Das folgende Interview mit Johan Schneider-Ammann stammt aus dem
Tagesanzeiger vom 3. September, 2010. Es ist hier mit Kommentaren versehen:
Frage: Herr Schneider-Ammann, Sie gelten als erfolgreicher Unternehmer.
Aber sind Sie auch Politiker genug, um ein erfolgreicher Bundesrat
zu sein?
| Antwort: Ich bringe unternehmerisches Denken mit und bin authentisch,
offen und ehrlich. Diese Qualitäten kann man in der Politik ebenso
gebrauchen wie in der Wirtschaft. Das habe ich in meinen zehn Jahren
im Nationalrat gemerkt.
| Kommentar: SIND SIE POLITIKER GENUG...? DIESE FRAGE BEANTWORTET DER
BUNDESRATSKANDIDAT NICHT. DAFUER NENNT ER ALS ERSTES SEINE STAERKEN.
Sie haben im Nationalrat keinem einzigen Dossier den Stempel
aufgedrückt.
| Antwort: Ich habe mich zum Beispiel für die
Personenfreizügigkeit eingesetzt. Viele Politiker haben mir
gesagt, das Ja in der Volksabstimmung sei massgeblich mir zu verdanken
gewesen. Ausserdem habe ich in einem entscheidenden Moment dafür
gesorgt, dass der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die Reform der
Invalidenversicherung mitgetragen hat.
| Kommentar: DER VORWURF, SCHNEIDER-AMMANN HABE KEINEM EINZIGEN DOSSIER
DEN STEMPEL AUFGEDRUECKT, WIDERLEGT ER MIT ZWEI KONKERTEN BEISPIELEN
(PERSONENFREIZUEGIGKEIT UND REFORM DER INVALIDENVERSICHERUNG).
| Frage: Häufige Abwesenheit und nur 14 Vorstösse in bald 10
Jahren- sehr engagiert waren Sie als Parlamentarier nicht.
| Antwort: Ich habe sehr gezielt politisiert und versucht, Aufwand und
Ertrag zu optimieren.
| Kommentar: DEM VORWURF (HAEUFIGE ABWESENHEIT UND BESCHEIDENE ANZAHL
VON VORSTOESSEN) BEGEGNET DER BUNDESRATSKANDIDAT MIT DEN ARGUMENTEN:
ICH POLITISIERE GEZIELT UND EFFIZIENT (AUFWAND UND ERTRAG MUESSEN BEI
MIR STIMMEN).
| Frage: Sie haben keine politische Ochsentour durchlaufen, sondern mit
einer teuren Kampagne direkt ein Nationalratsmandat ergattert. Ist das
nicht ein Nachteil?
| Antwort: Ich war schon vorher wirtschaftspolitisch tätig. Immerhin
hatte ich zehn Jahre den Oberaargauischen Wirtschaftsverband
präsidiert und sass auch schon in Arbeitgeberverbänden und
Verwaltungsräten.
KOMMENTAR: DIE ARBEIT VOR DER WAHL WIRD DETAILLIERT AUFGEZAEHLT: 10
JAHRE PRAESIDIUM IM OBERAARGAUISCHEN WIRTSCHAFTSVERBAND UND EINSITZ
IN ARBEITGEBERVERBAENDEN UND VERWALTUNGSRAETEN. WAS SCHNEIDER-AMMANN
STEHEN LAESST (VERSEHENTLICH?): DIE UNTERSTELLUNG, ER HABE MIT EINER
TEUREN KAMPAGNE DIREKT EIN NATIONALRATSMANDAT ERGATTERT. VIELLEICHT
STIMMT DIES AUCH, DANN WAERE ES JEDOCH KEINE UNTERSTELLUNG.
| Frage: Sind Sie schlitzohrig genug, um als Bundesrat rechtzeitig die
Fallen und Torpedierungsversuche der Kollegen zu erkennen?
| Antwort: Taktische Spielchen und versteckte Agenden kenne ich aus meinem
Betrieb tatsächlich nicht. Aber auch in einer permanent von Medien
und Parteien begleiteten Regierung ist eine vertrauensfördernde Denk-
und Gesprächskultur möglich. Genau dafür würde ich
mich einsetzen. Im Übrigen merke ich schon, wenn mir jemand das
Bein stellen will.
