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www.rhetorik.ch aktuell: (23. Jun, 2010)

Mangelhafte Krisenkommunikation des Bundesrates

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Nicht nur bei der UBS Affaire, auch im Fall Libyens beunruhigt die Bevölkerung das Informations- und Kommunikationsmanagement des Bundesrates. Leider hat man aus den zahlreichen alten Fehlern nichts gelernt. Informationen wurden einzelnen Ratsmitgliedern vorenthalten und es wurden immer wieder unterschiedliche Informationen vermittelt. Obschon Pascale Couchepin die Meinung vertrat, nach der Abwahl Blochers sei das Kollegilitätsverständnis in der Exekutive viel besser geworden, ist dies nicht der Fall. Im Gegenteil. Das Klima hat sich verschlechtert. Misstrauen, Missgunst und eine Mentalität des Einzelkämpfertums machte sich breit. Statt Teamwork kam es laufend zu fragwürdigen Alleingängen und zu Indiskretionen. Wenn sich der Bundesrat in Krisensituationen der internen Verschwiegenheit nicht mehr sicher ist, so darf dies nicht bagatellisiert werden. Es ist ein Alarmsignal. Ein Bundesrat, der im Gerüchtesumpf versinkt, kann der Rat in dieser Konstellation nicht mehr geduldet werden. Das Parlament ist gefordert.

Nachtrag vom 24. Juni: Blick:

Der Auftritt von Doris Leuthard am Montag sorgt weiterhin für Konfusion. In einem Communiqué, das mehr Fragen aufwarf als beantwortete, nahm die Bundespräsidentin Bezug auf die geplante Kommandoaktion für die Befreiung der beiden Geiseln in Libyen. Sie erklärte, dass ein Einsatzbefehl bereits erteilt, nachher jedoch wieder zurückgezogen worden sei.

Stand also die Elite-Einheit AAD 10 Gewehr bei Fuss bereit, um in Tripolis einzugreifen, bevor sie zurückgepfiffen wurde? Wohl kaum, denn verschiedene Medien berichten, dass ein solcher Einsatz schon in der Planungsphase wieder verworfen worden ist. Dennoch hielt Leuthard gestern vor der Aussenpolitischen Kommission explizit am Wortlaut des Communiqués fest. Blick.ch fragte beim renommierten Staatsrechtler und Sicherheitsexperten Rainer Schweizer nach:


Wie sind Leuthards Aussagen zu interpretieren?
Schweizer: Bei dem, was offenbar geplant war, handelt es sich um einen robusten Polizeieinsatz mit einer Spezialistentruppe der Armee. Die Bundespräsidentin muss sich in ihrer Wortwahl geirrt haben. Denn im Sicherheitsrecht ist klar, was das Wort "Einsatzbefehl" bedeutet: Eine militärische Aktion wird gestartet und durchgezogen.
Dieser Darstellung widerspricht Calmy-Reys Aussendepartement.


Schweizer: Eben, das war hier offenbar nicht der Fall: Es hat sich vielmehr um einen Planungsauftrag gehandelt. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb Leuthard auf ihrer Terminologie beharrt.
Sehen Sie gar keine mögliche Erklärung?
Schweizer: Wahrscheinlich liegt das Problem darin, dass sie als Volkswirtschafts-Ministerin nicht Mitglied des Sicherheitsausschusses ist. Diesen bilden die Vorsteher des EDA, des VBS und des EJPD. Vielleicht war sie pikiert, dass sie nicht in die Planungen einbezogen wurde.
War es denn legitim, dass Calmy-Rey einen solchen Einsatz vorbereitete?
Schweizer: Ja. Aber sie hätte unbedingt den Gesamtbundesrat ins Bild setzen müssen. Denn die Verfassung schreibt vor, dass das Kollegium bei wichtigen Geschäften involviert werden muss. Darum handelt es sich bei der Libyen-Affäre zweifellos.
War dieser Verstoss gegen das Kollegialprinzip so schwerwiegend wie jener von Hans-Rudolf Merz, der seine Kollegen ungefähr gleichzeitig nicht über die Probleme der UBS aufklärte?
Schweizer: Nein, das allfällige Versäumnis von Micheline Calmy-Rey und auch Ueli Maurer ist lange nicht so gross wie jenes von Bundesrat Merz in der UBS-Affäre. Dass er das Gremium so lange nicht informiert hat, war absolut unverantwortlich angesichts der Tragweite des Geschäfts.
Nachtrag vom 24. Juni, 2010:: NZZ:

Der Bundesrat hat beschlossen, wegen der Indiskretionen in der Libyen-Affäre Klage gegen Unbekannt einzureichen. Dies sagte Bundesratssprecher André Simonazzi am Donnerstag vor den Medien in Bern. Die Indiskretionen verurteile der Bundesrat aufs Schärfste, teilte Bundesratssprecher Simonazzi nochmals mit. Gleichzeitig hielt er fest, dass der Bundesrat sich nicht weiter zu den Plänen für eine Befreiung der Libyen-Geiseln äussere. Simonazzi verwies auf die Ausführungen von Bundespräsidentin Doris Leuthard vom Montag. Leuthard hatte am Montag bestätigt, dass es Pläne zur Befreiung der Libyen-Geiseln gegeben hatte. Offen blieb, wie weit fortgeschritten die Pläne waren, welche Einheiten involviert gewesen wären und welche Mitglieder des Bundesrates wann darüber informiert wurden.


Und der Blick:

Militäraktion verraten: Bundesrat erstattet Anzeige gegen Plaudertasche Das Departement Merz steht im Verdacht, die Medien über die geplante Geiselbefreiung informiert zu haben. Der Bundesrat hat beschlossen, wegen der Indiskretionen in der Libyen-Affäre Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten. Dies sagte Bundesratssprecher André Simonazzi heute vor den Medien in Bern. Simonazzi hielt fest, der Bundesrat äussere sich nicht weiter zu den Plänen für eine Befreiung der Libyen-Geiseln. Er verwies auf die Ausführungen von Bundespräsidentin Doris Leuthard vom Montag. Leuthard hatte am Montag bestätigt, dass es Pläne zur Befreiung der Libyen-Geiseln gab. Offen blieb, wie weit fortgeschritten die Pläne waren, welche Einheiten involviert gewesen wären und welche Mitglieder des Bundesrates wann darüber informiert wurden. Bekannt geworden waren die Pläne durch Indiskretionen aus der Bundesverwaltung. Diese verurteile der Bundesrat aufs Schärfste, sagte die Bundespräsidentin am Montag. Die Informationen waren letzte Woche in die Medien gesickert, möglicherweise aus dem Umfeld von Hans-Rudolf Merz. Er wirft Aussenministerin Micheline Calmy-Rey vor, dass sie hinter seinem Rücken die Aktion vorbereitete - und ihn damit bei seinem Tripolis-Trip ins Messer laufen liess.



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