in der "Arena" vom 5. November, 2010 vom Schweizer Fernsehen war ein rhetorischer Nahkampf.
Das Amstutz-Sommaruga Duell hatte alle Voraussetzungen für eine Medienstory.
Es war eine Feuertaufe für die frischgebackene Bundesrätin.
Die Konfrontation enthielt idealen Rohstoff, nicht nur für die Boulevardpresse:
es ging um Politik, Emotionen und prominente Personen.
In den Kommentaren wurden die Akteure unterschiedlich gewertet:
Dem Moderator wurde vorgeworfen, er hätte energischer intervenieren
müssen. Über Adrian Amstutz wurde geschrieben, er sei unverschämt,
sich gegen eine Frau und frisch gewählte Bundesrätin so hart
anzulegen. Viele Stimmen meinten auch, Simmonetta Sommaruga habe versagt.
Allgemein sei es bedenklich, wenn Politikerheute nicht mehr miteinander
respektvoll umgehen könnten.
Die Arena Sendung verdeutlicht, dass es in diesem Sendegefäss im Gegensatz
zum Club - nicht um Dialogik geht. Gefragt sind Duelle. Es geht um verbale
Kämpfe. So wie in einer echten Arena geht es darum, die Gegner zu schlagen.
Gefragt ist nicht der Konsens, sondern der Sieg.
Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wer an der letzten Arena tatsächlich
mehr gepunktet hat: Sommaruga oder Amstutz.
Wer kommt im Urteil des Publikums besser weg?
Entscheidend ist nicht nur das Verhalten und das Vokabular, es geht um die
Glaubwürdigkeit der Persönlichkeiten.
Die neue Bundesrätin überzeugte im Wahlkampf, machte aber in der Arena
nonverbal einen unsicheren Eindruck. Als sie Fakten
entstellte und Amstutz Aussagen unterstellt hatte, die nachgewiesenermassen
falsch waren, verlor sie Punkte. Bei einem verbalen
Schlagabtausch kann es Mitleideffekt kommen. Aber immer auf beiden Seiten.
Der Vergleich CLUB und ARENA zeigt sich auch bei der entsprechenden
Gesprächsmoderation respektive Duellleitung.
Reto Brennwald muss in der Arena eher als Dompteur agieren, während
Christine Maier als Moderatorin Gesprächsleiterin zu amten hat.
Reto Brennwald kann man nicht vorwerfen, er hätte rascher und vehementer
eingreifen sollen. In einem Boxkampf wird ein Schiedsrichter bewusst bei
spannenden Aktionen nicht intervenieren. Er wird nur dann eingreifen, wenn
eindeutige Spielregeln verletzt werden.
In harten politischen Auseinandersetzungen wie in der Arena müssen die Akteure damit
rechnen, dass ab und zu harte Schläge entgegengenommen werden müssen.
Fachgerechtes Medientraining kann den Leuten helfen, bestehen zu können ohne
dass man während dem Kampf extern unterstützt wird. Wer bei Medienduellen
punktet, entscheiden weder Kommunikationsberater noch Medienkritiker.
Letztlich entscheidet das Publikum, wer besser wegkommt. Bei Sommaruga und
Amstutz werden sich Experten später wundern, wie das "Volk" die Punkte
verteilt.
Falls die SVP bei der Abstimmung einen Sieg einführt, wäre es durchaus
denkbar, dass dann der angriffige Parteivertreter unverhofft zum Helden
mutiert. Das gilt auch im Sport: "Sieger haben immer recht!"
So wie Piloten im Simulator lernen müssen, heikle Situationen zu meistern
(Beispeilsweise wird ein Triebwerkbrand simuliert), müssten Politiker auch
lernen, wie man in heiklen Situationen ruhig Blut bewahrt. Das bedachte,
überlegte Verhalten in Krisensituationen kann ebenfalls bei der
Medienrhetorik so lange simuliert werden, bis man trotz Stress,
Ueberraschungen, Provokationen, persönlichen Angriffen Ruhe bewahren kann
(Stoppen-Pause-Ueberlegen) und - ohne den Kopf zu verlieren - angemessen
reagieren kann.
Engagiert, ausdauernd, aggressiv: Mit der Ausschaffungsinitiative
ficht Adrian Amstutz den politischen Kampf seines Lebens. Ob ihn das zu
höheren Weihen bringt? Stösst den politischen Gegner gerne
auch mit markigen Worten vor den Kopf: Adrian Amstutz am vergangen
Freitag in der SF-Sendung "Arena".
Adrian Amstutz, Jahrgang 1953, ist in Schwanden ob Sigriswil geboren und
aufgewachsen. Nach den Berufslehren als Maurer und Hochbauzeichner bildete
er sich zum Hochbaupolier weiter. Er arbeitete selbständig als Planer
und Bauleiter, gründete dann mit Partnern die heutige Firma Amstutz,
Birri und Aplanalp AG. Von 1993 bis 1998 war er Gemeinderatspräsident
von Sigriswil. 1998 wurde er in den Grossen Rat gewählt, 2003 in
den Nationalrat.
2007 erreichte er die Wiederwahl mit dem besten Resultat im Kanton Bern.
Ins Rennen um den Berner Regierungsrat wollte Amstutz im gleichen Jahr
nicht einsteigen. Dafür nominierte in die Berner Kantonalpartei
nach dem Rücktritt von Bundesrat Samuel Schmid im Herbst 2008 als
Nachfolgekandidaten. Nach nur fünf Jahren nationaler Politik setzte
er damit bereits zum Sprung aufs Podest an. Nach ganz oben sollte es aber
nicht reichen. In der Ausmarchung innerhalb der Mutterpartei unterlag
er aber gegen das Duo Blocher/Maurer. Nun, bei der Doppelvakanz 2010
im Bundesrat, war Amstutz wieder im Gespräch. Diesmal allerdings
stand er nicht zur Verfügung.
