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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Dez, 2009)

ARENA und die Interessengruppen

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SN vom 6. Januar, 2010 [PDF]


Fernsehauftritte haben für Politiker und Meinungsmacher einen hohen Stellenwert. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sie alle Plattformen - wie die ARENA im Schweizer Fernsehen - für sich nutzen möchten. Politiker haben erkannt, was Medienpräsenz bedeutet: Man hat eine Chance, als Meinungsmacher zu agieren und kann davon ausgehen, dass Abstimmungsresultate durch derartige Plattformen beeinflusst werden können. Dass Medien Meinungen beeinflussen, ist unbestritten. Wenn Parteien und Meinungsmacher die Auswahl der Akteure und das Setting der Themen im Sendegefäss ARENA peinlich genau ausmessen und wie Erbsenzähler darauf achten, welche Parteien wann, wieviel Mal zu Wort kommen, geht es ihnen nicht nur um Gerechtigkeit hinsichtlich Parteienproporz. Es geht dabei meist um handfeste Eigen-interessen. In der NZZ am Sonntag vom 20. Dezember wurde dem ARENA Moderator Reto Brennwald vorgeworfen, er bevorzuge die SVP.
Wer jedoch etwas von strategischer Kommunikation versteht, erkannte sofort, dass hinter diesem Beitrag mit der persönlichen Attacke einer Interessengruppe stecken könnte, die meint, in den letzten Sendungen zu kurz gekommen zu sein. Die unbegründeten Unterstellungen gegen den Moderator liessen den Zweck des Artikels erahnen: Der Moderator sollte künftig alle Parteien genau gleich zum Zuge kommen lassen und er müsste die SVP Vertreter gezielt zurückbinden. Ein typischer Versuch, das Fernsehen zu instrumentalisieren, um Reto Brennwald in seiner Entscheidungsfreiheit einzuengen, damit er künftig die Gäste nach parteipolitischen Kriterien einzuladen hätte. Obschon beim ARENA Konzept ganz andere Prinzipien als der Parteienproporz vorgegeben sind, die der Moderator einzuhalten hat. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die offiziellen Programmbestimmungen zu bemühen, welche fürs Fernsehen und damit auch für die ARENA verbindlich sind.

In der Bundesverfassung heisst es in Art. 93, Absatz 2: Radio und Fernsehen ... stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.

In der SRG Konzession, Art 2, Absatz 4a steht: Die SRG trägt bei zur freien Meinungsbildung des Publikums durch umfassende, vielfältige und sachgerechte Information (gilt eher für Informationssendungen). Für Diskussionssendungen wie die ARENA steht im Leitbild SF: "Sendungen wie die ARENA" vertiefen kontroverse Standpunkte und unterschiedliche Haltungen zu aktuellen Themen.

Wir lesen da nichts von Parteienproporz! Anstelle einer parteipolitischen Sicht, schäle ich zwei Kriterien heraus, die für die Auswahl der Themen und der Akteure des Profi -Journalisten und Moderators richtungsweisend sind:

1. Aktualität

Wenn ein Thema unter den Nägeln brennt und in der Oeffentlichkeit diskutiert wird, gilt das Prinzip: Die Sendung muss ein ATUELLES Thema kontrovers vertiefen. Wenn es nun eine Partei versteht ein Thema so zu aktualisieren, dass es in der politischen Landschaft dominiert, kommt sie zwangläufig häufiger zum Zug. Nur deshalb, weil das Thema aktuell ist. Die Aktualität ist dann wichtiger als das Parteibüchlein. Dies erlebten wir beispielsweise bei den Themen Schäfchenplakat. Die Gegner waren sich bei diesen heissen Themen viel zu wenig bewusst, dass sie - wie mit dem Plakatverbot in Basel - die Thematik selbst zusätzlich aktualisiert hatten. Somit kann Reto Brennwald nicht vorgeworfen werden, er habe einzelne Akteure bevorzugt. Es war seine Pflicht, aktuelle Frage aufzunehmen. Damit kamen zwangsläufig die Initianten mehr zum Zug. Auch dann, wenn das Thema durch die Gegner zusätzlich aktualisiert worden ist. Der Vorwurf, die Themen hätten wenig Relevanz, die Sendung habe die Themen der SVP favorisiert, ist nicht haltbar, weil SVP verstand, die Themenführerschaft zu übernehmen und sich dadurch prominenter in der Öffentlichkeit positionierte.