| Kommentar: AUF DIE VERBALSTRATEGIE DES JOURNALISTEN, "SCHLITZORIGKEIT
ALS NOTWENDIGE EIGENSCHAFT FUER DAS BUNDNESRATSAMT" VORAUSZUSETZEN,
FAELLT SCHNEIDER - AMMANN NICHT HEREIN. MIT DEM HINWEIS, DASS ER SICH
NICHT AUF SPIELCHEN UND VESTECKTE AKTIONEN FOKUSSIERE, SONDERN AUF EINE
VERTRAUENSFOERDERNDE DENK- UND GESPRAECHSKULTUR AUSRICHTE, FINDE ICH
ARGUMENTATIONSTAKTISCH VORBILDLICH. DASS ER NICHT NAIV SEI UND ERKENNE,
WENN IHM JEMAND DAS BEIN STELLEN WOLLE, IST EBENFALLS KLUG.
| Frage: Als Vertreter der "sympathischen" Werkplatz-Wirtschaft geniessen
Sie landesweite Popularität. Als Bundesrat werden Sie häufig
Buhmann sein.
| Antwort: Wenn ich den Job gut mache und mich an die Spielregeln halte,
bin ich mit mir selber im Reinen. So schützte ich mich schon heute
vor fairen und unfairen Angriffen.
| Kommentar: DIE BEHAUPTUNG - EIN BUNDESRAT WERDE AUTOMATISCH IMMER WIEDER
ZUM BUHMANN - WIEDERHOLT SCHNEIDER - AMMANN NICHT. MIT DEM HINWEIS :
WER DEN JOB GUT MACHT UND SICH AN SPIELREGELN HAELT, ENTKRAEFTET ER DIE
UNTERSTELLTE BEHAUPTUNG. AUCH DER HINWEIS IST GESCHICKT, DASS ER SICH
SCHON HEUTE VOR ANGRIFFEN SCHUETZE, INDEM MIT SICH SELBST IM REINEN SEI.
| Frage: Sie haben öffentlich gesagt, harmoniebedürftig zu
sein. Ist Ihre Haut dick genug für das Bundesratsamt?
| Antwort: Ich scheue mich nicht vor Auseinandersetzungen und berechtigter
Kritik.
| Kommentar: AUF DIE NAGEBLICHE LOGIK: "HARMONIEBEDUERFTIG" = "DUENNE
HAUT" WIRD NICHT EINGEGANGEN. MIT DER ANTWORT: "ICH SCHEUE MICH NICHT
VOR AUSEINANDERSETZUNGEN UND KRITIK" IST DIE BILLIGE GLEICHUNG VOM TISCH.
| Frage: Warum ist es wichtig, dass ein Unternehmer im Bundesrat sitzt?
| Antwort: Als international tätiger Unternehmer habe ich Einblick in
eine Welt, die in Bern nicht jeder kennt. Eine unternehmerische Denkweise
tut dem Gremium gut. Ich bin es gewohnt, Risiken einzugehen, um Chancen
zu eröffnen. Und ich weiss, dass man nur im Team ans Ziel kommt.
| Kommentar: AUCH DIESE ANTWORT UEBERZUEGT. EIN KONKRETES BEISPIEL HAETTE
ICH GESCHAETZT. MIT EINEM BEISPIEL KOENNEN ANSPRUCHSVOLLE WARUM - FRAGEN
BESSER BEGRUENDET WERDEN.
| Frage: Ihre Strassenbaumaschinen-Firma hat Geschäfte mit
autoritären Regimes gemacht. Bedeutet mehr Unternehmersicht im
Bundesrat weniger Rücksicht auf die Menschenrechte?
| Antwort: Unsere Firma macht nur Geschäfte in Ländern, die vom
grossen Teil der westlichen Wirtschaftswelt akzeptiert sind. Wir gehen
nur dorthin, wo die Deutsche Bank aktiv ist. Unsere Grossbanken waren in
den letzten Jahren in diesen Ländern etwas zurückhaltender -
zu unserem wirtschaftlichen Nachteil.
| Kommentar: AUF DIE HEIKLE ANSPIELUNGEN GEHT SCHNEIDER -- AMMANN NICHT
EIN. ER BETONT LEDIGLICH: ES WERDEN NUR DORT GESCHAEFTE GEMACHT, WO
DIE DEUTSCHE BANK AKTIV IST. DAMIT SCHEINT DAS THEMA MENSCHENRECHTE
VOM TISCH. WAS IN ANTWORTEN GESAGT WIRD, MUSS BEKANNTLICH IMMER
WAHR SEIN. ANGENOMMEN, DIE FIRMA MACHT FRAGWUERDIGE GESCHAEFTE MIT
AUTORITAEREN STAATEN, SO WURDE MIT DIESER GESCHICKTEN ANTWORT NICHT
GELOGEN. DER JOURNALIST MUSS ABER BEI SO EINER CLEVEREN AUSWEICHENDEN
ANTWORT NACHHAKEN. DAS MACHT ER AUCH MIT FOLGENDEm KONKRETEN HINWEIS:
| Frage: In der russischen Teilrepublik Tatarstan haben Sie durch
Zusammenarbeit mit dem herrschenden Familienclan undemokratische
Strukturen zementiert.
