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www.rhetorik.ch aktuell: (13. Nov, 2010)

Christian Doelker zur Informationsflut

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Am 10. November referierte Christian Doelker an der Kantonsschule Schaffhausen über die Auswirkungen der Medienflut. Der Organisator der Veranstaltung war der Kantiverein. Doelker's Gedanken sind überlegenswert für alle, die sich mit Informationsflut und Medien auseinandersetzen: Wir fassen unten einige Gedanken aus dem Vortrag vom 10. November und dem Interview mit Christian Doelker in den Schaffhauser Nachrichten vom 8. November 2010 zusammen. Christian Doelker ist emeritierter Professor für Medienpädagogik an der Uni Zürich. Er ist einer der führenden Wissenschafter in den Bereichen Bildtheorie, Bildpädagogik, Theorie des Fernsehens, der Kulturtechniken, der Medienwirklichkeit, der Informationsphilosophie und der Medienkritik. Seine Gedanken und Schriften haben für mich wichtige Weichen gestellt. Wir hielten etwa gemeinsame Vorträge zum Thema "Gewalt in den Medien". Christian Doelker machte mir auch den Stellenwert der Bildrhetorik bewusst. Artikelbeispiel von Doelker zum Thema.

SN vom 12. November, 2010


Nach der Schrift und den elektronischen Medien Radio und Fernsehen, hat die Digitalisierung vor allem dank Internet in unerwartetem Ausmass Einzug in alle Lebensbereiche genommen.

Eine erste Stufe der Mediatisierung wurde vor Tausenden von Jahren mit der Erfindung der Schrift genommen. Stürmisch ging die Entwicklung mit der Erfindung der Druckerpresse, mit akustischen, optischen und dann digitalen Medien weiter. Das hat auch zu einer Informationsflut geführt.

Dölker weist darauf hin, dass die Medienüberflutung oft mit sprachlichen Metaphern aus dem aquatischen Bereich beschrieben wird: wir sprechen von Medienflut - Berieselung - Bilderschwemme - Datenfluss - Nachrichtenströmen- Surfen - Navigieren oder Immersion.

Die Vorteile der technischen Neuerungen war eklatant. Das tsunamihafte Anwachsen der Informationen beinhaltet jedoch auch Risiken. Diese Befindlichkeit bezeichnet Doelker als "Aquatic Turn" oder Überschwemmung. Das neue Schlagwort "Konvergenz der Medien" macht glauben, dass alle Kanäle zusammenführen. Man könnte es auch Konfluenz = Zusammenfliessen oder Confundi = "Zusammengegossen werden" nennen. Die gigantische Confusio führt zu einer mit grosser Kelle angerichteten medialen Suppe. [Bildassoziationen zur Welle] Confusio heisst aber nicht nur "Vermischung" sondern auch "Verwirrung". Tatsächlich führt die Konvergenz von Geräten oft zu einer Konfusion in den Köpfen.

Für Christian Dölker spielt das Lesen nach wie vor eine Schlüsselrolle. Wir können beim Lesen das Tempo der Informationsaufnahme selbst bestimmen und Texte überfliegen. Relevantes und Wichtiges kann nochmals gelesen werden und innerlich abgewägt werden. Eine aufgezeichnete Fernsehsendung kann nur im Hinblick auf das Bild im Schnelllauf durchgesehen werden. Die Tonpiste müssen wir in Real-Time abhören. Wenn wir die Medien nutzen effizient wollen, gilt es, auf eine Verräumlichung der Information hinzuzielen. "Print" ist besser als "Live", denn so kann man über die Zeit bestimmen, die fürs Überfliegen gebraucht wird.

Die selektive Auswahl des Wesentlichen muss gelernt werden, wenn wir nicht zu sehr fremdbestimmt werden wollen. Facebook, Twitter und Co machen deshalb Doelker gewisse Sorgen.

Wer glaubt, durchgehend auf Empfang sein zu müssen, hängt ständig am Tropf des digitalen Saftes, ist unfrei und versäumt, eigenständig nachdenken zu können.
Was die Zuhörer im Frage und Antwort Teil vor allem interessierte, waren Doelkers Problemlösungsansätze bei der heutigen Informationsfut. Was kann der Konsument konkret tun, um sich von dieser feuchten Umklammerung der Flut zu lösen?
Quelle: NYT
Für Jugendliche zum Beispiel ist das Handy bereits ein Teil der Person geworden. Der Verzicht führt zu Phantomschmerzen, wie wenn ein Körperteil amputiert worden ist. Umfragen bei Jugendlichen machen uns bewusst, dass sie die Abhängigkeit beschäftigt und lernen möchten, mit den modernen Medien umzugehen. Christian Doelker wies als Medienpädagoge darauf hin, dass dieser Umgang gelernt werden muss. Verbote bringen nichts. Als Lesewesen muss der Mensch auch lernen, auszulesen.

Nach dem Vortrag fragte ich eine Besucherin, wie sie es fertig bringe, das Wichtige von Unwichtigen zu trennen. Ihre Antwort war erwähnenswert:

"Ich notiere mir jeden Tag, was heute wichtig ist."

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