Aus dem
Tagi:
Im Prozess gegen Jörg Kachelmann ist die Ärztin befragt
worden, die bei Sabine W. Verletzungen nach der mutmasslichen Tat
feststellte. Zudem äusserte sich die Freundin einer Geliebten
über ein Telefonat, das den Angeklagten belasten könnte.
Jörg Kachelmann,
der vor Gericht schweigt, will gemäss
eigenen Angaben nie mehr als Wettermoderator im Fernsehen auftreten -
und dies unabhängig vom Ausgang des Prozesses.
Jörg Kachelmann steht seit Anfang September in Mannheim vor
Gericht. Der Schweizer TV-Moderator ist wegen Vergewaltigung
seiner Ex-Freundin angeklagt. Heute Mittwoch fand der
15. Prozesstag statt. Insgesamt hat das Landgericht Mannheim
23 Verhandlungstage angesetzt. Dies könnte sich aber noch
ändern. Möglicherweise wird das Urteil erst 2011
eröffnet. Im Fall eines Schuldspruchs im Sinne der Anklage
droht Kachelmann eine Gefängnisstrafe von mindestens fünf
Jahren. Tagesanzeiger.ch/Newsnetz berichtet laufend über den
Kachelmann-Prozess. Die Berichterstattung umfasst Prozessberichte,
Hintergrundartikel, Videobeiträge und Bilder. Zudem gibt es auf
Tagesanzeiger.ch/Newsnetz ein Dossier zum Kachelmann-Prozess. (vin)
Stichworte
Im Kachelmann-Prozess ist am Mittwoch eine Freundin einer Geliebten des
Wettermoderators befragt worden. Thema war ein Telefongespräch,
das die Geliebte Katharina T., eine 29-jährige Försterin,
und Kachelmann am 9. Februar 2010 geführt hatten - das war am
Tag nach der mutmasslichen Vergewaltigung von Sabine W. Und über
dieses Telefongespräch hatten sich Katharina T. und deren Freundin
unterhalten.
Nach Angaben der Geliebten machte Kachelmann beim Telefongespräch
einen gestressten und fahrigen Eindruck. "Seine Stimme klang komplett
aufgelöst. (...) Ich habe gedacht, dass etwas Schlimmes passiert
sein musste", hatte Katharina T. bereits der Polizei erzählt. Noch am
selben Februarmorgen schickte Kachelmann ihr ein SMS: "Mir geht es nicht
gut". Deren Freundin bestätigte im Wesentlichen diese Darstellung
bei der Befragung durch das Landgericht Mannheim. Wie die 23-jährige
Studentin weiter erklärte, sei Katharina T. irritiert gewesen,
dass Kachelmann angerufen habe, nachdem sie ihre lose Beziehung im Januar
beendet hatten. Die Beziehung zwischen Kachelmann und der Försterin
sei zwischenzeitlich recht angespannt gewesen. Nach Meinung der Freundin
zeigte sich Katharina T. überzeugt, "dass bei Kachelmanns gehetztem
Leben irgendwann die Bombe hochgeht". Das Telefonat am Tag nach der
möglichen Tat könnte als belastendes Indiz gewertet werden.
Streit zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Wegen Katharina T. sind Staatsanwaltschaft und Verteidigung
aneinandergeraten. Grund für die Auseinandersetzung war der
Umstand, dass Katharina T. bei ihrer nicht-öffentlichen Vernehmung
am vergangenen Montag nur zögerlich eingeräumt hatte, dass
sie einen Exklusivvertrag mit der Illustrierten "Bunte" hat. Dass
sie ihre Erlebnisse mit dem wegen Vergewaltigung angeklagten Moderator
öffentlich machen will, sorgte bei der Verteidigung für grossen
Unmut. Kachelmanns Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock nannte das Verhalten
der Zeugin "unverschämt". Den Vermarktungsdeal mit der Illustrierten
nahm Birkenstock zum Anlass, indirekt die Glaubwürdigkeit der
29-jährigen Försterin und Umweltschutzaktivistin in Zweifel
zu ziehen.
Auch habe die frühere Geliebte dem Angeklagten während
seiner Untersuchungshaft Kondome und eine Intim-Waschlotion als
Geburtstagsgeschenk in das Mannheimer Gefängnis geschickt. Dies
sei "eine Geschmacklosigkeit", zumal die Zeugin nach der Verhaftung
Kachelmanns zunächst ihre Loyalität in einer E-Mail an den
Moderator bekundet habe, wie der Verteidiger betonte.
