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www.rhetorik.ch aktuell: (28. Jul, 2010)

Lernen von Bernhard Russi

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Die folgenden Ausschnitte aus einem Interview im Swiss Management Network mit Bernhard Russi mit Christian Düblin, zeigen ein paar Gründe auf, die den Spitzensportler Bernhard Russi auch medienmässig zum Sieger gemacht haben:

  • Auf dem Boden bleiben. Trotz Erfolg nicht abheben.
  • Bescheiden bleiben, sich bewusst sein, dass ein Sieg auch Glück braucht.
  • Authentisch bleiben und sich nur für Dinge hingeben, die auch logisch sind.
  • Als bekannte Persönlichkeit keine Politik machen.




Christian Düblin Bernhard Russi
Sie gehören zu den prominentesten Menschen in der Schweiz, von denen man sagt, sie seien mit beiden Füssen auf dem Boden geblieben. Eine weitere solche Persönlichkeit ist sicher auch Roger Federer. Was hat Sie nebst Ihren Eltern und Ihrem Umfeld davor bewahrt, trotz Ihrer sowohl sportlichen als auch unternehmerischen Erfolge abzuheben? Ich bin tatsächlich immer sehr bewusst auf dem Boden geblieben. Das habe ich nicht getan, weil ich das etwa als öffentlichkeitswirksam betrachtet hätte, sondern weil es meiner Natur als Mensch und meiner Einstellung dem Leben gegenüber entspricht. Ich hatte nie das Gefühl, ich sei der Beste. Wohl hatte ich aber immer wieder das Gefühl, dass ich ein Rennen gewinnen kann. 1972 beispielsweise wusste ich nach einem intensiven Training, dass ich an den Olympischen Spielen in Sapporo gewinnen könnte, wenn ich mein Bestes gebe. Ich war aber immer auch sehr realistisch eingestellt. Mir war klar, dass ein solcher Sieg auch nur eine Momentanaufnahme ist. Gewinnt jemand ein Skirennen, dann war er in den wenigen Minuten des Rennens der Beste. Wäre das Rennen später durchgeführt worden, wäre das möglicherweise schon nicht mehr der Fall. Das hat im Übrigen auch dazu geführt, dass ich schon bald angefangen habe mich nicht nur auf mich selber, sondern mich selber vor meinen eigenen Fahrten auf die Fehler meiner sportlichen Gegner zu konzentrieren und diese genau zu analysieren. Ohne die Fehler meiner sportlichen Gegner konnte ich nicht gewinnen. Diese Einstellung und Vorgehensweise hat Vor- und Nachteile: Vorteil ist, dass man dabei vor grausamen Abstürzen nach Niederlagen verschont wird. Nachteil ist, dass man diesen Siegesrausch nicht so erlebt, wie das andere tun. Dieses Gefühl des Rausches ist ein "Extremgefühl" und es kann hilfreich sein, Seriengewinne zu erringen. Menschen, die so veranlagt sind, glauben, was ihnen ihr Umfeld einflösst. Sie riskieren aber, irgendwann den Sinn für die Realität zu verlieren. Davor habe ich mich selber geschützt.
Sie gehören zu den wenigen Menschen, denen nach einer Sportkarriere auch weitere Karrieren gelungen sind. Sie sind in der Öffentlichkeit sehr bekannt und fast jeder Schweizer kennt Ihr Gesicht. Wie erklären Sie sich diesen Umstand? Mir ist heute klar, dass die Schweiz zum Zeitpunkt, als ich meine ersten Siege verzeichnen konnte, ein skisportmässig gebeuteltes Land war. Die Österreicher und Franzosen waren uns damals überlegen und in der Schweiz wartete man auf Siegerinnen und Sieger aus der Schweiz. Das war auch die Zeit, als die Fernsehübertragungen von Skirennen fulminant zunahmen. Sie erinnern sich, dass damals, wenn kein Skirennen ausgestrahlt wurde, das Testbild auf dem Fernseher erschien. Das waren noch ganz andere Zeiten. Ich rutschte als junger Sportler genau in diese Phase der Faszination für Direktübertragungen rein und mein Bekanntheitsgrad wurde deshalb auch sehr gross. Darum kennen mich aus dieser Zeit auch noch alle Menschen. Dazu kam, dass man ein Idol haben wollte, das sportlich sehr gut, aber auch zurückhaltend und anständig war. Das waren sehr schweizerische Ansprüche, die ich erfüllen konnte, ohne mich selber verstellen zu müssen. Später hatte ich immer wieder in der Öffentlichkeit Auftritte bis hin zu Fernsehshows, die ich aber alle nicht geplant hatte. Ich rutschte in einem gewissen Sinne einfach in diese Welt hinein und machte das Beste daraus.
Nicht selten passiert es, dass junge Talente von den Medien missbraucht werden und die Höhen und Tiefen der Medienwelt zu spüren bekommen. Sie haben in Sachen Öffentlichkeitsarbeit sehr viel mitbekommen und viel gelernt. Was raten Sie heute jungen Nachwuchssportlern im Umgang mit den Medien?

