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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Sep, 2010)

Medienrhetorik von Schneider-Ammann und Sommaruga

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:

1. Zu Schneider-Ammann's Medienrhetorik:

Das folgende Interview mit Johan Schneider-Ammann stammt aus dem Tagesanzeiger vom 3. September, 2010. Es ist hier mit Kommentaren versehen:

Frage: Herr Schneider-Ammann, Sie gelten als erfolgreicher Unternehmer. Aber sind Sie auch Politiker genug, um ein erfolgreicher Bundesrat zu sein?
Antwort: Ich bringe unternehmerisches Denken mit und bin authentisch, offen und ehrlich. Diese Qualitäten kann man in der Politik ebenso gebrauchen wie in der Wirtschaft. Das habe ich in meinen zehn Jahren im Nationalrat gemerkt.
Kommentar: SIND SIE POLITIKER GENUG...? DIESE FRAGE BEANTWORTET DER BUNDESRATSKANDIDAT NICHT. DAFUER NENNT ER ALS ERSTES SEINE STAERKEN. Sie haben im Nationalrat keinem einzigen Dossier den Stempel aufgedrückt.
Antwort: Ich habe mich zum Beispiel für die Personenfreizügigkeit eingesetzt. Viele Politiker haben mir gesagt, das Ja in der Volksabstimmung sei massgeblich mir zu verdanken gewesen. Ausserdem habe ich in einem entscheidenden Moment dafür gesorgt, dass der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die Reform der Invalidenversicherung mitgetragen hat.
Kommentar: DER VORWURF, SCHNEIDER-AMMANN HABE KEINEM EINZIGEN DOSSIER DEN STEMPEL AUFGEDRUECKT, WIDERLEGT ER MIT ZWEI KONKERTEN BEISPIELEN (PERSONENFREIZUEGIGKEIT UND REFORM DER INVALIDENVERSICHERUNG).
Frage: Häufige Abwesenheit und nur 14 Vorstösse in bald 10 Jahren- sehr engagiert waren Sie als Parlamentarier nicht.
Antwort: Ich habe sehr gezielt politisiert und versucht, Aufwand und Ertrag zu optimieren.
Kommentar: DEM VORWURF (HAEUFIGE ABWESENHEIT UND BESCHEIDENE ANZAHL VON VORSTOESSEN) BEGEGNET DER BUNDESRATSKANDIDAT MIT DEN ARGUMENTEN: ICH POLITISIERE GEZIELT UND EFFIZIENT (AUFWAND UND ERTRAG MUESSEN BEI MIR STIMMEN).
Frage: Sie haben keine politische Ochsentour durchlaufen, sondern mit einer teuren Kampagne direkt ein Nationalratsmandat ergattert. Ist das nicht ein Nachteil?
Antwort: Ich war schon vorher wirtschaftspolitisch tätig. Immerhin hatte ich zehn Jahre den Oberaargauischen Wirtschaftsverband präsidiert und sass auch schon in Arbeitgeberverbänden und Verwaltungsräten. KOMMENTAR: DIE ARBEIT VOR DER WAHL WIRD DETAILLIERT AUFGEZAEHLT: 10 JAHRE PRAESIDIUM IM OBERAARGAUISCHEN WIRTSCHAFTSVERBAND UND EINSITZ IN ARBEITGEBERVERBAENDEN UND VERWALTUNGSRAETEN. WAS SCHNEIDER-AMMANN STEHEN LAESST (VERSEHENTLICH?): DIE UNTERSTELLUNG, ER HABE MIT EINER TEUREN KAMPAGNE DIREKT EIN NATIONALRATSMANDAT ERGATTERT. VIELLEICHT STIMMT DIES AUCH, DANN WAERE ES JEDOCH KEINE UNTERSTELLUNG.
Frage: Sind Sie schlitzohrig genug, um als Bundesrat rechtzeitig die Fallen und Torpedierungsversuche der Kollegen zu erkennen?
Antwort: Taktische Spielchen und versteckte Agenden kenne ich aus meinem Betrieb tatsächlich nicht. Aber auch in einer permanent von Medien und Parteien begleiteten Regierung ist eine vertrauensfördernde Denk- und Gesprächskultur möglich. Genau dafür würde ich mich einsetzen. Im Übrigen merke ich schon, wenn mir jemand das Bein stellen will.
Kommentar: AUF DIE VERBALSTRATEGIE DES JOURNALISTEN, "SCHLITZORIGKEIT ALS NOTWENDIGE EIGENSCHAFT FUER DAS BUNDNESRATSAMT" VORAUSZUSETZEN, FAELLT SCHNEIDER - AMMANN NICHT HEREIN. MIT DEM HINWEIS, DASS ER SICH NICHT AUF SPIELCHEN UND VESTECKTE AKTIONEN FOKUSSIERE, SONDERN AUF EINE VERTRAUENSFOERDERNDE DENK- UND GESPRAECHSKULTUR AUSRICHTE, FINDE ICH ARGUMENTATIONSTAKTISCH VORBILDLICH. DASS ER NICHT NAIV SEI UND ERKENNE, WENN IHM JEMAND DAS BEIN STELLEN WOLLE, IST EBENFALLS KLUG.