| Antwort: Wir gehen in schwierigen Ländern sehr vorsichtig vor. Mit
unseren Produkten helfen wir, die Infrastruktur aufzubauen. Gute
Infrastruktur bewirkt eine gesellschaftliche Öffnung. Dadurch werden
in solchen Ländern irgendeinmal auch die Menschenrechte zum Thema.
| Kommentar: DER BUNDESRATKANDIDAT VERSUCHT BEI DIESER ANTWORT,
DIE AUCH WAHR SEIN MUSS, GLAUBEN ZU MACHEN, DASS BEI VORSICHTIGEM
VORGEHEN AUCH BEI FRAGWURDIGEN LAENDERN EINE GESELLSCHAFTLICHE OEFFNUNG
BEWIRKT WERDEN KOENNE. SPAETER KOENNTEN DANN DIE MENSCHENRECHTSFRAGE
IRGENDEINMAL THEMATISIERT WERDEN. DIESE ANTWORT IST ZWAR EINE GESCHICKTE
ABFEDERUNGSANTWORT MIT EINER THESE, DIE MICH NICHT UEBERZEUGT. SIE IST
ZU SCHWAMMIG: "IRGENDEINMAL?" WANN?
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Johann N. Schneider- Ammann antwortet bedacht. Am Bildschirm
wirkt er eher trocken. Er zeigt wenige Emotionen. Ich habe ihn noch nie
begeistert gesehen. Er steht jedoch dazu, dass er generell wenig Emotionen
zeige.In Printmedien schneidet Schneider- Ammann besser ab, als in den
elektronischen Medien. dort wirkt er stets sachlich. Er will sich jedoch
wie Simonetta Simaruga für konstruktive Lösungen einsetzen. Im
Gegensatz zur neuen SP Bundesrätin ist Schneider - Ammann bei den
Begriffen Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit,
lösungsorientiertes Zusammenarbeiten, Dialogik viel weniger
konkret. Zudem wird er nicht als grossen Kommunikator einen Namen machen.
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2. Zu Simonetta Sommarugas Medienrhetorik:
Nachdem bekannt wurde, dass die Berner SP Ständerätin Sommaruga
zur Nachfolge Leuenbergers antreten will, musste sie sich in Dutzenden von
Interview stellen, offensichtlich professionell vorbereitet, wiederholte
sie in allen Medien, auch auf dem heissen Stuhl in der Rundschau vom Schweizer
Fernsehen die Kernaussagen:
- Ich arbeite lösungsorientiert und bin nicht aufs Polarisieren bedacht
- Ich möchte bei der Bevölkerung verlorene Vertrauen wieder
herstellen. Die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen in die Regierung
hat 1. Priorität. Dann gilt es auch die Sozialwerke zu sichern und
nach der Finanzkrise gilt es zu überlegen, was vorgekehrt werden
muss, dass unser Staat nicht nochmals in die Geiselhaft von Grossbanken
genommen werden kann.
- Ich setze mich für die Schwächeren und die Konsumenten ein
- Ich bin mir bewusst dass es bei der zunehmenden Personifizierung und
Mediatisierung der politischen Tätigkeit, schwieriger geworden ist,
Kollegialität zu pflegen, so dürfen Bundesräte nicht ihre
persönliche Meinung ständig hinausposaunen
- Ich bin überzeugte SP Politikerin, doch erlaube ich mir auch
kritische Gedanken. Schon Helmut Hubacher hatte gesagt: Nur eine Partei
die zwei Flügel hat, kann fliegen. Ich stehe zu meiner Meinung. In
der SP darf man eine andere Sicht der Dinge einbringen. Man müsste
mir eine Person nenne, die sagt, ich hätte keinen Rückhalt in
der Partei. Es wäre ein Gräuel wenn man in einer Partei nur
eine Meinung haben darf.
- Ich würde mir auch als Bundesrätin Zeit nehmen zum
Klavierspielen und Romane lesen. Ein Bundesrat soll nicht nur Akten lesen
- Ich politisiere vorausschauend d.h. ich will immer zuerst die
Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, auch im Zusammenhang mit dem
bilateralen Weg mit Europa. Ich bin für eine offene Schweiz,
für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern.
Sie verstand es ihre Kernbotschaften gekonnt zu wiederholen.
