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www.rhetorik.ch aktuell: (03. Feb, 2010)

Nervosität um gestohlene Steuerdaten

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Merkel will die Daten
Im Moment wird die Frage, ob es richtig ist, das Deutschland eine CD mit gestohlenen Bankdaten kauft, um Steuerhinterzieher zu finden, heftig debattiert.

Der Ethik Professor Peter Schaber argumentiert im Tagi, dass der gute Zweck nicht alle Mittel heiligt. Auch Folter für die Terrorbekämpfung sei ethisch nicht haltbar. Oekonomisches Denken sei nicht mit Ethik: Ist es in Ordnung, einen Menschen zu töten, um damit 5 Menschen zu retten? Schaber meint, es sei katastrophal, wenn solche Rechtfertigungen akzeptiert würden.


Tagesanzeiger vom 2.Februar:

Die markigen Worte von Schweizer Politikern können nicht darüber hinwegtäuschen: Das Land hat gegenüber dem mächtigen Nachbarn im Norden nichts in der Hand. Wenig in der Hand gegenüber dem grossen Nachbarn: Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle mit dem damaligen Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz beim Schweizer Antrittsbesuch im vergangenen November. Politiker in der Schweiz geben sich kampfeslustig. Die Entscheidung der deutschen Regierung, geklaute Kundendaten einer Schweizer Bank zu kaufen, wolle man sich auf keinen Fall gefallen lassen, heisst es unisono. Auf die Frage aber, wie unser Land denn genau reagieren soll, bleiben die Antworten vage und verschwommen: Retorsionsmassnahmen hält man für kontraproduktiv, zählt auf die gute Nachbarschaft, die doch auch die Deutschen nicht aufs Spiel setzen wollen und appelliert an die Moral. Nur wer in einem handfesten Interessenkonflikt nichts Gewichtiges in die Waagschale werfen kann, argumentiert so. In Tat und Wahrheit bleibt die Schweiz hilflos. Das Land ist derart eng mit dem grossen nördlichen Nachbarn verwoben, dass jede Massnahme gegen diesen einem Eigentor gleichkäme. Die Schweizer Wirtschaft ist jener der deutschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Schon die Hoffnung für ein Aufleben der Schweizer Konjunktur hängt massgeblich vom Wohlbefinden in Deutschland ab. Ein wirtschaftlicher Schnupfen in Deutschland führt in der Regel in der Schweiz zu einer konjunkturellen Erkältung. (...) Die einzige Hoffnung, die der Schweiz überhaupt bleibt, sind dennoch nur die Deutschen selbst: All jene mit genügend Macht, die Druck auf die eigene Regierung ausüben könnten. Das können potenzielle Kritiker in der Regierung selbst sein, aber auch mächtige Vertreter in der deutschen Wirtschaft und Freunde der Schweiz. Jene werden sich allerdings hüten, sich nicht dem Verdacht auszusetzen, mit Steuerhinterziehern gemeinsame Sache zu machen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Schweiz bleibt vom Goodwill der Deutschen abhängig.


NZZ vom 1. Februar:

Die deutsche Kanzlerin Merkel will in den Besitz der von einem Informanten widerrechtlich entwendeten Daten über deutsche Steuersünder in der Schweiz kommen. Bedenken gegen den Millionen-Deal wies Merkel zurück. In der Schweiz-Steueraffäre hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sich für den Kauf gestohlener Bankdaten über mögliche deutsche Steuerhinterzieher ausgesprochen. Es müsse alles versucht werden, um an die angebotenen Daten heranzukommen. "Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in den Besitz dieser Daten kommen", sagte Merkel am Montag in Berlin. Allerdings müssten dazu noch Gespräche geführt werden. Anzeige . . Bedenken - auch in ihrer eigenen Partei - gegen so ein Geschäft wies Merkel zurück. Jeder vernünftige Mensch wisse, dass Steuerhinterziehung geahndet werden müsse. Westerwelle für Gespräche mit der Schweiz Merkels Koalitionspartner, Aussenminister Guido Westerwelle, widersprach der Haltung der Kanzlerin in einer Pressekonferenz. Auch er sei dafür, mit aller Entschiedenheit Steuerkriminalität zu bekämpfen. Allerdings dürfe man dabei nicht den den eigenen Rechtsstaat und die eigene Verfassung vergessen. Der Staat könne sich nicht zum Mittäter von Dieben und anderen Straftätern machen. Er ziehe es vor, das Problem in Gesprächen und Verhandlungen zu lösen. In Anspielung auf die verbale Attacke des früheren Finanzministers Steinbrück verurteilte er es, der Schweiz "mit der Kavallerie zu drohen". Nach Angaben Merkels wird der Fall jetzt mit den zuständigen Bundesländern geprüft. Den Finanzbehörden sind laut Medienberichten für angeblich 2,5 Millionen Euro Daten von bis zu 1500 Bundesbürgern mit Depots in der Schweiz angeboten worden. "Die Entscheidung über einen Ankauf wird auf der Linie dessen liegen, was Bund und Länder in dem Liechtensteiner Fall entschieden haben", sagte Schäubles Sprecher Michael Offer.




