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www.rhetorik.ch aktuell: (15. Mar, 2009)

Steinbrücks Indianer Parabel

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:


Quelle: Schweizer Fernsehen vom 14. März
Ein schlitzohriger Peer Steinbrück meinte am 14. März, er wisse gar nicht von einer Liste, auf der die Schweiz steht:
"Die Schwarze Liste ist die 7. Kavaleriere von Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."

War die "schwarze Liste" nur ein Trick? Schon am 12. März hatte die OECD dementiert, dass es eine solche Liste gibt. Quelle: NZZ


Die vom Tagesanzeiger gefundene "schwarze Liste": Quelle
Nachtrag vom 16. März: Der Tagesanzeiger hat die "schwarze Liste" gefunden: "Noch am Donnerstag behauptete ein OECD-Sprecher, seine Organisation habe gar keine schwarze Liste. Man habe lediglich die G-20 informiert, welche Länder "Einschränkungen bei der Weitergabe von Bankinformationen an ausländische Steuerbehörden kennen". Das OECD-Papier, das Tagesanzeiger.ch/Newsnetz nun vorliegt, reiht allerdings nicht bloss 46 Länder oder Staatssplitter auf, welche ungenügende "Fortschritte" bei der Steuersünder-Bekämpfung machten: Es schlägt auch vor, wie man gegen solche Länder vorgehen könnte."

20 Minuten: "Die Schweiz ist offenbar tatsächlich auf einem Entwurf für eine schwarze OECD-Liste der Steueroasen vom 5. März aufgeführt."




"Bund": Bundespräsident Hans-Rudolf Merz eilte am Samstag zum Vorbereitungsgipfel der Finanzminister der G20 im südenglischen Horsham. Merz führte nach dem Finanzministertreffen ein Gespräch mit dem britischen Premier Gordon Brown an dessen Amtssitz in London. Hinterher gab sich der Bundespräsident zuversichtlich, dass die Schweiz nicht auf der Schwarzen OECD-Liste der unkooperativen Steuroasen landet. Brown habe ihm seine Unterstützung zugesichert. Der helvetische Finanzminister protestierte bei Brown, weil die Schweiz ohne Absprache auf der provisorischen Schwarzen Liste der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) figurierte. Die Liste sei am 5. März erstellt worden, ohne dass die Schweiz als OECD-Mitglied davon Kenntnis erhalten hätte. Der Bundesrat habe erst am vergangenen Donnerstag davon erfahren. Das sei weder politisch noch völkerrechtlich akzeptabel.

"Tagesschau": Der CVP-Fraktionpräsident Urs Schwaller hält mit seiner Kritik an den Bundesrat nicht zurück. Im Interview mit der "Tagesschau" fordert er den Gesamt-Bundesrat zum Handeln auf. Man dürfe sich nicht vom Ausland vorschreiben lassen, wie ein Staat mit seinem Bankgeheimnis umzugehen habe. Für Urs Schwaller ist klar: Für die Schweiz stellt sich die Frage des Bankgeheimnisses nicht, auch nicht die Frage, ob der Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufgehoben werden soll. Somit könne er die Forderung den links-grünen Parteien nicht verstehen. "Im Moment ist dem Bundesrat die Diskussion um die Steuerfrage entglitten". Es schade dies dem Bild der Schweiz. Der Bundesrat müsse führen und mit den Kantonen zusammen Lösungen suchen, die im Zusammenhang mit den bilateralen Verhandlungen den künftigen Forderungen entsprächen.

"Blick:" Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück freut sich diebisch, dass sich -der Bunde--s-rat von einer -angeblichen -schwarzen Liste hat schrecken lassen. Eine schwarze Liste, die es offenbar nicht gibt, und ein deutscher "Cowboy", der über die Schweizer "Indianer" spottet. Der Bankgeheimnis-Befreiungsschlag des Bundesrates ist gar keiner.

