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www.rhetorik.ch aktuell: (14. Nov, 2010)

Das Sommaruga-Amstutz Duell

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Quelle: Arena Sendung vom Schweizer Fernsehen vom 5. November, 2010. Der Moderator ist Reto Brennwald.
Ein Schlagabtausch zwischen Adrian Amstutz und Simonetta Sommaruga in der "Arena" vom 5. November, 2010 vom Schweizer Fernsehen war ein rhetorischer Nahkampf. Das Amstutz-Sommaruga Duell hatte alle Voraussetzungen für eine Medienstory. Es war eine Feuertaufe für die frischgebackene Bundesrätin. Die Konfrontation enthielt idealen Rohstoff, nicht nur für die Boulevardpresse: es ging um Politik, Emotionen und prominente Personen.

In den Kommentaren wurden die Akteure unterschiedlich gewertet: Dem Moderator wurde vorgeworfen, er hätte energischer intervenieren müssen. Über Adrian Amstutz wurde geschrieben, er sei unverschämt, sich gegen eine Frau und frisch gewählte Bundesrätin so hart anzulegen. Viele Stimmen meinten auch, Simmonetta Sommaruga habe versagt. Allgemein sei es bedenklich, wenn Politikerheute nicht mehr miteinander respektvoll umgehen könnten.

Über Simonetta Sommaruga:
  • Sie habe arrogant, unsicher gewirkt.
  • Sie habe unbeirrbar Unwahrheiten verbreitet und Amstutz falsche Zitat in den Mund gelegt.
  • Sommaruga habe unsicher, beleidigt reagiert. Sie habe in ungewohnt gereiztem Ton mehr "Anstand" gefordert.
  • Genervt habe sie Nationalrat Amstutz in einem eigenartigen Ton wie einen schlecht erzogenen Schüler geschulmeistert.
Über Adrian Amstutz:
  • Er habe in er Arena die Nerven verloren.
  • Mit den Worten "Lüge" und "Seich verzelle" dürfe man nicht so unbedacht umgehen. Damit habe er wertvolle Punkte verloren.
  • Der aggressive Kampagnenleiter Amstutz habe sich mit seinem Auftrittmehr geschadet als genützt.
  • Man disqualifiziere sich selbst, wenn er glaube, dem Wunsch der Medien nach Provokation und Aufmerksamkeit nachkommen zu müssen.
Die Arena Sendung verdeutlicht, dass es in diesem Sendegefäss im Gegensatz zum Club - nicht um Dialogik geht. Gefragt sind Duelle. Es geht um verbale Kämpfe. So wie in einer echten Arena geht es darum, die Gegner zu schlagen. Gefragt ist nicht der Konsens, sondern der Sieg.

Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wer an der letzten Arena tatsächlich mehr gepunktet hat: Sommaruga oder Amstutz. Wer kommt im Urteil des Publikums besser weg? Entscheidend ist nicht nur das Verhalten und das Vokabular, es geht um die Glaubwürdigkeit der Persönlichkeiten.

Die neue Bundesrätin überzeugte im Wahlkampf, machte aber in der Arena nonverbal einen unsicheren Eindruck. Als sie Fakten entstellte und Amstutz Aussagen unterstellt hatte, die nachgewiesenermassen falsch waren, verlor sie Punkte. Bei einem verbalen Schlagabtausch kann es Mitleideffekt kommen. Aber immer auf beiden Seiten.

Der Vergleich CLUB und ARENA zeigt sich auch bei der entsprechenden Gesprächsmoderation respektive Duellleitung. Reto Brennwald muss in der Arena eher als Dompteur agieren, während Christine Maier als Moderatorin Gesprächsleiterin zu amten hat.

Reto Brennwald kann man nicht vorwerfen, er hätte rascher und vehementer eingreifen sollen. In einem Boxkampf wird ein Schiedsrichter bewusst bei spannenden Aktionen nicht intervenieren. Er wird nur dann eingreifen, wenn eindeutige Spielregeln verletzt werden. In harten politischen Auseinandersetzungen wie in der Arena müssen die Akteure damit rechnen, dass ab und zu harte Schläge entgegengenommen werden müssen.

