Die folgende amüsante Kolumne über zwei Grundformen des
Lächelns ist von Thomas Widmer im Tagesanzeiger erschienen:
Thomas Widmer
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Soziallächler
Quelle.
von Thomas Widmer
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Das Lächeln unseres Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz am
Sonntag in Genf ist um die Welt gegangen. Drückt es tatsächlich
Komplizenschaft mit dem Bösen in Gestalt von Irans Präsident
aus - warum empfinden manche dieses Lächeln als frivol?
Die Gelotologie, die Wissenschaft vom Lachen, kennt zwei Grundformen
des Lächelns: das sogenannte Duchenne-Lächeln, absichtslos,
tief, aus wahrer Freude entspringend. Und das "soziale Lächeln",
das auf die Umgebung reagiert. Es entkrampft, zeigt Grundsympathie,
guten Willen, baut Beziehungen auf. Schon Säuglinge besitzen auch
dieses soziale Lächeln.
Der sichtbare Unterschied: Beim zweckfreien Duchenne-Lächeln sind
laut Forschern die Muskeln links und rechts der Augen beteiligt. Davon
kann auf den Merz-Fotos von Genf nicht die Rede sein. Die Zähne
sind gebleckt, die Muskeln um den Mund angespannt - aber die Augenpartie
macht nicht mit.
Merz lächelte in Genf also sozial. Taktisch. An sich ist das
professionell. Der Politiker sagt dem Politiker: "Hey, ich beisse nicht.
Wir können reden."
Allerdings ist Merz ein forcierter Soziallächler. Man nehme
das offizielle Bundesratsfoto. Ueli Maurer lächelt scheu; als
Hardliner muss er auf der Strasse ja auch stets damit rechnen, dass
einer ihm den Vogel zeigt oder schlimmer. Micheline Calmy-Rey grinst so
ehrgeizig maskenhaft, dass die Mundwinkel die Ohren erreichen. Moritz
Leuenberger lächelt moralisch-mitleidvoll aus erhabener Warte. Doris
Leuthard, mit geschlossenem Mund schmunzelnd, spielt gutmütige
Gotte. Pascal Couchepin markiert durch Knapplächeln etatistische
Reserviertheit. Und Eveline Widmer-Schlumpf kneift die Lippen zur Linie
zusammen. Sie will Respekt nur für ihre Leistung.
Von allen lächelt der Ausserrhoder Merz am festesten. Dazu etwas
helvetische Physiognomik: Den Romand (Couchepin) steuert die Schwere der
französischen Mission civilisatrice. Beim politisierenden Tessiner
schleicht sich die Gravitas des römischen Senators ins Mienenspiel
(Flavio Cotti). Der stoische Berner nutzt die Gesichtsmuskulatur
kaum (Samuel Schmid, der unbewegte Mann). Merz, sympathie- und
harmoniesüchtig, verkörpert die gewitzte Appenzeller Frohnatur.
Hans-Rudolf Merz in Genf, von der Seite fotografiert, lächelte
also gar nicht breit - für seine eigenen Begriffe. Doch von
aussen gesehen wirkte die Gebissentblössung heftig. Dies umso
mehr, als der Merz-Schädel weitgehend haarlos ist: Jedes Signal
in diesem nackt-hageren Gesicht ist ein starkes Signal. Leider ist es
nun aber so, dass ein guter Politiker seine Mimik beherrscht und nicht
umgekehrt. Zudem: Das diplomatische Genfer Parkett ist etwas ganz
anderes als der Herisauer Obstmarkt.
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Bei den Medienauftritten stellte ich immer wieder fest, dass Bundesrat
Hans-Rudolf Merz auch bei ernsthaften Antworten immer wieder sein typisch kurzes
Lächeln aufsetzt. Lächeln, das mit der Aussage nicht
übereinstimmt, beeinträchtigt Kommunikationsprozesse. Es
zählt zu den pardoxen Verhaltensweisen.
Nach
Weltwoche: Lächeln für Achmadinedschad, ist die Foto mit Merz und
Achmadinedschad ein Propaganda Coup der Iraner. Sowohl Merz wie auch früher Calmy-Rey sind
nach Weltwoche in die Fotofalle gefallen:
Weil der Bundespräsident aber keinen Stress mit den Medien
wollte, veranlassten seine PR-Berater, dass die Präsidenten von
den Journalisten weitgehend abgeschirmt würden. Demokratie und
Pressefreiheit hin oder her: Der Protokollchef bat die Fotografen sogar,
auf Bilder vom Händedruck zwischen Merz und Achmadinedschad zu
verzichten. Reporter wurden auf die andere Strassenseite verwiesen.
Aber Merz hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Iraner
gerechnet. Diese marschierten mit einem Riesentross auf, der sich
nicht um die Vorgaben aus Bern kümmerte. Die iranischen Presseleute
überschritten die Sicherheitsschranken, um sich den Präsidenten
zu nähern. Die Hofberichterstatter aus Teheran hatten einen klaren
Auftrag: Sie sollten mit aktuellen Aufnahmen dokumentieren, wie angesehen
und willkommen Achmadinedschad auch im Ausland sei. Weil sie ihren Job
nicht verlieren wollten, war ihnen jedes Mittel recht. Achmadinedschad,
der Hauptredner an der Antirassismuskonferenz, hat kein Verständnis
für die Freiheit der Presse. Medien, die dem Regime nicht gehorchen,
werden geschlossen.
Dass Fotos in Teheran propagandistisch ausgeschlachtet werden, musste
letztes Jahr bereits EDA-Vorsteherin Micheline Calmy-Rey erfahren. Sie
war nach Teheran gereist, um der Unterzeichnung des Gasvertrages mit
der EGL die Ehre zu erweisen. Doch iranische Paparazzi überfielen
Calmy-Rey, wie sie, Kopftuch tragend, Achmadinedschad herzlich
lachend gegenübersass. Die Presse benutzte das Stelldichein
der Aussenministerin prompt als Beweis dafür, dass der iranische
Präsident trotz der Sanktionen von westlichen Ländern wie der
Schweiz respektiert werde.
Dass sowohl Merz als auch Calmy-Rey in die Fotografenfalle gefallen sind,
ist typisch und symbolhaft zugleich. Beide scheinen nicht zu verstehen,
wie die reale Welt funktioniert. Weder haben sie je im Ausland gelebt
noch internationale Erfahrung sammeln können. Die eine ist nicht weit
über Genf, der andere nicht weit über Herisau herausgekommen.
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Aus Sonntag
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