"Tagesschau vom 14. März" Die USA begrüssen die vom Bundesrat angekündigte Lockerung des Schweizer Bankgeheimnisses. Dies sagte US-Finanzminister Timothy Geithner nach dem Treffen der Finanzminister der G-20 in der Nähe von London. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zeigte sich hingegen weiterhin skeptisch. SF-Korrespondent Peter Balzli glaubt nicht, dass der Druck auf die Schweiz nach der Lockerung des Bankgeheimnisses abgenommen hat. An der Pressekonferenz von Steinbrück sei ernüchternd gewesen zu hören, mit wieviel Ironie und Spott Steinbrück über die Schweiz gesprochen habe. Dabei verglich er die Schweiz mit Indianern und die OECD und die Deutschen mit der Kawallerie. Es hätte nie ein Schwarze Liste gegeben, es sei nur ein Instrument gewesen um die Indianer in Angst und Schrecken zu versetzen.


Nachtrag vom 16. März: Deutscher Botschafter muss im EDA antanzen. Quelle


Nachtrag vom 18. März: Der Spiegel vom 18. März hat die Wildwest-Rhetorik Steinbrücks und seine Wirkung auf die Schweizer zum Thema.

"Erst drohte er ihnen mit der Peitsche, dann verglich er sie mit Indianern, die vor der Finanzkavallerie kuschen: Mit Krawallrhetorik hat Peer Steinbrück die Schweizer gegen sich aufgebracht. (...)

Im Herbst hatte Steinbrück der Schweiz schon mit der "Peitsche" gedroht, falls sie im Streit um Steuerflucht und Bankgeheimnis nicht einlenke, und hatte damit einen regelrechten Volkszorn bei den Eidgenossen entfacht. Aussenministerin Calmy-Rey, eine Sozialdemokratin wie Steinbrück, verbat sich schon damals "diesen Tonfall", und erinnerte daran, dass Steinbrück mit den Schweizern nicht zu reden habe, als ob sie Kinder seien.

Vergangene Woche nun, nachdem die Schweiz auf massiven internationalen Druck hin tatsächlich eingewilligt hatte, ihr Bankgeheimnis zu lockern, tat er es schon wieder: Steinbrück verglich die Eidgenossen spöttisch mit Indianern, die man offenbar erfolgreich mit der Kavallerie eingeschüchtert hatte.

Spott - das war nun wirklich nicht die Reaktion, mit der die Schweizer Regierung gerechnet hatte. Die Preisgabe des Bankgeheimnisses ist für das Land ein schmerzhafter Prozess, nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung, sondern auch weil es für viele Schweizer gewissermassen zur nationalen Identität gehört. Zufrieden nahm die Regierung zur Kenntnis, wie der britische Premier Gordon Brown den Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz zum Zeichen der Anerkennung in der Downing Street Number 10 begrüsste, und wie sich US-Finanzminister Timothy Geithner in warmen Worten über die Schweiz äusserte. Steinbrück dagegen sah trotz allen Entgegenkommens offensichtlich keinen Anlass, seinen bärbeissigen Ton zu ändern.

Das Schweizer Fernsehen strahlte die Auslassungen Steinbrücks zur Schweiz ungeschnitten und in voller Länge aus: Geradezu masochistisch lange verharrte die Kamera auf Steinbrück, der in London vor einer bunten Wand sass. (...)

Steinbrück jedenfalls ist in der Schweiz seit seiner Peitschendrohung zur Hassfigur geworden. Die Ängste der Schweizer vor den aggressiven Teutonen bedient er wie kein zweiter - und er scheint sich in der Rolle zu gefallen.

Und dann war da ja auch noch das Zitat eines anderen führenden Sozialdemokraten: SPD-Chef Franz Müntefering löste Fassungslosigkeit aus, als er Ende Februar in Bezug auf Länder wie die Schweiz sagte: "Zu früheren Zeiten hätte man da Soldaten hingeschickt." Martialische Drohungen mit Peitsche, Kavallerie und Soldaten kommen schlecht an in der Schweiz - gerade aus Deutschland. "Unschwer lässt sich vorstellen, wie die Polen reagieren würden, wenn ihnen ein deutscher Minister mit der Peitsche drohte", hatte der Chefredakteur der "NZZ am Sonntag" schon im Herbst kommentiert. Die harmonieseligen Eidgenossen reagieren sensibel auf jegliche Anzeichen von deutscher Aggressivität. Steinbrück dagegen hält von Harmonie wenig, und kaum ohne Grund bezeichnete er einst das Nashorn als sein Lieblingstier. (...)