Nachtrag vom 6. Februar, 2010

Aus 20 Minuten:

Die Amerikaner machten die Medien-Strategie vor.

Nun können sich die deutschen Steuerfahnder zurücklehnen, ihr Kalkül ist aufgegangen. Die 2,5 Millionen Euro, die ihre politischen Chefs für die Daten aufwerfen, sind kein Thema mehr. Hingegen herrscht bei den potenziellen Steuersündern grösstmögliche Verunsicherung, Berichte über verängstigte deutsche Kunden von Schweizer Banken machen die Runde. Und im kleinen Nachbarland mit den hohen Bergen ist das totale Tohuwabohu ausgebrochen, was Deutschland nur recht sein kann. Denn zuletzt schlottern nicht nur die deutschen Schwarzgeldbürger vor möglichen Strafen, sondern das Offshore-Paradies Schweiz übergibt gleich selbst den Schlüssel zum jahrzehntealten Bankgeheimnis.

Wie man erfolgreich die Medien für solch einen Fischzug einspannt, haben die Amerikaner im Steuerfall UBS vorexerziert. Dort war es eine Journalistin der "New York Times", die regelmässig im Voraus Interna der US-Ermittler publizierte und damit die Abwehrstellung der Grossbank und der Schweiz schwächte.

So nannte die Reporterin Namen von Verdächtigten, kannte frühzeitig die Dimension des amerikanischen UBS-Offshore-Geschäfts und wusste vor allen anderen, dass sich die US-Behörden nicht mit dem "Steuermauerfall" vom Februar 2009 zufrieden geben würden. Vielmehr sollte in einem zweiten Angriff mittels Zivilprozess in Miami das Bankgeheimnis ein- für allemal zerstört werden, indem 52'000 amerikanische Steuersünder offengelegt würden. Von da an hatten die USA nicht mehr nur die UBS am Wickel, sondern die ganze Schweiz.


Die Geschichte wird auch in der Schweiz weiter Folgen haben. So wächst auch der Druck auf Merz. Quelle: 20 Min.



Der Bundesrat verliert das Vertrauen in ihren Kollegen Hans-Rudolf Merz. Am vergangenen Mittwoch kam es in der Bundesratssitzung zwischen Merz und seinen Kollegen zum Streit, wie mehrere voneinander unabhängige Quellen gegenüber der Zeitung "Sonntag" bestätigen. Der Grund: Die fehlende Strategie, wie die Schweiz aus dieser Bankgeheimnis-Krise wieder herausfinden kann und das mangelnde Tempo beim erarbeiten von tauglichen Lösungsvorschlägen. Es wurde laut an dieser Sitzung, die unüblich lange dauerte. Am Schluss setzten sich Ueli Maurer, Moritz Leuenberger, Micheline Calmy-Rey und Bundespräsidentin Doris Leuthard durch und forderten von Merz, dass der Zwischenbericht seiner Finanzmarkt-Arbeitsgruppe bis am 24. Februar vorliegen müsse. Auch in der Steuerverwaltung ist man frustiert. Ein hochrangiger Mitarbeiter sagt: "Wir sind bereit, dem Bundesrat offensive Strategien in der Bankgeheimnis-Krise vorzulegen. Einbringen müsste diese aber Bundesrat Merz." Geschehen sei dies bisher nicht.