Der Staatsanwalt sagte, die Zeugin habe am Montag korrekt auf die
Fragen der Verteidigung geantwortet. Es sei ihr überlassen, ob
und welche Verträge sie mit einer Illustrierten aushandle oder
nicht. Die Verteidigung versuche dagegen, die Medien seit Beginn des
Prozesses für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. So würden
immer wieder Details aus Zeugenvernehmungen öffentlich, obwohl
diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben.
Der Anklagevertreter geht davon aus, dass die frühere Geliebte erst
aufgrund der Berichte über den polygamen Lebenswandel Kachelmanns
ihre Einstellung zu dem früheren Geliebten geändert habe. Sie
habe zunächst mit sich gerungen. Erst spät sei ihr Entschluss
gefallen, weshalb sie sich erst Monate nach der Verhaftung Kachelmanns
bei der Staatsanwaltschaft gemeldet habe.
Kachelmanns Angst: "Deisler reloaded"
Noch vor der Mittagspause begann das Mannheimer Gericht mit der
Vernehmung von Zeugen aus dem beruflichen Umfeld des Wettermoderators.
In den Zeugenstand trat ein Redakteur des Mitteldeutschen Rundfunks
(MDR), der mit Kachelmann zusammgearbeitet hatte. Dabei kam auch ein
E-Mail zur Sprache, das der Schweizer TV-Mann am 10. Februar 2010 an die
Programmdirektion des MDR gesendet hatte. Er wolle nicht als "Deisler
reloaded" oder Heulsuse der Nation oder Schlimmeres enden. Deshalb
wolle er künftig nur noch das Wetter, aber keine Talksendungen mehr
moderieren, liess Kachelmann die Chefetage des MDR wissen.
Sebastian Deisler war einer der talentiertesten Fussballer Deutschlands.
Er stammt - wie Kachelmann - aus Lörrach und musste seine Karriere
wegen schwerer Depressionen beenden. Von der Befragung von Berufskollegen
erhofft sich das Gericht Informationen zur Verfassung von Kachelmann
nach der angeblichen Vergewaltigung.
Kratzspur am Hals und Hämatome an Oberschenkeln
Der 15. Verhandlungstag im Kachelmann-Prozess hatte mit der Vernehmung
einer Gynäkologin begonnen. Die Ärztin der Heidelberger
Frauenklinik sagte, dass Sabine W. am Morgen nach der mutmasslichen Tat
"beginnende Hämatome an den Innenseiten von beiden Oberschenkeln"
gehabt habe. Ähnliche Verletzungen habe sie auch bei einem anderen
Vergewaltigungsopfer gesehen. "Solche Hämatome entstehen, wenn
die Beine auseinander gedrückt werden", sagte die 28-jährige
Frauenärztin. Im Weiteren sei eine Verletzung am Hals - "vergleichbar
mit einer Kratzspur" - erkennbar gewesen. An einem Arm hat die junge
Ärztin zudem Striemen festgestellt. Bei den Untersuchungen des
Unterleibs seien ihr keine Verletzungen aufgefallen, sagte die Zeugin
vor dem Mannheimer Landgericht.
Die Patientin sei "sehr ruhig und gefasst gewesen". Sie habe weder den
Namen des mutmasslichen Täters noch Genaueres zum möglichen
Tathergang berichtet, berichtete die Gynäkologin. Die Patientin habe
lediglich gesagt, dass es am Abend Streit mit ihrem Freund gegeben habe
und er sie gegen 2 Uhr vergewaltigt und mit einem Messer bedroht habe. Der
Gerichtsvorsitzende fragte die Ärztin, ob sie schon öfter
Vergewaltigungsopfer untersucht habe. Die Ärztin antwortete: "Ja,
es waren bisher 10."
Am 1. Dezember geht der Prozess weiter
Die Vergewaltigung, die Sabine W. ihrem Ex-Freund Kachelmann vorwirft,
soll sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2010 in der Wohnung
der Frau in Schwetzingen ereignet haben. Der 52-jährige Schweizer
bestreitet die Tat. Inzwischen gehen die Prozessbeteiligten davon aus,
dass das Urteil im Kachelmann-Prozess erst 2011 fallen wird. Bisher war
der 21. Dezember 2010 als letzter Verhandlungstag geplant.
Das Landgericht Mannheim wird das Verfahren am 1. Dezember fortsetzen.
Grund der Unterbrechung ist, dass zwei Ersatzschöffen an anderen
Strafverfahren teilnehmen und deshalb nicht im Kachelmann-Verfahren
anwesend sein können.