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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Apr, 2009)

Viktor Giacobbo und die Politiker

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Victor Giacobbo
Bundeshausjournalist Michael Brunner wollte von mir wissen, ob es sinnvoll sei, wenn Politiker in der Satiresendung bei Giacobbo/Müller mitmachen.

Die Praxis zeige, dass Satiriker immer genügend Anwärter finden, die bereit sind, sich am Sonntagabend zu dieser Sendung zur Verfügung zu stellen.
Aus dem Artikel von Brunner. Der ganze Artikel kann weiter unten gelesen werden.
Ich wies darauf hin, dass kaum jemand der Einladung widerstehen kann. Viele Politiker glauben, dass erst jemand, der Medienpräsenz hat, richtig existiert. Wer noch ein wenig vom Virus Mediengeilheit befallen ist, kann ohnehin nicht mehr Nein sagen.
Um den Sinn eines Auftrittes zu bewerten, müssten sich Kandidaten Fragen stellen wie:

  • Was ist das Ziel und der Zweck meines Auftrittes in einer Satiresendung?
  • Macht es Sinn, mitzumachen damit ich gesehen werden kann?
  • Kann ich als Politiker meine Botschaften ernsthaft rüberbringen?
  • Sage ich nur ja, weil ich weiss, dass jeder Auftritt eine Chance ist?
  • Will ich meine Schlagfertigkeit unter Beweis stellen?
  • Kann ich damit die gleiche Wirkung wie mit einem teuren Werbespot erreichen?


Hier sind zwei Hauptbedenken:

Kernjob:

Ein Politiker sollte sich über den Kernjob definieren, nicht über Gags. Der Spruch "Schuster bleib bei deinen Leisten" gilt auch für Politiker. Politiker sind in erster Linie Politiker sind und nicht Kabarettisten.
Risiko:

Das Risiko eines Flops ist gross. Die meisten Politiker kamen bei Giacobbo schlecht weg. Die Gefahr, sich zu blamieren, lächerlich gemacht zu werden, ist zu gross. Viele Politiker unterschätzen die Situation, am Tisch mit Profi- Schnelldenkern zu sitzen, die es verstehen, die unterschiedlichsten Register des Irritierens, des Destabilisierens, des Provozierens zu ziehen.
Giacobbo/Müller vom 12. April, 2009, mit FDP Nationalrat Philipp Müller als Gast. Quelle: Schweizer Fernsehen
Beispiele:
  • Nationalrat Mario Fehr in der Reality Show.
  • Sarah Palin im Wahlkampf.
  • Micheline Calmy-Rey wurde dafür kritisiert, dass sie sich als Sängerin profilierte, obschon ihr Job das Politisieren wäre.
  • FDP Parlamentarier Philipp Müller glaubte vor einer Woche, eine Strategie zu haben. Er nahm sich vor, einfach drauflos zu reden und sich nicht unterbrechen zu lassen. Er setzte sich zwar über längere Strecken durch, doch war sein Wortschwall letztlich kontraproduktiv. Er kam gar nicht gut weg. Mit seinem aufgesetzten Verhalten wirkte er lächerlich.
  • Nationalrätin Fehr machte vor Monaten einen peniblen Eindruck. Sie sass hilflos da.
  • Nationalrat Ziegler oder Pfarrer Sieber versuchten ihre Thesen und Botschaften isoliert hinunterzubeten. Das wirkte ebenfalls grotesk.
Giacobbo/Müller 2008, mit SVP Präsident Toni Brunner als Gast. Quelle: Schweizer Fernsehen
Nur wenige konnten die Chance nutzen und verstanden es, Satire, Unterhaltung und Politik unter einen Hut zubringen. Zu diesen erfolgreichen Politikern zählte beispielsweise Toni Brunner sowie ein junger JUSO Vertreter.

Ich rate Politiker in der Regel ab, an Satire Sendungen mitzumachen. Politiker sollten dafür die Chance eines normalen Interviews nutzen und auch sonst immer bereit zu sein, Journalisten über politische Fragen Red und Antwort zu stehen.


Wer trotzdem mitmacht, muss sich mit dem Genre der Sendung gut ins Bild setzen, die Sendung und die Methoden und Fragetechniken der Moderatoren analysieren. Der Politiker müsste auch ein Flair für Satire, Humor und Wortklauberei haben. Wer kein klare Strategie und keine eindeutige Position hat, der sollte sich nicht zur Verfügung stellen.


Artikel von Michael Brunner
Der Artikel im Landbote
SN Beitrag vom 20. April
Nachtrag vom 20. April 2009 SVP Nationalrat Hansjörg Walter hat in der Sendung Giacobbo/Müller bewiesen, dass man mit einem klaren Konzept und einer eindeutigen Strategie und mit einer guten Vorbereitung auch an einer heiklen Satiresendung Sendung bestehen kann. Nach wenigen Minuten merkte man, dass Walter gut vorbereitet war und die meisten Fragen antizipiert hatte. Einstellungsmässig ging er den Auftritt richtig an. Er selbst war zwar nicht überzeugt, dass er die Nöte der Landwirte thematisieren konnte, es gelang ihm aber gut, die Kernbotschaft zu wiederholen und immer wieder zu betonen, dass die Bauern zuviel Milch produzieren. Seine Antwort zur Beinahewahl als Bundesrat hingegen war unglaubwürdig. Nach der Nichtwahl war damals offensichtlich, dass Walter es bereute hatte, nicht sich selbst die Stimme gegeben zu haben, denn er selbst hätte die Wahl gerne angenommen. Es hatte es damals nicht so locker genommen, wie er es nun bei Giacobbo behauptete. Hansjörg Walter hat bestanden, weil er sich gut vorbereitete und die richtige Einstellung mitbrachte. Vor allem der Start mit der Gummikuh und dem Schluss mit dem Kuh-Buch waren gut.

Trotz solch guter Beispiele ist Politikern abzuraten, sich als Tischclown profilieren zu wollen. Politik und Satire sollten zwei verschiedene Paar Stiefel bleiben, obschon es auf der Politbühne immer wieder zu unfreiwilligen Clownnummern kommt.



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