Es sollte nicht nach dem Trennenden, sondern nach dem verbinden
gefragt werden, forderte Wulff. "Dann wird Neues, Gutes entstehen - aus
urdeutscher Disziplin und türkischem Dribbling zum Beispiel, aus
preussischem Pflichtgefühl und angelsächsischer Nonchalance,
aus schwäbischer Gründlichkeit und italienischer Lebensart."
Der neue Bundespräsident ging in seiner Rede auch auf das
Parteiensystem in Deutschland ein. Die Parteien seien "viel besser als
ihr Ruf", fand er. Er wolle die Menschen wieder dafür begeistern,
sich stärker für die Politik einzusetzen und sich an der
politischen Willensbildung zu beteiligen.
Anderseits müssten die Parteien mehr tun gegen Politikverdrossenheit:
"Auch die Bürgerinnen und Bürger, die nicht in Parteien
engagiert sind, müssen leicht die Erfahrung machen können, wie
spannend die Mitarbeit an politischen Aufgaben sein kann." Ein Beispiel
für die Suche nach politischen Lösungen sei die Reaktion auf
die Finanz- und Wirtschaftskrise. Zu ihrer Bewältigung hätten
Gewerkschaften und Unternehmer beigetragen. "Das zeigte, wie gut es ist,
miteinander statt gegeneinander zu arbeiten.
Die Antrittsrede wird sicherlich gut ankommen. Bilder wie "Brücken
bauen" und "Verbindendes statt nach Trennendem suchen", sowie Gedanken,
wie: "Rücken wir den Menschen in den Mittelpunkt unseres Tuns"
sind nach meinem Dafürhalten sehr gute Kerngedanken. Sicher werden
nun Wullfs Worte in der Presse aber auch im Volk ein gutes Echo finden.
Aus pz-news:
Bis anhin wollten die bisherigen Bundespräsidenten in Ihren Berliner
Reden dass ein "Ruck durch Deutschland" geht, so wie es Roman Herzog
1997 als geistiger Vater dieser Gattung gefordert hatte. Bei Wulff ging
wohl kein Ruck durch die Bevö6lkerung. Das wäre mit Sicherheit
zu viel verlangt gewesen in der heutigen br=C3=BCchigen politischen
Situation. Doch wurden seine Worte nicht als Floskel empfunden.
Ein bisschen mehr Vision hatte mir gefehlt. Das teilweise etwas
abgehackte vorgetragenes Portrait der "unten Republik Deutschland",
die Wulff beschrieben hatte (als Mischung aus "Urdeutscher Disziplin
und türkischem Dribbling, aus preussischem Pflichtgefühl
und angelsächsischer Nonchalance, aus schwäbischer
Gründlichkeit und italienischer Lebensart), wie auch der Appell
an den Gemeinsinn (über alle Nationalitäten, Gesellschafts-
und Altersgruppen hinweg), wirkte angemessen. solche Worte sind in der
jetzigen Situation staatstragend, obwohl die Gedanken nicht neu sind."
Wulff kann sonst sehr gut Klartext reden - stets in einer Sprache,
die die Menschen verstehen. Als ehemaliger niedersächsischer
Ministerprässident ist der neue Bundesprässident ein Politprofi,
der mit beiden Beinen mitten im Leben steht.
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