2. Arenatauglichkeit

Als Coach und Autor von Analysen im Bereich Medienrhetorik stelle ich fest: Das Fernsehen sollte darauf bedacht sein, dass medientaugliche Akteure komplexe Sachverhalte verständlich auf den Punkt bringen. Als Fernsehverantwortlicher hätte ich kein Interesse, dass die Bevölkerung aus Langeweile wegzappt. Die sogenannte Arenatauglichkeit ist eine Voraussetzung bei der Auswahl der Redner. Wenn von gewissen Kreisen kritisiert wird, man hätte zu wenig Frauen eingeladen, oder man berücksichtige immer wieder die gleichen Personen, so stimmt dies. Doch müssten sich die Kritiker einmal fragen, weshalb sie zu wenig medientaugliche Kandidaten haben. Sie sollten eigentlich dafür sorgen, dass sie Leute aufbauen, die bei Medienauftritten verstanden werden und sich ebenfalls medienrhetorisch kompetent verhalten können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft behaupten möchte, das Fernsehen könne gezwungen werden, fade Redner einzuladen, die nicht verstanden werden, nur weil ihr Parteibuch stimmt. Ich bin überzeugt, dass bei der Auswahl der Redner die Arenatauglichkeit für die Macher eine wichtige Rolle spielt. Deshalb dominierte früher Blocher in den elektronischen Medien, übrigens bevor er Bundesrat war.


Die Kriterien "Aktualität" und "Interessante, medientaugliche Persönlichkeit" hat Reto Brennwald stets berücksichtigt. Er kann nicht verpflichtet werden, gewisse Redner auszuklammern. Er berücksichtigte immer die Blöcke hinsichtlich der politischen Positionierung. Was ich im NZZbeitrag beanstande, sind die unhaltbaren, nicht belegbaren Etikettierungen. Nur weil Brennwald bei der Abwahl Blochers aufgewühlt gewesen sei, darf er nicht als Blocheranhänger bezeichnet werden. Alle waren damals bei der Abwahl überrascht. Der Autor des NZZ Beitrages bleibt den Nachweis schuldig, dass Reto Brennwald ein Blochersypmpathisant ist. Wenn einfach Unterstellungen verbreitet werden - ohne Begründung - ist dies nicht nur schlechter Journalismus. So etwas darf nicht sein. Wenn dem parteiunabhängigen Moderator unterstellt wird, er positioniere sich wie Philippo Leutenegger (der heute als Nationalrat für die FDP politisiert), nur weil Brennwald wie Leutenegger wieder auf Duelle zwischen links und rechts setze, wird etwas Wichtiges ausgeklammert. Das Fernsehen muss die kontroversen Themen anpacken und vertiefen. Der Kritiker räumt nach dem Rundumschlag gegen den jetzigen Moderator immerhin ein, dass das Interesse an der ARENA unter der heutigen Leitung grösser geworden sei. Ich konnte in der ARENA stets drei Blöcke ausmachen, die berücksichtigt worden waren: Die SVP mit der EDU (rechte Seite), dann die FDP mit der CVP (Mitte) und ferner die SP mit den Grünen (linke Seite). Wenn die Gruppe Gitzendanner gegen den Linksdrall des Fernsehens ankämpft und auf der andern Seite das Fernsehen nun als rechtslastig bezeichnet wird, kann die heutige Positionierung gar nicht so schlecht sein. Das Hauptkriterium der ARENA ist und bleibt: Der Gast oder die Positionierung des Gastes muss fürs Publikum interessant sein. Das Fernsehen hat lediglich das Kriterium der Ausgewogenheit zu erfüllen, respektive die Vielfalt der Meinung. Es bleibt zu hoffen, dass sich der unabhängige Moderator Brennwald durch die Unterstellungen nicht instrumentalisieren lässt. Bis jetzt hat er sich jedenfalls von der Aktualität eines Themas und der Medientauglichkeit der Gäste stets leiten lassen. Es wäre bedauerlich, wenn er sich künftig durch die plumpe, fragwürdige Etikettierung in seiner Handlungsfreiheit einengen liesse. Als Reto Brennwald hätte ich auf die ungerechten Vorwürfe gar nicht reagiert. Wenn man ungerechtfertigt attackiert wird, ist dies leichter gesagt als getan.

Das Kriterium "Ausgewogenheit" gilt nur für öffentlich-rechtliche Sender. "Ausgewogenheit" ist zudem ein Begriff, der schlecht messbar ist. So kann ein Politiker wie Blocher oder Lafontaine in fünf Minuten mehr bewegen als vermutlich neunzig Prozent aller Politiker in einer ganzen Stunde.

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