Frage: Als Vertreter der "sympathischen" Werkplatz-Wirtschaft geniessen Sie landesweite Popularität. Als Bundesrat werden Sie häufig Buhmann sein.
Antwort: Wenn ich den Job gut mache und mich an die Spielregeln halte, bin ich mit mir selber im Reinen. So schützte ich mich schon heute vor fairen und unfairen Angriffen.
Kommentar: DIE BEHAUPTUNG - EIN BUNDESRAT WERDE AUTOMATISCH IMMER WIEDER ZUM BUHMANN - WIEDERHOLT SCHNEIDER - AMMANN NICHT. MIT DEM HINWEIS : WER DEN JOB GUT MACHT UND SICH AN SPIELREGELN HAELT, ENTKRAEFTET ER DIE UNTERSTELLTE BEHAUPTUNG. AUCH DER HINWEIS IST GESCHICKT, DASS ER SICH SCHON HEUTE VOR ANGRIFFEN SCHUETZE, INDEM MIT SICH SELBST IM REINEN SEI.
Frage: Sie haben öffentlich gesagt, harmoniebedürftig zu sein. Ist Ihre Haut dick genug für das Bundesratsamt?
Antwort: Ich scheue mich nicht vor Auseinandersetzungen und berechtigter Kritik.
Kommentar: AUF DIE NAGEBLICHE LOGIK: "HARMONIEBEDUERFTIG" = "DUENNE HAUT" WIRD NICHT EINGEGANGEN. MIT DER ANTWORT: "ICH SCHEUE MICH NICHT VOR AUSEINANDERSETZUNGEN UND KRITIK" IST DIE BILLIGE GLEICHUNG VOM TISCH.
Frage: Warum ist es wichtig, dass ein Unternehmer im Bundesrat sitzt?
Antwort: Als international tätiger Unternehmer habe ich Einblick in eine Welt, die in Bern nicht jeder kennt. Eine unternehmerische Denkweise tut dem Gremium gut. Ich bin es gewohnt, Risiken einzugehen, um Chancen zu eröffnen. Und ich weiss, dass man nur im Team ans Ziel kommt.
Kommentar: AUCH DIESE ANTWORT UEBERZUEGT. EIN KONKRETES BEISPIEL HAETTE ICH GESCHAETZT. MIT EINEM BEISPIEL KOENNEN ANSPRUCHSVOLLE WARUM - FRAGEN BESSER BEGRUENDET WERDEN.
Frage: Ihre Strassenbaumaschinen-Firma hat Geschäfte mit autoritären Regimes gemacht. Bedeutet mehr Unternehmersicht im Bundesrat weniger Rücksicht auf die Menschenrechte?
Antwort: Unsere Firma macht nur Geschäfte in Ländern, die vom grossen Teil der westlichen Wirtschaftswelt akzeptiert sind. Wir gehen nur dorthin, wo die Deutsche Bank aktiv ist. Unsere Grossbanken waren in den letzten Jahren in diesen Ländern etwas zurückhaltender - zu unserem wirtschaftlichen Nachteil.
Kommentar: AUF DIE HEIKLE ANSPIELUNGEN GEHT SCHNEIDER -- AMMANN NICHT EIN. ER BETONT LEDIGLICH: ES WERDEN NUR DORT GESCHAEFTE GEMACHT, WO DIE DEUTSCHE BANK AKTIV IST. DAMIT SCHEINT DAS THEMA MENSCHENRECHTE VOM TISCH. WAS IN ANTWORTEN GESAGT WIRD, MUSS BEKANNTLICH IMMER WAHR SEIN. ANGENOMMEN, DIE FIRMA MACHT FRAGWUERDIGE GESCHAEFTE MIT AUTORITAEREN STAATEN, SO WURDE MIT DIESER GESCHICKTEN ANTWORT NICHT GELOGEN. DER JOURNALIST MUSS ABER BEI SO EINER CLEVEREN AUSWEICHENDEN ANTWORT NACHHAKEN. DAS MACHT ER AUCH MIT FOLGENDEm KONKRETEN HINWEIS:
Frage: In der russischen Teilrepublik Tatarstan haben Sie durch Zusammenarbeit mit dem herrschenden Familienclan undemokratische Strukturen zementiert.
Antwort: Wir gehen in schwierigen Ländern sehr vorsichtig vor. Mit unseren Produkten helfen wir, die Infrastruktur aufzubauen. Gute Infrastruktur bewirkt eine gesellschaftliche Öffnung. Dadurch werden in solchen Ländern irgendeinmal auch die Menschenrechte zum Thema.
Kommentar: DER BUNDESRATKANDIDAT VERSUCHT BEI DIESER ANTWORT, DIE AUCH WAHR SEIN MUSS, GLAUBEN ZU MACHEN, DASS BEI VORSICHTIGEM VORGEHEN AUCH BEI FRAGWURDIGEN LAENDERN EINE GESELLSCHAFTLICHE OEFFNUNG BEWIRKT WERDEN KOENNE. SPAETER KOENNTEN DANN DIE MENSCHENRECHTSFRAGE IRGENDEINMAL THEMATISIERT WERDEN. DIESE ANTWORT IST ZWAR EINE GESCHICKTE ABFEDERUNGSANTWORT MIT EINER THESE, DIE MICH NICHT UEBERZEUGT. SIE IST ZU SCHWAMMIG: "IRGENDEINMAL?" WANN?