Thomas Müller. Nachtrag vom 18. März: "20 Minuten" kommentiert über die Sonderdebatte zum Finanzplatz Schweiz: Steinbrück definiert das Bild des hässlichen Deutschen neu". CVP-Nationalrat Thomas Müller wählte beleidigende Worte. Der Spiegel schreibt: Schweizer Politiker vergleicht Steinbrück mit Nazis.


Nachtrag vom 19. März, 2009: Der Nazi Vergleich Müllers wirft in Deutschland hohe Wellen. Angela Merkel: "Es ist richtig und unabdingbar, Ross und Reiter mit Namen zu nennen", sagte sie heute im Bundestag im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Steueroasen. Und in den deutschen Online-Medien ist das verbale Eindreschen auf Peer Steinbrück Top-Thema. 20 Minuten.
Auch Schweizer Politiker sind sich einig, dass der Nazi-Vergleich unakzeptabel ist. Die CVP hat sich von den Aussagen ihres Nationalrates Thomas Müller distanziert. Der schon mit Drohbriefen aus der Schweiz belästigte Steinbrück nimmmt aber nichts zurück. Der Blick: Peer Steinbrück peitscht zurück.



Der Spiegel vom 19. März schreibt: Von Peitschenhieben ist die Rede, von Indianern und Nazis: Der Konflikt zwischen Peer Steinbrück und der Schweiz gleitet ins Absurde ab. Offiziell stützt ihn die SPD - aber die Union ist vergrätzt, und selbst manche Genossen fürchten schon, der Finanzminister könne als "Irrer" wahrgenommen werden.




Nachtrag vom 20. März, 2009:

Die bösen Worte Steinbrücks gegen die Schweiz lösten einen riesigen Medienwirbel aus. Er nahm durch die Unterstützung der Kanzlerin mit dem Spruch "Ross und Reiter dürfen beim Namen genannt werden" neue Dimensionen an. Die Schweizer waren hellhörig und sahen sich als Indianer auf den Pferden. Bei Bevölkerung, Medien, Parlament, Bundesrat nahmen Steinbrücks einmalige bissige Angriffe groteske Dimensionen an. Die Thematik ist immer noch Medienthema Nr.1 und wurde auch in der deutschen Presse prominent diskutiert. Psychologen, Soziologen, Politologen, Kommunikationsexperten waren gefragt und hatten Hochkonjuktur. Die Medien wollten wissen, weshalb Steinbrück dieses einmalige Medienecho ausgelöst hat. Konnte an den verbalen Entgleisungen des Wirtschaftminister der latente Deutschenhass ausgelebt werden? Oder: War die Bevölkerung froh, dass man den Frust während der Wirtschaftskrise in Deutschland und in der Schweiz ausleben konnte? Persönlich vertrete ich der Meinung, dass nur Dialoge weiterhelfen könnten, die Lage zu besänftigen. Dazu bedarf es jedoch eines Wirtschaftminister, der eine Prise Selbstkritikfähigkeit und und einen Bundesrat, der aktiv wird. Der aktiv wird und das Gespräch mit dem Peitschen-Rhetoriker sucht. Salange jedoch Steinbrücks Sekretariat immer wieder das Telefon aufhängt, wenn Journalisten um ein Interview bitten, treten wir an Ort.


Nachtrag vom 21. März, 2009

Der Traum der Indianer: Steinbrück am Marterpfahl. Quelle: Tagesanzeiger


Nachtrag vom 22. März, 2009

20 MInuten berichtet, dass Finanzminister Hans-Rudolf Merz lässt seinen deutschen Amtskollegen und härtesten Schweiz-Kritiker, Peer Steinbrück, ins Leere laufen lässt und dessen Einladung zu einem Treffen vor dem G20-Gipfel ausschlug. VBS-Chef Ueli Maurer hat diese Woche seinen bundesrätlichen Repräsentationswagen, einen schwarzen Mercedes-Benz, gegen einen Renault Espace eingetauscht, "als persönlicher Protest".

Und: Die verbalen Entgleisungen des deutschen Finanzministers Steinbrück provozierten geharnischte Reaktionen in der Schweizer Politik. Doch in Berlin gibt man sich erstaunt über die Empörung der Nachbarn. "Negative Bilder gehören zur Politik", heisst es im Finanzministerium. Und: Die Schweizer gingen zu wenig entspannt mit dem Thema um.

