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www.rhetorik.ch aktuell: (29. Nov, 2010)

Durchsichtige Diplomatie

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Diplomaten werden im moderenen Informationszeitalter mehr und mehr damit rechnen müssen, dass auch geheime Depeschen and die Öffentlichkeit gelangen. Nach der Veröffentlichung der "Tagebücher" auf Wikileaks wird sich die Kommunikationskultur auch unter Diplomaten ändern. Vermutlich wird in Zukunft viel Diplomatisches einfach nur noch mündlich kommuniziert werden.
Aus dem Der Spiegel: Es ist ein Desaster für die US-Diplomatie. WikiLeaks hat mehr als 250'000 Dokumente aus dem Washingtoner Aussenministerium zugespielt bekommen, interne Botschaftsberichte aus aller Welt. Sie enthüllen, wie die Supermacht die Welt wirklich sieht - und ihren globalen Einfluss wahren will.

(...)

Mit einem Team von 50 Redakteuren und Dokumentaren hat der SPIEGEL das überbordende Material gesichtet, analysiert und überprüft. Fast immer hat das Magazin darauf verzichtet, die Informanten der Amerikaner kenntlich zu machen, es sei denn, dass allein die Person des Zuträgers schon eine politische Nachricht an sich darstellt. In einigen Fällen trug die US-Regierung Sicherheitsbedenken vor, manche Einwände hat der SPIEGEL akzeptiert, andere nicht. In jedem Fall galt es, das Interesse der Öffentlichkeit abzuwägen gegenüber berechtigten Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen der Staaten. Das hat der SPIEGEL getan. In einer Stellungnahme nannte ein Sprecher des Weissen Hauses die bevorstehende Veröffentlichung der Dokumente durch WikiLeaks "unverantwortlich und gefährlich". Die Depeschen seien sehr offen formuliert und oft unvollständig, repräsentierten aber nicht die US-Politik als solche und hätten auch nicht immer Einfluss auf politische Entscheidungen. "Solche Enthüllungen gefährden unsere Diplomaten, Geheimdienstmitarbeiter und Menschen auf der ganzen Welt", sagte der Sprecher. Dass vertrauliche Unterredungen nun publik würden, könne die Interessen der US-Aussenpolitik ebenso schwer beschädigen wie die "unserer Verbündeten und Freunde". (...) Vieles in diesem Material wird notiert und verschickt, weil die Berichterstatter oder deren Gesprächspartner sicher zu sein glaubten, dass ihre Protokolle während der nächsten 25 Jahre nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden. Das erklärt wohl, warum die Botschafter und Gesandten Washingtons auch so viel Klatsch und Berichte vom Hörensagen an die Zentrale melden, etwa wenn es in einem Bericht der Moskauer Botschaft über Medwedews Ehefrau Swetlana heisst, sie schaffe "Spannung zwischen den Lagern", und bleibe "Gegenstand von eifrigem Tratsch". Der wird dann allerdings gern rapportiert, wenn es zum Beispiel über Russlands First Lady heisst, dass sie schon schwarze Listen von Amtsträgern angelegt habe, denen sie einen Karriere-Knick an den Hals wünsche, weil sie sich dem Präsidenten gegenüber als unzureichend loyal erwiesen hätten.
Heise:: In den Depeschen wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigt, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden. Sie sei bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren. Auch Aussenminister Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer kommen nicht gut weg. Die chinesische Regierung hat Agenturberichten zufolge allen Inlandszeitungen verboten, Details des Wikileaks-Coups zu veröffentlichen. Geschockt wurde in arabischen Ländern auf die von der britischen Tageszeitung The Guardian entdeckte Depesche reagiert, nach der der saudische König Abdullah den ihn besuchenden Diplomaten empfahl, die Gefangenen in Guantánamo Bay mit RFID-Chips zu taggen. Er habe mit seinen Pferden und Falken gute Erfahrungen mit dieser Technik gemacht. (In der Depesche ist allerdings fälschlicherweise von "Bluetooth-Chips" die Rede.) Die Details dieser Verhandlungen und die Tatsache, dass ein Moslem empfiehlt, Moslems zu taggen, bezeichnete der Blogger Arabist als beschämend. In Israel sorgte ein Diplomatenbericht über ein russisches Angebot für Aufregung: Demnach wollte Russland Kampfdrohnentechnik im Werte von 1 Milliarde US-Dollar in Israel bestellen und im Gegenzug zusagen, keine Langstreckenraketen an den Iran zu liefern. Dieser Handel ist offenbar nicht zustande gekommen. Insgesamt soll Wikileaks 251.287 US-Depeschen aus den Jahren 2004 bis 2010 besitzen, die in den nächsten Tagen peu à peu veröffentlicht werden sollen, jeweils mit einem anderen Themenschwerpunkt. Für Dienstag sind Berichte über Nord- und Südkorea angekündigt, danach sollen Pakistan, Afghanistan, Kanada, Jemen und China im Mittelpunkt stehen. Per Twitter hat Wikileaks unterdessen angekündigt, dass weitere Medien an der Berichterstattung über "Cablegate" beteiligt werden sollen.
Karikaturisten haben grosse Freude an der Wikileaks Geschichte:

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