Johann N. Schneider- Ammann antwortet bedacht. Am Bildschirm wirkt er eher trocken. Er zeigt wenige Emotionen. Ich habe ihn noch nie begeistert gesehen. Er steht jedoch dazu, dass er generell wenig Emotionen zeige.In Printmedien schneidet Schneider- Ammann besser ab, als in den elektronischen Medien. dort wirkt er stets sachlich. Er will sich jedoch wie Simonetta Simaruga für konstruktive Lösungen einsetzen. Im Gegensatz zur neuen SP Bundesrätin ist Schneider - Ammann bei den Begriffen Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, lösungsorientiertes Zusammenarbeiten, Dialogik viel weniger konkret. Zudem wird er nicht als grossen Kommunikator einen Namen machen.


2. Zu Simonetta Sommarugas Medienrhetorik:



Nachdem bekannt wurde, dass die Berner SP Ständerätin Sommaruga zur Nachfolge Leuenbergers antreten will, musste sie sich in Dutzenden von Interview stellen, offensichtlich professionell vorbereitet, wiederholte sie in allen Medien, auch auf dem heissen Stuhl in der Rundschau vom Schweizer Fernsehen die Kernaussagen:
  • Ich arbeite lösungsorientiert und bin nicht aufs Polarisieren bedacht
  • Ich möchte bei der Bevölkerung verlorene Vertrauen wieder herstellen. Die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen in die Regierung hat 1. Priorität. Dann gilt es auch die Sozialwerke zu sichern und nach der Finanzkrise gilt es zu überlegen, was vorgekehrt werden muss, dass unser Staat nicht nochmals in die Geiselhaft von Grossbanken genommen werden kann.
  • Ich setze mich für die Schwächeren und die Konsumenten ein
  • Ich bin mir bewusst dass es bei der zunehmenden Personifizierung und Mediatisierung der politischen Tätigkeit, schwieriger geworden ist, Kollegialität zu pflegen, so dürfen Bundesräte nicht ihre persönliche Meinung ständig hinausposaunen
  • Ich bin überzeugte SP Politikerin, doch erlaube ich mir auch kritische Gedanken. Schon Helmut Hubacher hatte gesagt: Nur eine Partei die zwei Flügel hat, kann fliegen. Ich stehe zu meiner Meinung. In der SP darf man eine andere Sicht der Dinge einbringen. Man müsste mir eine Person nenne, die sagt, ich hätte keinen Rückhalt in der Partei. Es wäre ein Gräuel wenn man in einer Partei nur eine Meinung haben darf.
  • Ich würde mir auch als Bundesrätin Zeit nehmen zum Klavierspielen und Romane lesen. Ein Bundesrat soll nicht nur Akten lesen
  • Ich politisiere vorausschauend d.h. ich will immer zuerst die Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, auch im Zusammenhang mit dem bilateralen Weg mit Europa. Ich bin für eine offene Schweiz, für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern.
Sie verstand es ihre Kernbotschaften gekonnt zu wiederholen. In einem Interview vom 11. August 2010 erklärt die Kronfavoritin, was sie am Amt reizen würde und warum sie auch als Bundesrätin noch Klavier spielen würde.
Frau Sommaruga, was hat Sie zu Ihrem Entscheid bewogen? 

