Ein
Artikel im Tagesanzeiger hat die Qualität der Schweizer Presse zum Thema:
Die Medienwelt ist im Umbruch, das schafft neue Möglichkeiten. Es
weckt aber auch Ängste. Der Schaffhauser SP-Nationalrat
Hans-Jürg Fehr etwa hat vom Bundesrat einen Bericht über die
Lage der Schweizer Presse verlangt, weil diese ihre "zentrale Rolle"
in der direkten Demokratie nicht mehr "in der erforderlichen Vielfalt"
erfülle. Der Bericht soll Anfang 2011 vorliegen. Alt-Bundesrat
Christoph Blocher sieht die Meinungsäusserungsfreiheit in Gefahr
und redet von einer "gesteuerten Presse". Und der Zürcher Soziologe
Kurt Imhof spricht gar pauschal von einer "Medienkrise Schweiz". In
seinem kürzlich publizierten Jahrbuch
"Qualität der Medien"
beklagt er den angeblichen "Vormarsch qualitätsschwacher Medien"
wie Gratiszeitungen und Online-Newssites und unterstellt schrumpfende
Vielfalt und eine Boulevardisierung der Medienarena.
Diese Befürchtungen haben mit der Realität wenig zu tun. Nie war
das Angebot an Informationen so vielfältig und breit wie heute. Vor
dreissig Jahren konnte ein Schweizer Mediennutzer je nach Wohnort
zwischen zwei oder drei Tageszeitungen, neun Fernsehkanälen, einigen
wenigen Radiostationen, einer Sonntagszeitung und einem Gratisanzeiger
wählen.
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Der Autor, Pietro Supin widerspricht darin den pessimistischen Analyse zum Stand der Presse in der Schweiz:
Kurt Imhof und sein Team vom Forschungsbereich Öffentlichkeit
und Gesellschaft an der Universität Zürich (fög) nehmen
diesen Wandel nicht wahr. Ihre Kritik richtet sich in erster Linie gegen
die Pendlerzeitungen und Online-Medien. Deren "Klickmentalität"
führe dazu, dass längerfristige Zusammenhänge kaum mehr
reflektiert würden: "Konsumenten, welche die Welt über die
Newssites wahrnehmen, werden nicht in die Lage versetzt, relevante
Erklärungsmuster für den rasend erscheinenden Verlauf der
Dinge abzuleiten", heisst es in der fög-Studie. Die für das
Funktionieren einer Demokratie relevanten Themen aus Politik, Wirtschaft
und Kultur würden ausgeblendet oder nur noch personalisiert,
emotional-moralisch und "episodisch" aufbereitet, monieren die
Forscher. Die Auslandsberichterstattung finde kaum mehr statt, das
Publikum verliere die Einsicht, dass guter Journalismus teuer ist.
Diese Vorwürfe sind überzogen und vom wissenschaftlichen
Standpunkt aus fragwürdig. Imhof und seine Mitarbeiter haben anhand
von teilweise eigenwillig definierten Kriterien eine beschränkte
Anzahl Print- und Online-Artikel sowie Radio- und TV-Sendungen aus
dem letzten Quartal 2009 ausgezählt. Wer nachweisen will, dass
Medieninhalte dafür verantwortlich sind, ob ein politisches System
gut oder schlecht funktioniert, müsste untersuchen, welche Medien
die Menschen nutzen und was letztlich in ihren Köpfen ankommt. Das
haben die Autoren nicht getan.
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Die Gefahr drohe nicht von den neuen Medien, sondern
von der PR-Industrie, die Interessen verfolgen.
Gefahr droht der Vielfalt und Glaubwürdigkeit des Journalismus
weniger von den neuen Medien als von einer ganz anderen Seite: Der
öffentliche Diskurs gerät zunehmend unter den Einfluss
der PR-Industrie. Akteure, die über grosse finanzielle Mittel
verfügen und ganz bestimmte Interessen verfolgen, aber meist
anonym bleiben, gewinnen an Definitionsmacht. Private Unternehmen
und die öffentliche Hand haben ihre Kommunikationsabteilungen
massiv ausgebaut. Der Bund gab letztes Jahr für seine
Öffentlichkeitsarbeit 76.4 Millionen Franken aus. Rund achthundert
Angestellte kümmern sich um die Medienarbeit. Zum Vergleich: Die
in der Schweiz führende Inland- und Bundeshausredaktion von "Bund"
und "Tages-Anzeiger" beschäftigt fünfzehn Köpfe.
Bemerkenswert dabei: Die Qualitätskriterien Kurt Imhofs können
diesen PR-Einfluss überhaupt nicht messen. Eine abgeschriebene
Medienmitteilung könnte in seiner Studie ohne weiteres als wertvoll
durchgehen. Genauso wenig erfassen Imhofs Kriterien, ob ein Artikel Fehler
enthält was doch das allererste Kriterium für Qualität
sein müsste.
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Der Artikel plädiert für einen starken investigativen Journalismus,
wirtschaftlich starke Medienhäuser, die durch intelligente Kooperationen
Geld sparen.
Der Artikel bestätigt, dass die Medienlandschaft sich in einem Umbruch befindet.
Der Krux wird bei der Frage sein, wie gut sich die Verlage in der Zukunft wirtschaftlich
behaupten können. Gute Journalisten und investigativer Journalismus wird nur dann produziert,
wenn es auch genügend attraktive Arbeitsplätze für Journalisten gibt.
Durch Zusammenlegen von Zeitungen und das Schmelzen der Abonnemente
gehen natürlich Stellen verloren. Ob die Online Redaktionen das auffangen
können, wird sich noch zeigen müssen.
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