Rhetorik.ch

Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com
Aktuell Artikel Artikel Inhaltsverzeichnis Suche in Rhetorik.ch:

www.rhetorik.ch aktuell: (15. Feb, 2010)

Wie Klapproth seinen Kritiker kritisiert

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
In der Regel lohnt es sich nicht als Betroffener auf Medienkritiken zu reagieren. Hier ist ein Beispiel, wo die Replik funktionerte.

Stephan Klapproth wurde von Dominik Imseng in der NZZ kritisch unter die Lupe genommen. Der Titel der Kolumne vom 7. Februar war "Der König der Kalauer".

Klapproth reagierte am 14. Februar: Klapproths Beitrag "König der Klugscheisser" ist eine geistreiche Replik. Klapproth schlägt den Kritiker mit den eigenen Waffen, in dem er ihm bewusst machte, dass er hinsichtlich Fachwissen nicht a jour ist. Die Hinweise auf die Referenzbücher leuchten ein. Klapproth musste beachten, dass jeder Wort stimmt und der Beitrag nicht zu einem der üblichen Rechtfertigungsbeiträge verkommt, wie sie in der Regel spontan - meist aus Verbitterung - geschrieben werden.

Zuerst der kritische Beitrag:

7. Februar 2010, NZZ am Sonntag

Der König der Kalauer

"10 vor 10" ist eine gute Sendung. Ausser es ist Stephan Klapproth, der moderiert.

Von Dominik Imseng

Cäsars Männer waren erschöpft, verwundet oder beides, als sie den zahlenmässig weit überlegenen Galliern gegenüberstanden. Der legendäre Feldherr aber führte seine Legionäre trotzdem zum Sieg. "Wenn ihr flieht, seid ihr tot", hatte er ihnen zugerufen: "Greift an - und überlebt!"

Kein Wort zu viel, kein Wort ohne Wirkung - das ist Rhetorik. 2000 Jahre später ist sowohl vom römischen Imperium als auch von der Redekunst nicht mehr viel übrig. Das beweist "10 vor 10", wenn Stephan Klapproth, wie diese Woche wieder, im Studio sitzt: ein Schwadroneur vor Gott, dessen Anmoderationen fast länger sind als die Beiträge selbst.

Zugegeben, es war schon schlimmer. Viel zu weitschweifig ist er weiterhin. Er beginnt ja grundsätzlich bei Adam und Eva. Und dann diese ständigen Kalauer. Sah man eben die Künstlerin Pipilotti Rist ins Wasser springen, kommt von Klapproth natürlich: "Eine Künstlerin, die sich gewaschen hat." Klapproths Flach- und Plattwitze mögen in der Werbung noch angehen, da auf diese niemand wartet. Auf die News des Tages aber wartet man, Beachtung und Interesse sind bereits gegeben.

Daniela Lager und Susanne Wille - Klapproths "10 vor 10"-Kolleginnen - wissen das. Und sie wissen auch, dass das Wort Moderator vom lateinischen "moderare" kommt, das nicht nur "steuern" bedeutet, sondern auch "mässigen", auch "sich mässigen", "sich zurücknehmen", bei "10 vor 10" mit dem Ziel, den News des Tages mehr Gewicht zu verleihen. Durch seine Schwatzsucht aber macht sich Klapproth wichtiger als die Beiträge. Und durch seine Kalauer verwandelt er "10 vor 10" in ein Kabarett des 21. Jahrhunderts, in dem sich die Berichte und Reportagen aneinanderreihen wie dereinst die Auftritte von Kraftmenschen oder Revue-Girls.

Dabei hätte echter Humor durchaus eine aufklärerische Funktion. Ja sogar das Wortspiel, sofern brillant und mit Buster-Keaton-Miene vorgetragen, hat seine Berechtigung. Man erinnere sich an den Verbal-Akrobaten Friedrich Küppersbusch ("Wenn Berti Vogts den Mannschaftsbus verpasst, rufen alle: "). Klapproths Witzchen aber fügen der Simulation von Information, auf die Nachrichtensendungen im Fernsehen ohnehin stetig hinauszulaufen drohen, noch die Simulation von Humor hinzu.

Warum macht er das nur? Drei Erklärungsversuche. Der erste: Der Luzerner übertreibt es mit seinen Anmoderationen, weil er es grundsätzlich mit allem übertreibt: Er trägt dicke Nadelstreifen, als wäre er Tangotänzer, er lässt zu viel Gesichtshaare stehen, und als er für eine Reportage quer durch die USA fuhr - klar musste er auf ein dreirädriges Motorrad steigen.