Dafür will Amstutz nun in den Ständerat. Mit Sommarugas Wahl
in den Bundesrat wird dort ein Sitz frei. Allerdings wird er gegen
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und SP-Fraktionschefin Ursula
Wyss antreten müssen.
In der SVP Schweiz übt Amstutz seit 2008 das Amt des
Vizepräsidenten aus. Er ist Astag-Zentralpräsident und sitzt
seit 2004 im Exekutivrat von Swiss Olympic. Im Militär war er
Fallschirmgrenadier, trainierte die Nationalmannschaft und gewann in
dieser Disziplin den Weltcup.
Als SVP-Vizepräsident Adrian Amstutz am Freitag zu später
Stunde in der "Arena" nach einer Stunde Sendezeit mit geschwollener Brust
polterte -
"dir verzellet ein Seich am angere, Frou Bundesrätin"
-
rieben sich viele Zuschauer verwundert die Augen. Reihenweise Kommentare
gingen bei Tagesanzeiger.ch/Newsnetz ein, in denen sich die Zuschauer
über die Attacken des Berner Nationalrats gegen Simonetta Sommaruga
empörten. "So spricht man nicht mit einer Bundesrätin, Herr
Amstutz" oder "wo bleibt eigentlich das Niveau, Herr Amstutz".
Vorangegangen war eine teilweise gehässige Debatte und eine
Verwechslung der sonst so treffsicheren Simonetta Sommaruga. Die
Bundesrätin legte ihrem Standeskollegen in den Mund, er
würde ja selber von sich behaupten, mit dem "Zweihänder" zu
politisieren. Richtig wäre gewesen "Motorsäge". "Dazu stehe
ich, das ist ein Markenzeichen, mit dem ich gut lebe", so Amstutz vor
drei Jahren in einem "Bund"-Interview.
"Was ist nun schlimmer, Zweihänder oder Motorsäge?"
Der Berner Politiker hatte schon früher von sich selber behauptet, er
würde manchmal lieber mit der Motorsäge als mit der Nagelfeile
politisieren. "Gewisse Probleme sind derart gross und manifest, dass sie
vor der Feinjustierung zunächst in grossen Zügen korrigiert
werden müssen", sagte er angesprochen auf das Motorsägenbild im
Vorfeld der Bundesratswahl vom 10. Dezember 2008 in einem Interview. In
der Berner Polit- und Medienlandschaft wurde das Motorsägenbild im
Zusammenhang mit Amstutz zu einem stehenden Begriff.
Dass Sommaruga das falsche Wort zitierte ist ein Schönheitsfehler. In
der Aussenbetrachtung aber macht es wohl keinen grossen Unterschied,
ob jemand mit dem Zweihänder - ein mittelalterliches
Schwert, das mit beiden Händen bedient wird - oder mit einer
Motorsäge politisiert. "Was ist nun schlimmer, Zweihänder
oder Motorsäge?", fragt Alt-Nationalrat Anton Schaller in einer
Kolumne lakonisch. Amstutz aber benutzte die Verwechslung zur deftigen
Verbalattacke.
"Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein"
Die frisch gebackene Bundesrätin hätte es wissen müssen,
dass ein Amstutz die Schwäche des politischen Gegners ausnutzt, um
hart zuzuschlagen. "Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein", sagte
der Nationalrat einmal. Abwechslungsweise wird er in den Medien zwar
als kollegial, manchmal aber auch als verletzend und rücksichtslos
beschrieben.
Dass er im Staate Bern als Statthalter des Blocher-Kurses gilt, mochte er
nicht hören, "nein, ich bin Amstutz". Beim Zürcher Flügel
auf jeden Fall hat man Freude am Berner. Mörgeli sagte von Amstutz,
dieser könnte "boulevardmässig eine interessante Figur" sein.
Es wäre sein politisches Gesellenstück
Interessant ist er inzwischen tatsächlich. Das hat er sich
verdient. Im Abstimmungskampf zur Ausschaffungsinitiative kommt man um
den Präsidenten des Abstimmungskomitees nicht mehr herum. Amstutz
in der Beiz, Amstutz auf dem Podium - und eben, Amstutz in der
"Arena". Als wäre er 7 mal 24 Stunden unterwegs. Zuweilen reagiert
er auch gereizt, zum Beispiel dann, wenn er auf den Strafenkatalog der
Initiative angesprochen wird oder den Medien Fragen nach dem Kampagnenstil
beantworten soll. Überhaupt sieht er fast die ganze Medienlandschaft
gegen sich.
Kurz: Die Ausschaffungsinitiative ist sein grosser Auftritt. Nachdem er
im Spätherbst 2008 als Bundesratskandidat vom Duo Maurer/Blocher
ausgestochen wurde, läuft er nun wieder zu Höchstform
auf. Für ihn wäre der Sieg bei der Abstimmung vom 28. November
das politische Gesellenstück. Und wer weiss, ein möglicher
Wegbereiter zu höheren Meriten.
Kein Eintritt mit Motorsäge
Ob Ständerat, Regierungsrat oder Bundesrat: Ihm wird alles zugetraut.
Mit der Motorsäge in der Hand wird man ihm hier aber kaum die
Tür öffnen. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man die
Kommentare auf Tagesanzeiger.ch/Newsnetz liest. "Die Vorstellung dieses
Herrn Amstutz war erbärmlich. Ich hoffe sehr, wir werden nie solche
Politiker in den Bundesrat wählen", meinte ein Kommentarschreiber
nach der "Arena"-Sendung konsterniert.