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www.rhetorik.ch aktuell: (19. Jul, 2010)

Calmy-Rey rezitiert Mani Matter

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Das Problemdossier unserer Aussenministerin Michelin Calmy-Rey ist derzeit recht gross: Ende Juni hätte sie den Europa Bericht vorlegen sollen. Dann ist das das brisante Libyen-Dossier. Eine ständerätliche Subkommission der GPK arbeitet an einem Bericht, der die Öffentlichkeit über die Aktionen des Bundesrates aufklären soll. Vor allem der Vorwurf, Calmy-Rey habe den Bundesrat nicht über eine angebliche geplante Befreiunsaktion der Geiseln orientiert, belastet die Bundesrsätin.
Dene wos guet geit

Dene wos gute geit, giengs besser,
giengs dände besser,
wo's weniger guet geit.
Was aber nid geit,
ohni dass dene
weniger guet geit,
wos guet geit.
Drum geit weni,
für dass es dene
besser geit,
wos weniger guet geit.
Und drum geits o
dene nid besser,
wo's guet geit.  
Die Aussenministerin hat im "Donnerstag-Jass" vom Schweizer Fernsehen ihre Begabung als zum Berndeutsch Sprechen zur Schau gestellt und die Umverteilungshymne "Dene wos goet geit" von Mani Matter gelesen. Mit dem Vers konnte sie eine zur SP passende Botschaft vor einem grossen Publikum vermittln. Im Parlament kam nach "So Blick" die Strategie nicht überall gut an: Nationalrätin Markwalder stellte die Frage, ob die Bundesrätin, angesichts der hängigen politischen Probleme fähig ist, die Prioritäten richtig zu setzen. Nationalrat Christoph Mörgeli verglich die Aussenministerin gar mit Zarah Leander, die während der Nazi Diktatur, Durchhaltelieder zum Besten gab. (Mörgeli selbst ist in Sachen "Unangebrachte Nazi Vergleichen" offensichtlich ein gebranntes Kind, denn er wurde zum "Scherz" vom damaligen Bundesrat Couchepin einmal mit Mengele in Verbindung gebracht.)

Schon beim letzten Auftritt hatte man das Gefühl, dass sich die Bundesrätin all zu oft vom Virus "Mediengeilheit" anstecken liess. Immerhin vermittelt die Politikerin beim kommenden Auftritt mit dem Lied eine politische Botschaft.

Nachtrag vom 24. Juli: Der Tagesanzeiger schreibt in der TV Kritik zum Auftritt Calmy-Reys:

Vor drei Jahren sang sie schon mal und nun sollte sie es wieder tun: Micheline Calmy-Rey. Was die Bundesrätin aus Mani Matters Lied "Dene, wo's guet geit" machte, klang jedoch überhaupt nicht nach Musik. Micheline Calmy-Reys "musikalischer" Auftritt beim Donnschtig-Jass enttäuschte. "Ja", strahlte Bundesrätin Calmy-Rey mit ihrem typischen Micheline-Grinsen, als Monika "Dirndl" Fasnacht sie zu Beginn der Sendung fragte, ob sie denn Musik möge. Dann wies die Jasserin der Nation betont geheimnisvoll darauf hin, dass Musik später noch eine Rolle spiele werde und Mundart ebenso. Das wussten die Zuschauerinnen und Zuschauer natürlich längst. Schon vor Tagen hatten alle grossen Zeitungen und Newsportale getitelt, dass Micheline Calmy-Rey das Mundartlied singen werde. Nun konnte es losgehen mit der Runde Nummer 1 zwischen Altdorf und Andermatt. Für alle, die mit Jassen wenig am Hut haben und eigentlich nur die Bundesrätin singen hören wollten, wurde es nun ein wenig langweilig. Nach Runde 1 fing es jedoch an zu stürmen und Micheline Calmy-Rey war wieder im Bild. Singt sie nun? Noch nicht. Klischees und rosa Hütchen Runde 2 im Donnschtig Jass. Trinkpause für die Jass-Banausen. Der Sturm in Visp wurde immer heftiger, die Wolken immer dunkler. "Der ganze Tisch wackelt ja!", klagte Monika Fasnacht. Hoffentlich muss die Sendung nicht abgebrochen werden, dachte man sich auf dem heimischen Sofa. Calmy-Rey muss doch noch singen! Inzwischen goss es in Visp wie aus Kübeln, Micheline Calmy-Rey grinste jedoch immer noch, selbst beim Auftritt des Komikerduos "Hösli & Sturzenegger", die Gags auf Lager hatten, wie sie in jedem schlechten Witzbuch stehen. Dann wurde es ernst. 64 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer trauten Micheline Calmy-Rey ihre Aufgabe zu und diese strahlte wieder. Wo ist die Melodie? Schaltung ins Bundeshaus. "Der Text des Liedes hat mir sehr gefallen. Es erinnert mich an Boni. Die muss man auch an alle verteilen, damit es allen gut geht", erklärte Micheline Calmy-Rey in ihrem Büro. Aha, die Aufgabe wurde also bereits gelöst. Okay. Jetzt aber Ohren auf, und? Wie klingt sie als Mani Matter? Doch nichts mit Musik, nichts mit Melodie. Calmy-Rey las Mani Matters Songtext einfach ab und erst nur den halben. Welch eine Enttäuschung! Kein Gesang! Mit dem Berndeutschen klappte es bereits beim dritten Wort nicht mehr. Und Calmy-Rey fügte an: "Vielleicht werde ich nächstes Mal singen." Ja, aber warum hat sie es denn nicht gleich getan? Hat sie wollen und nicht dürfen, oder wie? Haben die Medien etwas falsch verstanden? Was sollte das? War die Teilnahme am Donnschtig-Jass einfach Goodwill? Ein Versuch, Sympathiepunkte zu sammeln? Bei der Schaltung zurück auf den fast leeren Visper Dorfplatz grinste Calmy-Rey immer noch. Danach wars rasch aus mit der nassen Sendung. Was blieb, war das Gefühl, veräppelt worden zu sein.


Aus Tele Nr 32 2010

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