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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Nov, 2010)

Die Rolle der Medienanwaelte im Kachelmann Prozess

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Radio 24
Einmal mehr handelte Jörg Kachelmann gezielt prozesstaktisch. Seine Anwälte wissen, dass sich Richter von der öffentlichen Meinung beeinflussen lassen. Deshalb nutzte der Medienprofi die Chance und gab sich auch heute als einsichtiger Mensch. Das gepflegte Auftreten mit sauberer Rasur und Holzfällerhemd war geschickt inszeniert. Er drückte auf die Tränendrüsen und verstand es, mit einem "Mea culpa-Verhalten" gut dazustehen.
So wie er früher bei den kurzen Auftritten verstand sich Kachelmann in eine gutes Licht zu setzen. Der Blumenkohlwolken-Onkel erzählt von "Lebensführungsfehler", von seinem "Hochgeschwindigkeitsleben". Sein Leben werde von nun an ohne Vielweiberei und Fernsehen sein:

"Wenn ich in der Zukunft eine Beziehung führe, werde ich monogam leben!" "Ich werde nach all dem keine Wettersendungen mehr moderieren können" Man nimmt dem Profirhetoriker leicht ab, dass er auf die Zahlung einer Kaution verzichtet habe, die möglich gewesen wäre, um entlassen zu werden. Kachelmanns Begründung: Dies hätte so ausgesehene, als hätte er sich erst einmal frei gekauft.

Ohne Zweifel sind hinter allen Inszenierungen Kachelmanns Spitzenanwälte. Sie wissen, wann der Klient schweigen muss und wann er nach aussen agieren soll. Medienanwälte haben eine zusätzliche Funktion. Im Zusammenhang mit Medienopfern spielten bislang die sogenannten "Opferanwälte" eine zentrale Rolle um dem Opfer medienwirksam zur Seite zu stehen.

Heute sind es Medienanwälte, die sich als Fachanwälte um die Interessen von Betroffenen kümmern. Es geht ihnen aber nicht nur um Presse-, Rundfunk-, Film-, Internet- Multimedia-, Urheber- oder Verlagsrechte; sie treten meist mit dem Mandanten auf, die in einem Strafverfahren involviert sind und die ein grosses öffentliches Interesse wecken.

Der Medienanwalt beeinflusst heute die Medien direkt, indem das Bild des Angeschuldigten in der Öffentlichkeit inszeniert und damit prägt. Mit Verlautbarungen führt er eine publizistische Gegenoffensive zum Kläger. In einer Umfrage der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gab jeder vierte Richter und jeder dritte Staatsanwalt an, dass er Berichte in den Medien über seine Fälle "ganz gezielt" verfolge. Die mediale Meinung kann somit die Höhe des Strafmasses beeinflussen.

Jeder zweite Richter gab zu, dass er bei brisanten Urteilen jedenfalls "ein wenig" über die öffentliche Reaktion nachdenke. Damit wird in der Zukunft der Medienanwalt bei Prozessen eine immer wichtigere Rolle spielen.
"BILD" Beitrag vom 3. November:

Egal, wie der Vergewaltigungsprozess gegen ihn auch ausgeht: Wettermoderator Jörg Kachelmann (52) wird nie wieder im Fernsehen auftreten. Das kündigt Kachelmann im Gespräch mit BILD an. Wie er sein neues Leben plant. Die Anklage wirft ihm vor, die Radiomoderatorin Sabine W. (37) in der Nacht zum 9. Februar vergewaltigt und mit dem Tode bedroht zu haben. Kachelmann sagt, dass sie die Unwahrheit spricht. Seit seiner Festnahme beteuert er seine Unschuld. Jörg Kachelmann sitzt jetzt in einer Suite des Hotels, studiert die Speisekarte. Er trägt ein Holzfällerhemd, ähnlich wie jenes, das er bei seiner Festnahme getragen hat. Er wirkt ruhig und gefasst. 132 Tage in Untersuchungshaft haben Jörg Kachelmann optisch verändert. Er hat acht Kilo abgenommen. Ohne seinen Siebentagebart sieht er gepflegter aus. Es sei viel über ihn spekuliert worden in den vergangenen Monaten. Zum Beispiel darüber, warum er sich im Gefängnis den Bart abrasiert habe. "Der Grund ist ganz einfach und banal", sagt Kachelmann. "Im Gefängnis gibt es nur Einweg-Rasierer. Da hat man nur zwei Möglichkeiten. Entweder, der Bart kommt ganz ab - oder man sieht nach drei Wochen aus wie Osama bin Laden. Kachelmann versucht zu erklären, wie sein Leben entgleiten konnte: "Ich habe in den vergangenen Jahren ein Hochgeschwindigkeitsleben geführt - mit viel Arbeit und einem Durcheinander im Liebesleben. Ich war nicht immer treu, offen und ehrlich mit meinen Partnerinnen." Gegenüber dem Oberlandesgericht hat Kachelmann dieses Leben mit diesen vielen Frauen - so wörtlich - als einen "Lebensführungsfehler" bezeichnet. Kachelmann sagt: "Ich werde noch in vielen Gesprächen Menschen um Verzeihung bitten müssen." Zwei Vorsätze hat er gefasst: "Wenn ich in Zukunft eine Beziehung führe, werde ich monogam leben." "Ich werde in Zukunft Situationen vermeiden, in denen man mir etwas vorwerfen kann, was ich nicht getan habe." In Gedanken ist der Angeklagte Kachelmann auch mit seinem neuen Leben befasst. Dem Leben nach dem Prozess, von dem er hofft, dass seine Sorgen um dessen Fairness am Ende unbegründet sein werden. Sein neues Leben soll ein Leben ohne Fernsehen und ohne Vielweiberei sein. "Ich werde nach all dem keine Wettersendungen mehr moderieren können. Nachdem Staatsanwaltschaft und Medien mein angebliches Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben, wär's mit dem Blumenkohlwolken-Onkel wohl schwierig. Das Kapitel Fernsehen ist dadurch für mich beendet worden", sagt Kachelmann. Den Entschluss, keine Talkshows mehr zu moderieren, habe er seinem Sender schon Anfang 2009 mitgeteilt. Es ist das Ende einer 18-jährigen TV-Karriere, in der Jörg Kachelmann sogar die legendäre ARD-Show "Einer wird gewinnen " moderieren durfte. Der Wetter-Experte will nur noch als Redakteur bei seiner Firma "Meteomedia AG" arbeiten, die Vorhersagen für TV-Sender, Versicherungen und Fluglinien erstellt. Das Unternehmen ist sein Lebenswerk. Er hat es 1990 gegründet, beschäftigt 100 Mitarbeiter in Deutschland, Kanada, den USA und der Schweiz. Die junge Kellnerin fixiert ihn, während sie das Essen serviert. Früher hätte Kachelmann die junge Dame wohl spätestens zum Nachtisch nach ihrer Telefonnummer gefragt. Heute kann er sich gut vorstellen, was sich die Kellnerin fragt. Nämlich das, was alle gerade fragen: Hat er? Oder hat er nicht? Schuldig? Oder unschuldig? Täter? Oder selbst Opfer? Die meisten Menschen bilden sich ihr eigenes Urteil. Auch nach dem Prozess wird das nicht anders sein. Unabhängig davon, wie der Richter urteilt. Es wird Leute geben, die auch Jahre später noch bei seinem Anblick denken: Das ist doch der Wettermann vom Fernsehen, der mit den vielen Frauen, der wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung vor Gericht stand. Um sich genau diese Situationen zu ersparen, hatte Jörg Kachelmann überlegt, nach dem von ihm erhofften Freispruch nach Oklahoma (USA) auszuwandern. Dort betreibt er eine weitere Wetterfirma. "Ich habe mich dann aber gegen Oklahoma entschieden", sagt Kachelmann. "Das hätte auch im Falle eines Freispruchs nach Flucht ausgesehen." Er hat es auch abgelehnt, gegen Zahlung einer Kaution aus der U-Haft entlassen zu werden. "Das hätte ausgesehen, als hätte ich mich erst einmal freigekauft." Wo er später wohnen werde, weiss der Wettermoderator ausser Dienst noch nicht. "Vielleicht werde ich auch erst mal mit meiner Mutter zusammenwohnen", sagt Kachelmann. Für sie habe ihm die Sache am meisten leidgetan. Er spricht darüber, mit wie viel Kraft und Zuversicht sie ihn zweimal in der U-Haft besucht hat. Über seine Ex-Geliebte, die ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hat, spricht er den ganzen Abend nicht. Auch nicht über den Prozess. Das Urteil soll am 21. Dezember gesprochen werden. Jörg Kachelmann hat für die Zeit danach schon einen Plan. Heiligabend will er mit seiner Mutter verbringen. Dann, so der Plan, will er zu seinen beiden Söhnen nach Kanada fliegen. Und falls er verurteilt wird? Einen Plan B hat Jörg Kachelmann nicht.


Es lohnt sich, Medienauftritte zu nutzen, sofern man es versteht, auf der Klaviatur der Medien zu spielen. Wie sich die Auftritte Kachelmanns auf das Verfahren auswirken wird, kann heute noch nicht gesagt werden. Sie werden aber sicher einen Einfluss haben.



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