Fachgerechtes Medientraining kann den Leuten helfen, bestehen zu können ohne dass man während dem Kampf extern unterstützt wird. Wer bei Medienduellen punktet, entscheiden weder Kommunikationsberater noch Medienkritiker. Letztlich entscheidet das Publikum, wer besser wegkommt. Bei Sommaruga und Amstutz werden sich Experten später wundern, wie das "Volk" die Punkte verteilt. Falls die SVP bei der Abstimmung einen Sieg einführt, wäre es durchaus denkbar, dass dann der angriffige Parteivertreter unverhofft zum Helden mutiert. Das gilt auch im Sport: "Sieger haben immer recht!" So wie Piloten im Simulator lernen müssen, heikle Situationen zu meistern (Beispeilsweise wird ein Triebwerkbrand simuliert), müssten Politiker auch lernen, wie man in heiklen Situationen ruhig Blut bewahrt. Das bedachte, überlegte Verhalten in Krisensituationen kann ebenfalls bei der Medienrhetorik so lange simuliert werden, bis man trotz Stress, Ueberraschungen, Provokationen, persönlichen Angriffen Ruhe bewahren kann (Stoppen-Pause-Ueberlegen) und - ohne den Kopf zu verlieren - angemessen reagieren kann.
Aus dem Tagi:
Engagiert, ausdauernd, aggressiv: Mit der Ausschaffungsinitiative ficht Adrian Amstutz den politischen Kampf seines Lebens. Ob ihn das zu höheren Weihen bringt? Stösst den politischen Gegner gerne auch mit markigen Worten vor den Kopf: Adrian Amstutz am vergangen Freitag in der SF-Sendung "Arena".

Adrian Amstutz, Jahrgang 1953, ist in Schwanden ob Sigriswil geboren und aufgewachsen. Nach den Berufslehren als Maurer und Hochbauzeichner bildete er sich zum Hochbaupolier weiter. Er arbeitete selbständig als Planer und Bauleiter, gründete dann mit Partnern die heutige Firma Amstutz, Birri und Aplanalp AG. Von 1993 bis 1998 war er Gemeinderatspräsident von Sigriswil. 1998 wurde er in den Grossen Rat gewählt, 2003 in den Nationalrat.

2007 erreichte er die Wiederwahl mit dem besten Resultat im Kanton Bern. Ins Rennen um den Berner Regierungsrat wollte Amstutz im gleichen Jahr nicht einsteigen. Dafür nominierte in die Berner Kantonalpartei nach dem Rücktritt von Bundesrat Samuel Schmid im Herbst 2008 als Nachfolgekandidaten. Nach nur fünf Jahren nationaler Politik setzte er damit bereits zum Sprung aufs Podest an. Nach ganz oben sollte es aber nicht reichen. In der Ausmarchung innerhalb der Mutterpartei unterlag er aber gegen das Duo Blocher/Maurer. Nun, bei der Doppelvakanz 2010 im Bundesrat, war Amstutz wieder im Gespräch. Diesmal allerdings stand er nicht zur Verfügung.

Dafür will Amstutz nun in den Ständerat. Mit Sommarugas Wahl in den Bundesrat wird dort ein Sitz frei. Allerdings wird er gegen FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und SP-Fraktionschefin Ursula Wyss antreten müssen.

In der SVP Schweiz übt Amstutz seit 2008 das Amt des Vizepräsidenten aus. Er ist Astag-Zentralpräsident und sitzt seit 2004 im Exekutivrat von Swiss Olympic. Im Militär war er Fallschirmgrenadier, trainierte die Nationalmannschaft und gewann in dieser Disziplin den Weltcup.

Als SVP-Vizepräsident Adrian Amstutz am Freitag zu später Stunde in der "Arena" nach einer Stunde Sendezeit mit geschwollener Brust polterte -
"dir verzellet ein Seich am angere, Frou Bundesrätin"
- rieben sich viele Zuschauer verwundert die Augen. Reihenweise Kommentare gingen bei Tagesanzeiger.ch/Newsnetz ein, in denen sich die Zuschauer über die Attacken des Berner Nationalrats gegen Simonetta Sommaruga empörten. "So spricht man nicht mit einer Bundesrätin, Herr Amstutz" oder "wo bleibt eigentlich das Niveau, Herr Amstutz".