Hans Rudolf Merz meint in einem Blick interview: Blick: Herr Finanzminister, in den Augen Ihres deutschen Amtskollegen Peer Steinbrück sind Sie nicht Bundespräsident, sondern ein Häuptling der Schweizer Indianer. Was sagen Sie zu dieser Beförderung? Hans-Rudolf Merz: Als Bundespräsident ist man Landesvater. Als Landesvater sollte man Emotionen nicht noch aufheizen, sondern versuchen, sie zu kanalisieren. Wer mich kennt, weiss: Ich würde nie jemanden persönlich angreifen. Das ist nicht mein Stil.

Illustration aus NZZ am Sonntag 22.3.09




Nachtrag vom 24. März, 2009

Steinbrück-Streit gefährdet Kampfjet-Deal Über den Eintausch Maurers Mercedes zu einem Renault Chart meint ein Sprecher: Der Minister werde wieder auf seinen Wagen deutscher Herkunft zurückgreifen, wenn dieser aus der Inspektion zurückkomme. "Es war ohnehin nur ein Augenzwinkern, eine Reaktion auf Steinbrück, dass dieser die guten Beziehungen zwischen unseren Ländern nicht stören kann", erklärte der Sprecher. Warum die Schweizer die Contenance verlieren:

"Hinter der Empörung über Steinbrücks Umgangston verbirgt sich freilich auch die Ratlosigkeit vieler Schweizer, wie mit Angriffen auf ihr Land umzugehen ist. Es ist ja nicht nur Steinbrück, der Druck macht auf die Bankenindustrie, das Herz der Schweizer Wirtschaft. Noch mehr zu schaffen machten der Branche in den vergangenen Monaten die Begehrlichkeiten der USA gegen die Grossbank UBS, die amerikanischen Kunden bei der Steuerhinterziehung behilflich war. Am Anfang des "Wirtschaftskriegs", den der Chef der eidgenössischen Bankenaufsicht ausgerufen hat, stehen epochale Veränderungen: Der Kalte Krieg hatte der Schweiz ein warmes Nest geboten, als neutrale Finanzdrehscheibe war sie nützlich, als De-facto-Mitglied des Westblocks gefeit gegen Kritik, als Urlaubs- und Luxusgüterland allseits beliebt. Eine aussen- und wirtschaftspolitische Verteidigungsstrategie schien nicht vonnöten. Die neuen Konflikte irritieren die konsensfreudigen Schweizer. Warum bloss haben sich plötzlich Grossmächte gegen sie verschworen? Warum lassen sie sich nicht gnädig stimmen von den Instrumenten, mit denen die Schweiz in den vergangenen Jahren die Steuerflucht, namentlich aus Deutschland, erschwert hat? In der innenpolitischen Debatte war das Bankgeheimnis schweizerischer Prägung von den Rechts- und Mitte-Parteien jahrelang zum Nichtthema erklärt worden. Noch im vergangenen Jahr polterte Finanzminister Hans-Rudolf Merz, das Bankgeheimnis sei "nicht verhandelbar", diejenigen, die das nicht wahrhaben wollten, würden "sich die Zähne ausbeissen"."


Nachtrag vom 27. März, 2009: 20 minuten: T-Shirt-Spezialist Shirtcity.com lässt den deutschen Finanzminister als Indianer von T-Shirts strahlen.

20 Min:: "Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) zeigt sich über die zunehmenden Gehässigkeiten gegen Deutsche in der Schweiz besorgt."


Nachtrag vom 28. März, 2009: "Nicht verkneifen konnte sich Verkehrminister Leuenberger einen Seitenhieb auf die Angriffe des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück. Zum von Steinbrück geäusserten Indianer-Vergleich sagte Leuenberger, er empfinde es durchaus als Ehre, als Indianer bezeichnet zu werden. "Lieber eine nachhaltige Rothaut als ein bleiches Grossmaul", sagte Leuenberger." Quelle: 20 Min.




Nachtrag vom 30. März, 2009: Der Spiegel hat ein Interview mit Michelin Calmy-Rey, in dem sie die Polemik Steinbrücks kritisiert.




Nachtrag vom 2. April, 2009: Die OECD setzt vier Staaten auf Schwarze Liste: Urugay, Costa Rica, Malaysia und die Philippinen. Die Schweiz ist nicht auf der Liste. Quelle: Spiegel.



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