Zweite Theorie: Klapproth, der für die Moderation privater Veranstaltungen 5000 Franken und mehr verlangt, meint, als so Hochbezahlter auch bei "10 vor 10" besonders viele Worte in der Minute produzieren zu müssen.

Dritte Theorie: Klapproth, der einen Nebenjob als Dozent für Journalismus an der Uni Freiburg hat, ist im Grunde seines Herzens Lehrer. Und profitiert von einem Publikum, das sich nicht wehren kann. Natürlich: Man könnte bis zur "Tagesschau Nacht" warten, um zu erfahren, wie es der Welt ergangen ist, aber man will ja auch einmal ins Bett. Und so bleiben wir hilflos Klapproth, dem Informations-Zampano, ausgesetzt. Man verzeihe den Kalauer, aber es ist 5 vor 12 für den Mann von "10 vor 10".
NZZ am Sonntag Artikel vom 14. Februar 10: "König der Klugscheisser"





14. Februar 2010, NZZ am Sonntag:

Der König der Klugscheisser

Die "NZZ am Sonntag" ist gut. Ausser wenn Dominik Imseng schreibt. Eine Replik.

Stephan Klapproth

Ach, werter Kollege Imseng, da haben Sie sich ja so recht Ihr Mütchen gekühlt und vom NZZ-Schreibtisch aus einem Fernsehmann die Fresse poliert. Von Cäsar bis Küppersbusch fahren Sie Ihre bildungsbürgerlichen Reserven gegen mich auf. Da diese trotz des primären Imponiereffekts überschaubar bleiben, hat mich das allerdings nicht umgepustet. Zumal Sie etwas paradox vorgingen: Weitschweifigkeit werfen Sie mir als schlimmstes Verbrechen am Publikum vor. Der Vorwurf trifft Sie nicht minder: Ihr Fünfspalter liesse sich problemlos auf die cäsarisch knappen fünf Wörter reduzieren: "Ich mag den Kerl nicht." Was Ihr gutes Recht ist. Leider aber plustern Sie sich auf (sind wir uns - horribile dictu - ähnlicher, als Sie denken?) zum Fernsehrhetorik-Experten, der Sie augenscheinlich nicht sind. Sie irren sich schon im Titel, wo ich als Kalauer-König definiert werde, was Sie später damit belegen, dass ich zum Bild der ins Wasser springenden Pipilotti Rist von einer Künstlerin spreche, die sich gewaschen hat. Kalauer sind definiert als Wortspiele, in denen Wörter mit anderen Wörtern spielen. Vermutlich entging Ihnen, dass das Medium Fernsehen eine Bild-Ebene involviert, mit der ich in meinen Texten Sprachbilder interagieren lasse. Wir untersuchen die Bild-Text-Wirkungen mit Spezialisten unserer Ausbildungsabteilung seit langem genau und kommen zum Schluss, dass der Effekt alles andere als plump ist. (Wenn Sie, wovon ich bei einem NZZ-Intellektuellen ausgehe, dazulernen wollen, lesen Sie das Referenzbuch "Text und Bild" von Manfred Muckenhaupt.) Ihr zweiter Königsirrtum: In der Werbung möge sprachliches Aufbauschen noch angehen, schreiben Sie, doch bei den News des Tages sei "Aufmerksamkeit bereits gegeben". Dass Sie die moderne Fachliteratur dazu kennen (siehe etwa "Ökonomie der Aufmerksamkeit" von Georg Franck), will ich gar nicht voraussetzen. Aber: Haben Sie Ihre Horaz-Ausgabe gerade ausgeliehen? Der Vater der römischen Rhetorik erteilt in der berühmten "Prodesse aut delectare"-Passage jedem Kommunikator den ewig gültigen Rat: "Nützen oder unterhalten wollen die Dichter oder zugleich Heiteres und Lebenspraktisches sagen". Bitte verstehen Sie, dass ich Ihre Hinweise zu meinem Outfit und Haar-Styling unrepliziert lasse, kurzes Googeln ergab, dass Sie auch auf diesen Feldern nirgends als Experte erscheinen. So verkneife ich mir auch, Ihren Untertitel persi- flierend zu verkünden: "Die NZZ am Sonntag ist eine gute Zeitung. Ausser wenn Dominik Imseng darin schreibt." Und Ihr Titel-Stabreimchen (König der Kalauer) mit "König der Klugscheisser" zu parieren, erscheint mir bei zweitem Hinsehen nun plötzlich bei einer Edelfeder wie Ihnen doch etwas rüde. So rufe ich Ihnen versöhnlich auf Ihrer angestrebten geistigen Flughöhe zu: "Si tacuisses, philosophus mansisses" - wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben (Boethius, "Trost der Philosophie", natürlich).

Rhetorik.ch 1998-2011 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com