"BILD"
Beitrag vom 3. November:
Egal, wie der Vergewaltigungsprozess gegen ihn auch ausgeht: Wettermoderator
Jörg Kachelmann (52) wird nie wieder im Fernsehen auftreten. Das
kündigt Kachelmann im Gespräch mit BILD an. Wie er sein neues
Leben plant.
Die Anklage wirft ihm vor, die Radiomoderatorin Sabine W. (37) in der
Nacht zum 9. Februar vergewaltigt und mit dem Tode bedroht zu haben.
Kachelmann sagt, dass sie die Unwahrheit spricht. Seit seiner Festnahme
beteuert er seine Unschuld.
Jörg Kachelmann sitzt jetzt in einer Suite des Hotels, studiert
die Speisekarte. Er trägt ein Holzfällerhemd, ähnlich
wie jenes, das er bei seiner Festnahme getragen hat. Er wirkt ruhig
und gefasst.
132 Tage in Untersuchungshaft haben Jörg Kachelmann optisch
verändert. Er hat acht Kilo abgenommen. Ohne seinen Siebentagebart
sieht er gepflegter aus.
Es sei viel über ihn spekuliert worden in den vergangenen
Monaten. Zum Beispiel darüber, warum er sich im Gefängnis
den Bart abrasiert habe. "Der Grund ist ganz einfach und banal", sagt
Kachelmann. "Im Gefängnis gibt es nur Einweg-Rasierer. Da hat man
nur zwei Möglichkeiten. Entweder, der Bart kommt ganz ab - oder man
sieht nach drei Wochen aus wie Osama bin Laden. Kachelmann versucht
zu erklären, wie sein Leben entgleiten konnte: "Ich habe in den
vergangenen Jahren ein Hochgeschwindigkeitsleben geführt - mit viel
Arbeit und einem Durcheinander im Liebesleben. Ich war nicht immer treu,
offen und ehrlich mit meinen Partnerinnen."
Gegenüber dem Oberlandesgericht hat Kachelmann dieses
Leben mit diesen vielen Frauen - so wörtlich - als einen
"Lebensführungsfehler" bezeichnet. Kachelmann sagt: "Ich werde
noch in vielen Gesprächen Menschen um Verzeihung bitten müssen."
Zwei Vorsätze hat er gefasst:
"Wenn ich in Zukunft eine Beziehung führe, werde ich monogam leben."
"Ich werde in Zukunft Situationen vermeiden, in denen man mir etwas
vorwerfen kann, was ich nicht getan habe."
In Gedanken ist der Angeklagte Kachelmann auch mit seinem neuen Leben
befasst. Dem Leben nach dem Prozess, von dem er hofft, dass seine Sorgen
um dessen Fairness am Ende unbegründet sein werden.
Sein neues Leben soll ein Leben ohne Fernsehen und ohne Vielweiberei sein.
"Ich werde nach all dem keine Wettersendungen mehr moderieren
können. Nachdem Staatsanwaltschaft und Medien mein angebliches
Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben, wär's mit dem
Blumenkohlwolken-Onkel wohl schwierig. Das Kapitel Fernsehen ist dadurch
für mich beendet worden", sagt Kachelmann.
Den Entschluss, keine Talkshows mehr zu moderieren, habe er seinem Sender
schon Anfang 2009 mitgeteilt. Es ist das Ende einer 18-jährigen
TV-Karriere, in der Jörg Kachelmann sogar die legendäre ARD-Show
"Einer wird gewinnen " moderieren durfte.
Der Wetter-Experte will nur noch als Redakteur bei seiner Firma
"Meteomedia AG" arbeiten, die Vorhersagen für TV-Sender,
Versicherungen und Fluglinien erstellt. Das Unternehmen ist sein
Lebenswerk. Er hat es 1990 gegründet, beschäftigt 100
Mitarbeiter in Deutschland, Kanada, den USA und der Schweiz. Die junge
Kellnerin fixiert ihn, während sie das Essen serviert. Früher
hätte Kachelmann die junge Dame wohl spätestens zum Nachtisch
nach ihrer Telefonnummer gefragt.
Heute kann er sich gut vorstellen, was sich die Kellnerin
fragt. Nämlich das, was alle gerade fragen:
Hat er? Oder hat er nicht? Schuldig? Oder unschuldig? Täter?
Oder selbst Opfer?
Die meisten Menschen bilden sich ihr eigenes Urteil. Auch nach dem
Prozess wird das nicht anders sein. Unabhängig davon, wie der
Richter urteilt.
Es wird Leute geben, die auch Jahre später noch bei
seinem Anblick denken: Das ist doch der Wettermann vom Fernsehen, der mit den
vielen Frauen, der wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung vor Gericht
stand.
Um sich genau diese Situationen zu ersparen, hatte Jörg Kachelmann
überlegt, nach dem von ihm erhofften Freispruch nach Oklahoma (USA)
auszuwandern. Dort betreibt er eine weitere Wetterfirma. "Ich habe mich
dann aber gegen Oklahoma entschieden", sagt Kachelmann. "Das hätte
auch im Falle eines Freispruchs nach Flucht ausgesehen."
Er hat es auch abgelehnt, gegen Zahlung einer Kaution aus der U-Haft
entlassen zu werden. "Das hätte ausgesehen, als hätte ich
mich erst einmal freigekauft."
Wo er später wohnen werde, weiss der Wettermoderator ausser Dienst
noch nicht. "Vielleicht werde ich auch erst mal mit meiner Mutter
zusammenwohnen", sagt Kachelmann. Für sie habe ihm die Sache am
meisten leidgetan. Er spricht darüber, mit wie viel Kraft und
Zuversicht sie ihn zweimal in der U-Haft besucht hat.
Über seine Ex-Geliebte, die ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hat,
spricht er den ganzen Abend nicht. Auch nicht über den Prozess.
Das Urteil soll am 21. Dezember gesprochen werden. Jörg Kachelmann
hat für die Zeit danach schon einen Plan. Heiligabend will er mit
seiner Mutter verbringen. Dann, so der Plan, will er zu seinen beiden
Söhnen nach Kanada fliegen.
Und falls er verurteilt wird? Einen Plan B hat Jörg Kachelmann nicht.
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Es lohnt sich, Medienauftritte zu nutzen, sofern man es versteht,
auf der Klaviatur der Medien zu spielen. Wie sich die
Auftritte Kachelmanns auf das Verfahren auswirken wird, kann heute noch nicht
gesagt werden. Sie werden aber sicher einen Einfluss haben.
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