Er fiel mir nicht leicht, ich habe mir vier Wochen Bedenkzeit genommen.
Schliesslich entschied ich mich für die Kandidatur, weil ich
gerne dazu -beitragen möchte, dass der Bundesrat das Vertrauen der
Bevölkerung zurückgewinnt.

Was befähigt Sie in besonderem Ausmass dazu?

In meiner politischen Arbeit habe ich bewiesen, dass ich über die
Parteigrenzen hinweg-schauen kann. Die Lösung und nicht die sture
Ideologie steht für mich im Vordergrund.

Ärgert es Sie, dass Sie ausgerechnet von Ihren politischen Gegnern
ins Amt gewählt werden könnten?

Schon um in den Ständerat gewählt zu werden, waren Stimmen
aus anderen Lagern notwendig. Ich wehre mich aber dagegen, innerhalb
der SP an den Rand gedrückt zu werden. Ich bin gut verankert und
fände es sogar gefährlich, wenn es nicht ab und zu parteiinterne
Differenzen gäbe.

Man kennt Sie auch als Präsidentin der Stiftung für
Konsumentenschutz. Bleiben Sie -diesem Credo treu?

Ganz bestimmt. Dieses Engagement für die Schwächeren ist mir
sehr wichtig.  Ich erhalte täglich Reaktionen auf meine Funktion
und möchte die Nähe zu den Leuten auch als allfällige
Bundesrätin unbedingt beibehalten.

Sie sind ausgebildete Pianistin. Kämen Sie als Bundesrätin
noch zum Spielen?

Natürlich kann ich der Musik nicht so viel Zeit wie früher
widmen, sie ist aber immer noch ein wichtiger Bestandteil meines
Lebens. Mit Ständerat Rolf Schweiger habe ich sogar einmal ein
vierhändiges Ständchen gespielt.


Aus einem Interview im Tagesanzeiger:
Sie versichern, lange um Ihre Bundesratskandidatur gerungen zu haben.
Aber in Tat und Wahrheit haben Sie dieses Amt doch seit Jahren angestrebt.

So ist es nicht. Ich habe mir die Kandidatur in den letzten vier
Wochen sehr genau überlegt und mich mit meinen Ängsten
und Befürchtungen auseinandergesetzt. Ich habe mich gefragt, ob
ich diesem Amt gewachsen bin.  Ob ich meine politischen Stärken
im Bundesrat einbringen kann. Und ob mir als Bundesrätin genug
Freiräume und Zeit für Kreativität bleiben. Das war ein
sehr wichtiger Prozess für mich.

Freiräume? Kreativität?

Ich weiss, was für mich lebenswichtig ist: meine Partnerschaft, enge
Freundschaften, Klavier spielen, hin und wieder im Garten arbeiten. Und
ich will nicht nur Akten lesen, sondern auch Romane, Erzählungen
und Märchen.

Sie wollen dafür sorgen, dass die Bevölkerung das Vertrauen in
den Bundesrat zurückgewinnt. Mit diesem Anspruch sind schon Doris
Leuthard und Didier Burkhalter angetreten - und gescheitert. Warum soll
es Ihnen gelingen?

Es wäre vermessen, zu meinen, eine einzelne Person könnte
den Wandel schaffen. Aber ich will einen Beitrag leisten. Wenn genug
Bundesräte gewillt sind, daran zu arbeiten, wird das Vertrauen in
den Bundesrat zurückkehren.  Das passiert aber nicht von heute auf
morgen. Mit der starken Personalisierung und Mediatisierung der Politik
ist es schwierig geworden, Kollegialität zu leben.

Was beinhaltet Kollegialität?

Bundesräte sollen nicht ständig ihre persönliche Meinung
hinausposaunen oder gar öffentlich Kollegen schlechtmachen. Und
sie müssen bereit sein, sich auf Lernprozesse innerhalb der
Regierung einzulassen. Jeder soll mit seinen eigenen Vorstellungen in
die Diskussion steigen, aber immer im Bewusstsein, dass der andere recht
haben könnte. Zuhören, neugierig bleiben, sich aufeinander
zubewegen - solche gemeinsamen Lernprozesse faszinieren mich.

Es heisst, Sie hätten den Gemeinderatskollegen ständig in
deren Dossiers hineingeredet. Wollen Sie im Bundesrat besserwisserisch
überall eingreifen?