Vorangegangen war eine teilweise gehässige Debatte und eine Verwechslung der sonst so treffsicheren Simonetta Sommaruga. Die Bundesrätin legte ihrem Standeskollegen in den Mund, er würde ja selber von sich behaupten, mit dem "Zweihänder" zu politisieren. Richtig wäre gewesen "Motorsäge". "Dazu stehe ich, das ist ein Markenzeichen, mit dem ich gut lebe", so Amstutz vor drei Jahren in einem "Bund"-Interview.

"Was ist nun schlimmer, Zweihänder oder Motorsäge?"

Der Berner Politiker hatte schon früher von sich selber behauptet, er würde manchmal lieber mit der Motorsäge als mit der Nagelfeile politisieren. "Gewisse Probleme sind derart gross und manifest, dass sie vor der Feinjustierung zunächst in grossen Zügen korrigiert werden müssen", sagte er angesprochen auf das Motorsägenbild im Vorfeld der Bundesratswahl vom 10. Dezember 2008 in einem Interview. In der Berner Polit- und Medienlandschaft wurde das Motorsägenbild im Zusammenhang mit Amstutz zu einem stehenden Begriff.

Dass Sommaruga das falsche Wort zitierte ist ein Schönheitsfehler. In der Aussenbetrachtung aber macht es wohl keinen grossen Unterschied, ob jemand mit dem Zweihänder - ein mittelalterliches Schwert, das mit beiden Händen bedient wird - oder mit einer Motorsäge politisiert. "Was ist nun schlimmer, Zweihänder oder Motorsäge?", fragt Alt-Nationalrat Anton Schaller in einer Kolumne lakonisch. Amstutz aber benutzte die Verwechslung zur deftigen Verbalattacke.

"Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein"

Die frisch gebackene Bundesrätin hätte es wissen müssen, dass ein Amstutz die Schwäche des politischen Gegners ausnutzt, um hart zuzuschlagen. "Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein", sagte der Nationalrat einmal. Abwechslungsweise wird er in den Medien zwar als kollegial, manchmal aber auch als verletzend und rücksichtslos beschrieben.

Dass er im Staate Bern als Statthalter des Blocher-Kurses gilt, mochte er nicht hören, "nein, ich bin Amstutz". Beim Zürcher Flügel auf jeden Fall hat man Freude am Berner. Mörgeli sagte von Amstutz, dieser könnte "boulevardmässig eine interessante Figur" sein.

Es wäre sein politisches Gesellenstück

Interessant ist er inzwischen tatsächlich. Das hat er sich verdient. Im Abstimmungskampf zur Ausschaffungsinitiative kommt man um den Präsidenten des Abstimmungskomitees nicht mehr herum. Amstutz in der Beiz, Amstutz auf dem Podium - und eben, Amstutz in der "Arena". Als wäre er 7 mal 24 Stunden unterwegs. Zuweilen reagiert er auch gereizt, zum Beispiel dann, wenn er auf den Strafenkatalog der Initiative angesprochen wird oder den Medien Fragen nach dem Kampagnenstil beantworten soll. Überhaupt sieht er fast die ganze Medienlandschaft gegen sich. Kurz: Die Ausschaffungsinitiative ist sein grosser Auftritt. Nachdem er im Spätherbst 2008 als Bundesratskandidat vom Duo Maurer/Blocher ausgestochen wurde, läuft er nun wieder zu Höchstform auf. Für ihn wäre der Sieg bei der Abstimmung vom 28. November das politische Gesellenstück. Und wer weiss, ein möglicher Wegbereiter zu höheren Meriten.

Kein Eintritt mit Motorsäge

Ob Ständerat, Regierungsrat oder Bundesrat: Ihm wird alles zugetraut. Mit der Motorsäge in der Hand wird man ihm hier aber kaum die Tür öffnen. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man die Kommentare auf Tagesanzeiger.ch/Newsnetz liest. "Die Vorstellung dieses Herrn Amstutz war erbärmlich. Ich hoffe sehr, wir werden nie solche Politiker in den Bundesrat wählen", meinte ein Kommentarschreiber nach der "Arena"-Sendung konsterniert.
Quellen:

Landbote vom 13. November, 2010.

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