Buch Deckel
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Kurt Imhof
publizierte mit einem grösseren Autorenteam ein Jahrbuch über die Qualität der Medien.
Diese wissenschaftliche Standortbestimmung macht bewusst, dass in der
Medienwelt die Vielfalt mehr und mehr durch Einfalt verdrängt wird.
Der Landbote fragt: "Belasten schlechte Medien die Demokratie?"
Onlineportale und Gratisblätter zerstören die Qualität
der Schweizer Medien - zu diesem Befund kommt eine Studie von
Wissenschaftern um den Zürcher Soziologen Kurt Imhof. Darunter
leide die Demokratie. Während Polanski und Hirschmann die
Spalten füllten, gerieten internationale Probleme aus dem
Blickfeld.
"Die publizistische Tradition in der Schweiz steckt in einer tiefen
Krise", sagte Co-Autor Kurt Imhof am Freitag vor den Medien in Bern.
Die Studie, die als Jahrbuch mit dem Titel "Qualität der
Medien - Schweiz, Suisse, Svizzera" erschien, geht denn mit der
Schweizer Medienlandschaft auch hart ins Gericht.
Die wachsende Gratiskultur mit Onlineportalen und Gratiszeitungen
führe zusammen mit dem Spardruck zu einer "Erosion der
Qualität". Da diese auch kostenpflichtige Titel und Sender
betreffe, leide die Demokratie, folgern die Wissenschafter.
Statt ausgewogen über politische Debatten zu berichten und
Ereignisse einzuordnen, würden die Informationsmedien zunehmend
auf Einzelereignisse fokussieren, Konflikte personalisieren und
moralisch-emotional berichten.
Co-Autor Mark Eisenegger bemängelte unter anderem, dass in den
letzten Monaten wenige Topthemen aus dem Softbereich wie der
Hausarrest von Regisseur Roman Polanski oder das Privatleben des
Zürcher Clubbesitzers Carl Hirschmann die Medien beherrschten.
"Auf der anderen Seite geraten internationale Probleme immer mehr
aus dem Blickfeld", sagte Eisenegger.
(...)
Den Forschern geht es um eine politische, inhaltliche Frage:
Unterrichten die Schweizer Medien die Bevölkerung so, dass die
Bürger wohl informiert an den demokratischen Prozessen teilnehmen
können? Folgende Tendenzen werden herausgeschält:
- In allen Mediengattungen wächst das Angebot an Klatsch bzw.
an so genannten Softnews, welche die klassischen publizistischen
Kernthemen Politik, Wirtschaft und Kultur zurückdrängen.
- Die Nachhaltigkeit der Berichterstattung lässt nach.
Episodische, auf Personen, Konflikte und Katastrophen zugespitzte
Informationen nehmen zu.
- Obwohl die Welt zusammenwächst, schotten sich die Medien ab,
indem sie die Auslandberichterstattung stark abbauten. "Die grossartige
Tradition der schweizerischen Auslandberichterstattung bricht ein",
notiert das Jahrbuch.
- Die Wirtschaftsinformation bleibt mangelhaft.
- Der Erfolg der Gratiszeitungen und die Gratisangebote im Internet
senkten unter den Konsumenten das Bewusstsein dafür, dass
Informationsqualität etwas kostet.
- Die Einbruch bei den Werbeeinnahmen erschwert die Finanzierung
der redaktionellen Leistungen.
- Die Bedeutung derjenigen Medientitel, die wenig zur
Informationsqualität beitragen, wird weiter wachsen.
- Der recherchierende, einordnende Journalismus gerät weiter
unter Druck.
- Auch die Presse orientiert sich vermehrt an den
Unterhaltungsbedürfnissen der Medienkonsumenten "statt an
Informationsbedürfnissen der Staatsbürger". Diese Trends
gefährden nach Ansicht von Imhof das Funktionieren der Demokratie
in der Schweiz.
Mit seinen Forschungsdaten will er nun die Diskussion über
Aufgabe und Qualität der Medien fördern. Der von ihm
geleitete Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft
der Universität Zürich hat die Ergebnisse in einem
370-seitigen Jahrbuch zusammengefasst, das Informationen enthält
zu Besitzverhältnissen, Bilanzen, Publikumsverhalten und
politischen Rahmenbedingungen sowie Analysen der Themen- und
Informationsakzente, welche die verschiedenen Medientitel setzen.
Die Daten werden künftig laufend im Internet aktualisiert
(www.qualitaet-der-medien.ch). Gedruckte Jahresbilanzen sollen
auch in den kommenden Jahren erscheinen.
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