In einem Interview
vom 11. August 2010 erklärt die Kronfavoritin, was sie am Amt reizen würde und warum sie auch
als Bundesrätin noch Klavier spielen würde.
Frau Sommaruga, was hat Sie zu Ihrem Entscheid bewogen?
Er fiel mir nicht leicht, ich habe mir vier Wochen Bedenkzeit genommen.
Schliesslich entschied ich mich für die Kandidatur, weil ich
gerne dazu -beitragen möchte, dass der Bundesrat das Vertrauen der
Bevölkerung zurückgewinnt.
Was befähigt Sie in besonderem Ausmass dazu?
In meiner politischen Arbeit habe ich bewiesen, dass ich über die
Parteigrenzen hinweg-schauen kann. Die Lösung und nicht die sture
Ideologie steht für mich im Vordergrund.
Ärgert es Sie, dass Sie ausgerechnet von Ihren politischen Gegnern
ins Amt gewählt werden könnten?
Schon um in den Ständerat gewählt zu werden, waren Stimmen
aus anderen Lagern notwendig. Ich wehre mich aber dagegen, innerhalb
der SP an den Rand gedrückt zu werden. Ich bin gut verankert und
fände es sogar gefährlich, wenn es nicht ab und zu parteiinterne
Differenzen gäbe.
Man kennt Sie auch als Präsidentin der Stiftung für
Konsumentenschutz. Bleiben Sie -diesem Credo treu?
Ganz bestimmt. Dieses Engagement für die Schwächeren ist mir
sehr wichtig. Ich erhalte täglich Reaktionen auf meine Funktion
und möchte die Nähe zu den Leuten auch als allfällige
Bundesrätin unbedingt beibehalten.
Sie sind ausgebildete Pianistin. Kämen Sie als Bundesrätin
noch zum Spielen?
Natürlich kann ich der Musik nicht so viel Zeit wie früher
widmen, sie ist aber immer noch ein wichtiger Bestandteil meines
Lebens. Mit Ständerat Rolf Schweiger habe ich sogar einmal ein
vierhändiges Ständchen gespielt.
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Aus einem
Interview im Tagesanzeiger:
Sie versichern, lange um Ihre Bundesratskandidatur gerungen zu haben.
Aber in Tat und Wahrheit haben Sie dieses Amt doch seit Jahren angestrebt.
So ist es nicht. Ich habe mir die Kandidatur in den letzten vier
Wochen sehr genau überlegt und mich mit meinen Ängsten
und Befürchtungen auseinandergesetzt. Ich habe mich gefragt, ob
ich diesem Amt gewachsen bin. Ob ich meine politischen Stärken
im Bundesrat einbringen kann. Und ob mir als Bundesrätin genug
Freiräume und Zeit für Kreativität bleiben. Das war ein
sehr wichtiger Prozess für mich.
Freiräume? Kreativität?
Ich weiss, was für mich lebenswichtig ist: meine Partnerschaft, enge
Freundschaften, Klavier spielen, hin und wieder im Garten arbeiten. Und
ich will nicht nur Akten lesen, sondern auch Romane, Erzählungen
und Märchen.
Sie wollen dafür sorgen, dass die Bevölkerung das Vertrauen in
den Bundesrat zurückgewinnt. Mit diesem Anspruch sind schon Doris
Leuthard und Didier Burkhalter angetreten - und gescheitert. Warum soll
es Ihnen gelingen?
Es wäre vermessen, zu meinen, eine einzelne Person könnte
den Wandel schaffen. Aber ich will einen Beitrag leisten. Wenn genug
Bundesräte gewillt sind, daran zu arbeiten, wird das Vertrauen in
den Bundesrat zurückkehren. Das passiert aber nicht von heute auf
morgen. Mit der starken Personalisierung und Mediatisierung der Politik
ist es schwierig geworden, Kollegialität zu leben.
Was beinhaltet Kollegialität?
Bundesräte sollen nicht ständig ihre persönliche Meinung
hinausposaunen oder gar öffentlich Kollegen schlechtmachen. Und
sie müssen bereit sein, sich auf Lernprozesse innerhalb der
Regierung einzulassen. Jeder soll mit seinen eigenen Vorstellungen in
die Diskussion steigen, aber immer im Bewusstsein, dass der andere recht
haben könnte. Zuhören, neugierig bleiben, sich aufeinander
zubewegen - solche gemeinsamen Lernprozesse faszinieren mich.
Es heisst, Sie hätten den Gemeinderatskollegen ständig in
deren Dossiers hineingeredet. Wollen Sie im Bundesrat besserwisserisch
überall eingreifen?
