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www.rhetorik.ch aktuell: (14. Sep, 2009)

Ein Duell, das kein Duell war

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Der Anfang vom Duell (Quelle: You Tube), Die Kandidaten verweigern die Auseinandersetzung. Schweizer Fernsehen Kommentar (Quelle: Schweizer Fernsehen)
Das Fernsehduell von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat schon vor Beginn am Sonntagabend in den Medien ein grosses Echo gefunden. Mehr als die Hälfte der Deutschen wollten live dabei sein. Auch wir haben den "Wahlkrimi" mitverfolgt. Es wäre spannend gewesen, zu erfahren, wie sich die Beiden für den Auftritt vorbereitet hatten. Die Fragen sind noch unter Verschluss. Hingegen ist der Themenkatalog bekannt. Es wurde diskutiert über: Steuern Mindestlohn (Steinmeier will einen Grundlohn von mindestens 7.50 Euro pro Stunde) Bildung (Steinmeier beabsichtigt - im Gegensatz zu Merkel - die Studiengebühren abschaffen) Opel Rettung Afghanistan-Einsatz (Beide wollen aussteigen - doch kein Kandidat nannte ein Datum des Ausstieges) Atomausstieg (Merkel will im Gegensatz zu Steinmeier vorläufig die AKWs noch weiter Strom produzieren lassen)

Angela Merkel habe ich verschiedentlich analysiert und auch ihre Körpersprache anhand zahlreicher Portraits beurteilen. Das Studium der Fotostrecke illustriert, dass diese Frau schon immer wusste, was sie wollte. Ihre Airbagrhetorik wird gezielt eingesetzt und ist Mittel zur Machterhaltung.

Frank-Walter Steinmeier verstand es bisher zu wenig, seine menschliche, humorvolle Seite zu zeigen. Das Fernsehpublikum konnte sich bei ihm nicht erwärmen. Die Partei anderseits verlangte von ihm, dass er kantiger werde. Mich interessierte es, wie es Steinmeier den Spagat - zwischen dem Nachahmen des Vorbild Schröder und dem Versuch, die Herzen des Stimmvolkes als Sympathieträger zu gewinnen - schafft.


Vor dem Auftritt fragen sich viele: Kommt es nur zum einem Duell mit "Platzpatronen", wie es Westerwelle behauptet?

Die Kanzlerin im Streit mit ihrem Stellvertreter ist kein normales Setting. Ich gehe davon aus, dass es vor allem darum geht die zahlreichen unentschiedenen Stimmberechtigten zu überzeugen. Diese werden nicht nach der Aufmachung der Duellanten urteilen. Sie wollten vor allem Fakten und wünschten eindeutige Informationen.

Obschon Angela Merkel beantragte, sitzend zu argumentieren, setzte sich Steinmeier durch. Beide standen hinter ihrem Pult.

Das sachliche Gespräch begann recht verhalten. Ich kann mir gut vorstellen, dass die ganze Sendung vom Publikum als recht langweilig empfunden wurde. Der Konsens der Kanzlerin mit ihrem Aussenminister - und umgekehrt - schimmerte immer wieder durch, als wären beide froh, wenn die grosse Koalition weiter bestehen bleiben könnte. Am Anfang punktete Steinmeier deutlich. Er war angrifflustiger und machte bewusst, was alles erwartet werden müsste, wenn schwarz/gelb regieren würde. Nach der Devise: Sticheln - aber nicht zu aggressiv. Merkel verschanzte sich ständig hinter ihrem bekannten Plausibilitätsgerede. Es fehlten leider konkrete Botschaften. Am Anfang wirkte sie nervöser. Ihr fehlte die Lockerheit. Die giftigen ungehaltenen Blicke sprachen für sich. Konfrontationen zwischen den beiden "Duellanten" gab es aber weniger als mit den Journalisten.

Im zweiten Teil holte Merkel etwas auf. Ich rechne damit, dass das Gespräch morgen von den Medien als unentschieden bewertet wird. Wenn man berücksichtigt, dass man hinsichtlich Erwartungshaltung mit einem Sieg Merkels gerechnet hat, sehe ich Steinmeier als Sieger nach Punkten.

Aus meiner Sicht überraschte er, weil er glaubwürdiger und überzeugender sprach. Doch wird sich Merkel einen kompetenteren Eindruck hinterlassen. Ich vermute, dass sie bewusst Steinmeier geschont hatte und bewusst versuchte, sich mit Airbagrhetorik zu schützen (mit vagen Aussagen) Beide hatten ihre Schwachstellen. Steinmeier ritt gegen Merkel eine Attacke bei den Finanzen und Steinmeier bei der angeschlagenen Gesundheitsministerin (Da machte ein Eigentor, indem er die Thematik selbst anschnitt und daran kleben blieb) Es darf gesagt werden: Das Gespräch war fair. Doch blieben viele Fragen unbeantwortet. Die Schlussstatements wurden von beiden Kandidaten heruntergeleiert, als habe man sie auswendig gelernt. Gesamturteil: Unentschieden mit Vorteil Steinmeier. Für ihn war es ein Achtungserfolg. Dies kann sich auf die Wahl auswirken, indem die CDU/CSU nun verunsichert ist und die SP Aufwind bekommen kann, weil es ihr Vertreter gut gemacht hat.

Ich hatte schon vor dem Gespräch damit gerechnet, dass sich Angela Merkel auf keinen Schlagabtausch einlassen will und sie vor allem darauf bedacht ist, keine Angriffsflächen zu bieten. Ich hätte mir jedoch erhofft, dass Sie immerhin konkrete Argumente ins Feld führt, die aufzeigen, dass man schwarz/gelb und nicht rot wählen darf. Merkel fehlte eindeutig das Profil. Sie verpasste die grosse Chance, die Differenzen zur SP herauszuschälen. Ich vermisste bei ihr vor allem konkrete Botschaften.


Medienechos



Nachtrag vom 21. September, 2009 Das geschönte Riesenbild von Steinmeier ist in ganz Deutschland jetzt zu sehen. Siehe Kommentar vor dem Steinmeier Merkel Schlagabtausch.



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