Blick am Abend vom 4. Februar stellt Zitate zum Bankgeheimnis zusammen:

"Damit habe ich kein Problem. Es ist nachgerade unsere moralische Pflicht, mit dem Bankgeheimnis die Bürger vor dem unersättlichen Steuerhunger der Politiker zu schützen." Privatbankier Hans-Dieter Vontobel 1999 in einem Interview auf den Vorhalt, dass das Bankgeheimnis Steuerhinterziehung decke und das Rechtssystem anderer demokratischer Staaten unterminiere.
"Das Bankgeheimnis ist im Volk tief verwurzelt und daher nicht verhandelbar." Kaspar Villiger im August 2000 in einem Interview. Villiger wiederholte diese Phrase als Finanzminister gebetsmühlenartig. Heute ist er UBS-Präsident.
"Am Bankgeheimnis wird nicht gerüttelt." Daniel Eckmann, Villigers Informationsstratege, im April 2002 in der "Berner Zeitung".
"Unser Bankgeheimnis hat sieben Leben." Bundesrat Hans-Rudolf Merz im Februar 2008 im "Sonntag".
"Finger weg vom Bankkundengeheimnis." Ueli Maurer im April 2002, als die SVP die Forderung lancierte, das Bankgeheimnis müsse in die Verfassung geschrieben werden.
"Es wäre fatal, wenn wir jetzt gegenüber der EU Zeichen aussenden würden, die ein mögliches Entgegenkommen signalisieren könnten. Im Gegenteil, wir müssen jetzt zeigen, dass es am Bankgeheimnis nichts zu rütteln gibt." Gerold Bührer im Juli 2000 in der "Berner Zeitung". Damals war Bührer Nationalrat und FDP-Wirtschaftspolitiker, heute ist er Präsident des Wirtschaftsverbands


Heute wird kaum eine Partei mehr das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern wollen. Steinbrücks Kavallerie haben die Schweizer Indianer bereits bezwungen. Vielleicht sind es vor allem wirtschaftliche Interessen die Schweizer Politiker in die Kniee zwingen. Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass der Persönlichkeitsschutz künftig kleiner geschrieben und das Bankgeheimnis sogar beerdigt wird.

Bedenken bleiben jedoch. Der Staat soll nicht zum Hehler werden. Der Handel mit gestohlenen Akten dürfe nicht mit Kronzeugenregelung vergleichen werden. Mit dem Kauf illegal erworbenen CDs wird nun Tür und Tor geöffnet für weitere kriminelle Taten geöffnet. Jeder Bankbeamte komme nun in Versuchung, heimlich Daten herunterzuladen und teuer zu verkaufen.


Aus 20 Min::

Kein "Deal mit Ganoven"

Der Baden-Württembergische Justizminister will den Kauf von Daten mutmasslicher Steuersündern verhindern, sollten diese tatsächlich gestohlen worden sein. Auch die Bundesjustizministerin warnt vor dem Kauf illegaler Daten. Der FDP-Politiker Ulrich Goll sagte gegenüber der "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens, dass sich der Staat dadurch in eine Grauzone begebe, in die er sich nicht begeben dürfe. "Wir müssen es genau prüfen. Aber wenn eine Station dieser Daten illegal war auf dem Weg ins Baden-Württembergische Finanzministerium, dann darf dieser Deal nicht gemacht werden." Auch er sei dafür, dass Steuerhinterzieher verfolgt werden, doch: "Wir sind mit der Schweiz auf einem guten Weg, ein Abkommen zu finden, bei dem wir alle Informationen kriegen. Das ist der richtige Weg." Für ihn ist es eine "unerträgliche Vorstellung, wenn mit Ganoven gedealt wird". Bei den Daten handelt es sich um eine CD, die Baden-Württemberg zum Kauf angeboten worden ist, wie am Freitag bekannt wurde. Die Daten betreffen scheinbar Kunden verschiedener Schweizer Banken und Versicherungen.

Auch die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnt zur Vorsicht im Umgang mit illegal beschafften Datensätzen. "Die Pflicht des Staates, Straftaten zu verfolgen, bezieht sich nicht allein auf die Verfolgung der Steuerhinterziehung, sondern ebenso auf die Verfolgung des Datendiebstahls. Der Handel mit gestohlenen Daten darf durch den Ankauf des Staates nicht angeheizt werden", sagte die Ministerin der Frankfurter Allgemeinen SonntagsZeitung. Der Staat dürfe sich bei der Bekämpfung von Steuerflucht nicht in die Abhängigkeit zwielichtiger Datenlieferanten begeben, so die Ministerin weiter.

Am Rande eines Frauen-Begegnungstages im Bundeshaus in Bern sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard, die Schweiz müsse nun Ruhe bewahren. Es sei die Zeit der leeren Staatskassen. Die Entwicklung, dass gestohlene Bankkundendaten von Staaten gekauft würden, sei "bedenklich und schwierig". Das löse einen Markt aus.



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