Diese Menschen müssen ein professionelles Verständnis der Medienwelt haben. Das ist eine Grundvoraussetzung, um gut mit ihnen arbeiten zu können. Dazu gehört zu verstehen, dass man sich gegenseitig braucht. Die jungen Sportler und die Medien sind aufeinander angewiesen. Sie beleben sich. Man soll sich aber nicht verschenken und gerade in der Schweiz tut man gut daran, etwas zurückhaltend zu sein. Die Schweiz ist sehr klein und wenn man Aussagen nicht dosiert, dann sind sie schon zuviel. Jede Aussage ist eigentlich schon zuviel. Deshalb rate ich jungen Sportlern, sich über die Mechanismen der Medien und ihre eigenen Rollen, die sie in den Medien spielen wollen, frühzeitig Gedanken zu machen.


Alle Menschen, die auf die "Bühne" gehen wollen und Spitzenresultate anstreben, wollen im Fokus der Zuschauer stehen. Sie suchen alle nach Anerkennung. Ich bin dem Sportler oder Star, der das nicht möchte, noch nicht begegnet. Wenn sich eine solche Person dann beklagt, er habe kein Privatleben mehr, dann ist das nicht ganz aufrichtig, denn diese Person hat mit ihren Erfolgen diesen Fokus der Zuschauer und damit auch der Medien gewollt und auf sich gezogen. Es fragt sich dann einfach, wie man damit umgehen soll. Die vielen Fans, die in der Zielgeraden oder auch in einem Fussballstadion sitzen, lieben ihre Idole. Sie lieben die sportliche Leistung, aber oft auch die Ausstrahlung dieser Menschen. Darum haben sie auch ein gewisses Anrecht, etwas über diese Person zu erfahren.
Diese jungen Menschen müssen sich oft auch, und wollen sich oft auch, vermarkten. Was haben Sie in Ihrem Leben in Bezug auf das "Sichvermarkten" festgestellt und wo sehen Sie selber Grenzen bei der Vermarktung von sich selbst?

Für mich war es immer wichtig, dass ich authentisch bleiben konnte und ich mich für etwas einsetzte und hingab, was auch logisch war. Was soll Bernhard Russi mit einem Waschmittel? Das wäre möglich gewesen, hätte mir aber keine Freude bereitet, da es mit mir selber weder sportlich noch technisch gesehen zu tun hat. Für mich war die Anfrage für ein Unternehmen der Zigarettenindustrie ein Thema, das mich bis heute beschäftigt. Für diesen mir angebotenen Werbeauftrag hätte ich ein X-faches von dem verdient, was ich heute für andere Werbeaufträge und andere Tätigkeiten bekomme. Man sah mich in der Rolle des Sportlers, der sich zwar für einen Nichtraucher ausgab, dabei aber betonte, dass, wenn man schon rauchen würde, doch diese eine Marke bevorzugen sollte. Mir war klar, dass diese Aufgabe nicht funktioniert hätte, denn man muss für das, wofür man wirbt, auch wirklich einstehen und authentisch bleiben können. Dieses Werbe-Projekt hätte sich für mich, aber auch für das Zigarettenunternehmen, negativ ausgewirkt. Ich sagte das Angebot deshalb auch ab und bin heute sehr froh über diesen Entscheid.


Für mich war es immer wichtig, dass solche Werbetätigkeiten nachhaltig und langfristig angelegt sind. Werbeaufträge müssen, damit sie auch tragen und ihre Wirkung erzielen, mehrere Jahre laufen. Auch darüber muss man sich Gedanken machen, wenn es um die Auswahl von Werbeauftritten geht. Man tut im Übrigen gut daran, die Gier nach Geld runterzuschrauben.
Es fällt auf, dass Sie als bekannte Persönlichkeit keine politischen Aussagen machen. Mir ist nicht bekannt, dass Sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt über politische Geschehnisse geäussert hätten. Sind Sie kein politischer Mensch oder haben Sie schlicht kein Bedürfnis, Ihre Meinung kundzutun? Das ist ein sehr interessanter Aspekt des Lebens in der Öffentlichkeit, den Sie hier anschneiden. Ich stehe in der Öffentlichkeit und frage mich natürlich auch immer wieder, was der Grund dafür ist.

Es ist in erster Linie der Sport, der mir eine Fläche in der Öffentlichkeit bietet. Die Menschen, die mir zuhören, interessiert, was ich zu sportlichen Ereignissen zu sagen habe oder warum ich eine Skipiste so und nicht anders konzipiert habe. Wenn ich aus dieser Funktion heraus plötzlich anfange, politische Aussagen zu machen, die ich natürlich als politisch denkender Mensch machen könnte, mische ich plötzlich in Angelegenheiten mit, die von mir als Sportler, Moderator oder Architekt von Skipisten nicht erwartet und nicht gewünscht werden. Ich würde mich plötzlich auf einem Terrain bewegen müssen, auf dem ich kein Spezialist mehr bin. Das wäre meinen Fans und meinen Zuhörern gegenüber nicht fair.


Ich würde mich aber als Stammtischpolitiker bezeichnen und spreche in meinem Kollegen- und Freundeskreis sehr oft über Politik. Ich habe mich im Übrigen einmal für ein politisches Statement hinreissen lassen. Es ging um eine Initiative über Jugendliche und Drogen. Egal, ob das eine gute Initiative oder Sache war oder nicht, ich habe erlebt, wie ich plötzlich als Aushängeschild zu einem Thema in der Öffentlichkeit Aussagen hätte machen müssen, für das mir auch das Spezialwissen gefehlt hat. Daraus habe ich meine Lehren gezogen.




Nachtrag vom 20. Dezember, 2011:

Aufritte: Lernen von Christian Amsler



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