Gut vorbereitet sein, mitreden und mitgestalten - das erwarte ich von
jedem Mitglied einer Exekutive. Bundesräte sollen sich Gedanken
über die Geschäfte ihrer Kollegen machen. Entscheidend ist
aber die Art und Weise, wie sie sich einbringen. Falsch ist es, zuerst
an die Öffentlichkeit zu gelangen und erst dann im Kollegium zu
diskutieren. Damit eine Regierung funktioniert, sind zudem menschliche
Qualitäten wichtig. Man muss einander respektieren.
Die Medien stellen Sie als Lichtgestalt dar - als hochkompetente
Brückenbauerin mit Feingefühl und Kommunikationstalent. Ist
Ihnen die Topstar-Rolle nicht unheimlich?
Ich bin ein nüchterner Mensch. Heute wird man hochgejubelt und morgen
abgeschrieben - so funktionieren die Medien. In den nächsten Wochen
werden Dinge eine Rolle spielen, die ich nicht beeinflussen kann. Die
Parlamentarierinnen und Parlamentarier kennen mich als Person und wissen,
was ich geleistet habe. Wenn sie mich wählen, freut mich das. Aber
ich werde mich nicht verbiegen, um gewählt zu werden.
Keine Angst vor dem Obama-Syndrom? Davor, dass Sie die hoch gesteckten
Erwartungen nur enttäuschen können?
Es stimmt, ich spüre schon jetzt einen grossen Erwartungsdruck. Aber
es ist absurd, so zu tun, als könnte eine neue Bundesrätin
das ganze Land verändern. Eine solche Haltung führt
zwangsläufig zu Enttäuschungen. Solange ich aber ich selber
bleibe, habe ich nicht das Gefühl, ungerechtfertigte Erwartungen
zu wecken und Menschen zu enttäuschen.
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Analyse:
Es gibt Redner und Rednerinnen, bei denen klingt die Stimme dann
schrill, unangenehm oder nervös, wenn sie laut reden. Störend
ist es, wenn sich dazu noch die Stimme überschlägt.
Störend ist es, wenn sich dazu noch die
Stimme überschlägt. Wer auch noch unkoordiniert fuchtelt,
überzeugt nicht. Viele Politikerinnen haben nicht gelernt, nicht in
die Stimmfalle zu tappen. Simonetta Sommaruga hat auch eine recht hohe
Stimme. Doch die Stimmfarbe ist angenehm. Sie spricht ausbalanciert und
zurückhaltend sanft. Man hört gerne zu. Mir fiel auf, dass sie
sich nie provozieren lässt. Sie versteht es - mit einem Lächeln,
das die Aussage nicht abschwächt für sich einzunehmen.
Nach meinen Informationen nahm die Politikerin Schauspielunterricht
und hat ein Stimmtraining hinter sich. Die Stimmbildung wirkt sich
positiv auf die Stimmung aus, die sie verbreitet. Sommarugas Rhetorik
beweist einmal mehr, dass Stimme und Art und Weise des Sprechens das
Publikum oft stärker beeinflussen als der Inhalt. Bundesrat Furgler
tappte beinahe in die Perfektionsfalle, er sprach zu perfekt. Simonetta
Sommaruga müsste bei einer Wahl bedenken, dass jene Politiker,
die sie wählen sollen, eine herausragende, zu perfekte Kollegin
nicht mit Herzblut wählen.
Die protokollierten Interviews haben mich vor allem deshalb
überzeugt, weil die Kandidatin die oben erwähnten
Kernbotschaften konsequent wiederholt und geschickt in ihre Antworten
einbaut.
Kommentar: Die Kandidatin betont, dass sie als
Bundesrätin weiterhin Klavier spielen möchte, dass sie die
Partnerschaft und ihre Freunde weiterhin voll und ganz pflegen werde. Auch
wolle sie weiterhin ab und zu im Garten arbeiten. Ferner möchte sie
sich auch noch Zeit nehmen, Romane, Erzählungen und Märchen
zu lesen.
Wenn Simonetta Sommaruga dem Klavierspiel, der Unterhaltungslektüre
und ihrer privaten Gesellschaft eine solch grosse Bedeutung zumisst -
aber alle wissen, dass der Bundesrat ein sehr forderndes Geschäft
ist - erlaube ich mir die Frage: Kann die Bundesrätin mit ihren
Freiräumen den aufreibenden Job in der Praxis noch ungebremst
ausüben?
Fazit: Nicht nur als Pianistin, auch bei den Auftritten trifft die neue
Bundesrätin den richtigen Ton.
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