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www.rhetorik.ch aktuell: (25. Okt, 2008)

Steinbrücks Peitschenrede

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Steinbrücks Rede. Quelle SFDRS.
Reaktionen auf Steinbrücks Rede.


Der Deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat an einem Ministertreffen von 17 Mitgliedstaaten der OECD die Schweizer Steuerpraxis kritisiert. Er ist nicht der erste deutsche Finanzminister, der sich hier ärgert. Schon Hans Eichel hatte vor 4 Jahren eine hübsche Vorlage gegeben. Allerdings hatte Eichel damals nicht gedroht. Steinbrück ging weiter und von einer "Schwarzen Liste" geredet.

Was Steinbrück in Paris sagte, kam in Bern nicht gut an. Die Schweizer Landesregierung ist empört und überrascht. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten wurde beauftragt, den deutschen Botschafter Axel Berg ins Bundeshaus zu zitieren. EDA-Chefin Micheline Calmy-Rey meinte, die Wortwahl Steinbrücks sei aus Sicht des Bunderates sei unangebracht:

"Wir waren sehr überrascht, befremdet und vor allem enttäuscht über diesen Tonfall. So redet man nicht mit einem Partnerland".


Steinbrueck ist im Moment wie viele seiner Kollegen wegen der Finanzkrise unter Druck und Stress. Man kann deshalb schon verstehen, dass die aufgebaute Frustration irgendwo Dampf abgelassen werden muss. Die Schweiz war da ein geeignetes Ziel. Die Aussenministerin:

"Es geht offenbar darum, dass Deutschland Geld braucht. Das kann ich gut verstehen. Aber man sollte deswegen nicht nach einem Sündenbock suchen."


Der verbale Ausrutscher des deutschen Finanzministers war kontraproduktiv. Damit weckte er in vielen Schweizern Ressentiments vor allen bei Bürgern, die allergisch auf schulmeisterliche Töne vom nördlichen Nachbarn reagieren. Die unbedachte Schelte wird vor allem Wasser auf die Mühle jener Kreise leiten, die sich generell gegen fremde Vögte und Diktate der EU zur Wehr setzen. Die Schweizer- Bevölkerung schätzt es nie, wenn man ihr das Selbstbestimmungsrecht schmälern will. Steinbrück hat den Globaliserungsbestrebungen einen Bärendienst erwiesen.

Der Bunderat hat sich richtig verhalten. Es geht nicht an, dass ein frustrierter Minister die Schuhe am Nachbarland reinigen will.

Quellen:


Nachtrag vom 26. Oktober, 2008

Bundesrätin Calmy-Rey sagt in einem Interview ¨bber die Verbalattacke des deutschen Finanzministers:

Peitschenhiebe sind selbst in der Erziehung tabu. Drohungen mit Peitschenhieben unter Nachbarn darf es nicht geben!


Illustration aus NZZ am Sonntag vom 26. Oktober "Der Peitschenknall"


Zwei Titel aus der NZZ am Sonntag


Aus "Sonntag", 26. Oktober 2008
Nachtrag vom 29. Oktober, 2008

Aus einem Spiegel Artikel vom 29. Oktober:

Für den kollektiven Entrüstungssturm sorgte gar nicht in erster Linie die inhaltliche Kritik an der Schweiz - sie ist schliesslich nicht neu. Vielmehr waren es Urheber und Tonfall, die einen nationalistischen Reflex geradezu herausforderten: Martialische Drohungen aus Deutschland wecken bei den Schweizern auch 63 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Angst und Trotzgefühle gegenüber dem Giganten im Norden.

Nichts schweisst die Schweizer so sehr zusammen wie der Angriff eines Deutschen, der mit der Peitsche droht. Steinbrück erfüllt so sehr die Klischeevorstellungen der Schweizer vom aggressiven Teutonen, dass er als Feindbild wie gerufen kommt. Vor allem die Drohung mit der Peitsche schlug in der harmoniesüchtigen Schweiz - wo man auch im Streit immer freundlich bleibt - wie ein Artilleriegeschoss ein.



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