Gut vorbereitet sein, mitreden und mitgestalten - das erwarte ich von
jedem Mitglied einer Exekutive. Bundesräte sollen sich Gedanken
über die Geschäfte ihrer Kollegen machen. Entscheidend ist
aber die Art und Weise, wie sie sich einbringen. Falsch ist es, zuerst
an die Öffentlichkeit zu gelangen und erst dann im Kollegium zu
diskutieren. Damit eine Regierung funktioniert, sind zudem menschliche
Qualitäten wichtig. Man muss einander respektieren.

Die Medien stellen Sie als Lichtgestalt dar - als hochkompetente
Brückenbauerin mit Feingefühl und Kommunikationstalent. Ist
Ihnen die Topstar-Rolle nicht unheimlich?

Ich bin ein nüchterner Mensch. Heute wird man hochgejubelt und morgen
abgeschrieben - so funktionieren die Medien. In den nächsten Wochen
werden Dinge eine Rolle spielen, die ich nicht beeinflussen kann. Die
Parlamentarierinnen und Parlamentarier kennen mich als Person und wissen,
was ich geleistet habe. Wenn sie mich wählen, freut mich das. Aber
ich werde mich nicht verbiegen, um gewählt zu werden.

Keine Angst vor dem Obama-Syndrom? Davor, dass Sie die hoch gesteckten
Erwartungen nur enttäuschen können?

Es stimmt, ich spüre schon jetzt einen grossen Erwartungsdruck. Aber
es ist absurd, so zu tun, als könnte eine neue Bundesrätin
das ganze Land verändern. Eine solche Haltung führt
zwangsläufig zu Enttäuschungen.  Solange ich aber ich selber
bleibe, habe ich nicht das Gefühl, ungerechtfertigte Erwartungen
zu wecken und Menschen zu enttäuschen.


Analyse: Es gibt Redner und Rednerinnen, bei denen klingt die Stimme dann schrill, unangenehm oder nervös, wenn sie laut reden. Störend ist es, wenn sich dazu noch die Stimme überschlägt.

Störend ist es, wenn sich dazu noch die Stimme überschlägt. Wer auch noch unkoordiniert fuchtelt, überzeugt nicht. Viele Politikerinnen haben nicht gelernt, nicht in die Stimmfalle zu tappen. Simonetta Sommaruga hat auch eine recht hohe Stimme. Doch die Stimmfarbe ist angenehm. Sie spricht ausbalanciert und zurückhaltend sanft. Man hört gerne zu. Mir fiel auf, dass sie sich nie provozieren lässt. Sie versteht es - mit einem Lächeln, das die Aussage nicht abschwächt für sich einzunehmen.

Nach meinen Informationen nahm die Politikerin Schauspielunterricht und hat ein Stimmtraining hinter sich. Die Stimmbildung wirkt sich positiv auf die Stimmung aus, die sie verbreitet. Sommarugas Rhetorik beweist einmal mehr, dass Stimme und Art und Weise des Sprechens das Publikum oft stärker beeinflussen als der Inhalt. Bundesrat Furgler tappte beinahe in die Perfektionsfalle, er sprach zu perfekt. Simonetta Sommaruga müsste bei einer Wahl bedenken, dass jene Politiker, die sie wählen sollen, eine herausragende, zu perfekte Kollegin nicht mit Herzblut wählen.

Die protokollierten Interviews haben mich vor allem deshalb überzeugt, weil die Kandidatin die oben erwähnten Kernbotschaften konsequent wiederholt und geschickt in ihre Antworten einbaut.

Kommentar: Die Kandidatin betont, dass sie als Bundesrätin weiterhin Klavier spielen möchte, dass sie die Partnerschaft und ihre Freunde weiterhin voll und ganz pflegen werde. Auch wolle sie weiterhin ab und zu im Garten arbeiten. Ferner möchte sie sich auch noch Zeit nehmen, Romane, Erzählungen und Märchen zu lesen.

Wenn Simonetta Sommaruga dem Klavierspiel, der Unterhaltungslektüre und ihrer privaten Gesellschaft eine solch grosse Bedeutung zumisst - aber alle wissen, dass der Bundesrat ein sehr forderndes Geschäft ist - erlaube ich mir die Frage: Kann die Bundesrätin mit ihren Freiräumen den aufreibenden Job in der Praxis noch ungebremst ausüben?

Fazit: Nicht nur als Pianistin, auch bei den Auftritten trifft die neue Bundesrätin den richtigen Ton.




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