämpfern, die sich gegenseitig misstrauten. Auch die
"Neue Zürcher Zeitung" zieht einen Vergleich zur UBS-Affäre:
Das letztlich positive Ergebnis stehe im Widerspruch zum mangelhaften
Management und zur miserablen Kommunikation während der Krise. Das
Kollegialsystem mit der Teilung der Verantwortlichkeiten stosse
im ausserordentlichen Lagen zunehmend an Grenzen. Der Kommentator
in der "az-Gesamtausgabe" gab zu bedenken, dass der Bundesrat die
schwierigste Schicksalsgemeinschaft überhaupt sei: "Sieben Alphatiere
gleichberechtigt in einem Gremium - das ist der Versuch zur Quadratur
des Kreises." Problematisch werde das Dauerexperiment meist erst, wenn
ein Problem internationale Dimensionen annehme. Dies dürfte aber
in Zukunft häufiger der Fall sein.