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www.rhetorik.ch aktuell: (15. Okt, 2008)

Die dritte Obama-McCain Debatte

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die letzte Debatte zwischen Barack Obama und John McCain fand an der Hofstra University statt. Sie wurde von Bob Schieffer von CBS am runden Tisch moderiert. Im Gegensatz zu den vorherigen Aufeinandertreffen blieben die Kandidaten während der gesamten Zeit sitzen. Beide Kandidaten konnten maximal zwei Minuten lang antworten. Nach jeder Frage konnten beide Politiker knapp zehn Minuten diskutieren. Der Moderator und das Publikum stellten keine Nachfragen. Obama und McCain sprachen sich mit Vornamen an. Für McCain war das TV-Duell die letzten Chance, den Wahlkampf zu seinen Gunsten zu wenden. Die Finanzkrise hatte ihm immens geschadet. McCain bekräftigte sein Vorhaben, in Not geratene Hausbesitzer durch staatliche Intervention schnell zu helfen. Obama warb hingegen für Steuererleichterung für den Mittelstand und stärkere Belastungen für einkommenstarke Amerikaner. McCain bezeichnete dieses Vorhaben als "Klassenkampf". In den Themenfeldern Gesundheits- und Familienpolitik verdeutlichten beide Seiten ihre bisherigen Standpunkte.
Reuters Zusammenfassung


McCains starke Momente: McCain wirkte angriffslustiger. Seine Steuer- und Wirtschaftspolitik veranschaulicht er mit "Joe, dem Klempner", der das Unternehmen, für das er seit Jahren arbeitet, kaufen will. McCain rechnet vor, dass sein Steuerplan Joe sein Vorhaben ermöglicht. Obamas hingegen nicht. Glaubhaft wirkte seine Distanzierung von George W. Bush. "Senator Obama, ich bin nicht Präsident Bush. Wenn Sie gegen Präsident Bush kandidieren wollen, hätten Sie vor vier Jahren antreten müssen", sagte er früh in der Debatte. McCains schwache Momente: In einigen Momenten wird das Alter des Kandidaten deutlich. Gelegentlich entgleisen ihm die Gesichtzüge. Man sieht Abneigung, fast Wut auf Obama. Als er sich über den harten Wahlkampf beschwert, treten ihm Tränen in die Augen. Hier übertreibt der Politik-Veteran. Manchmal hatte ich das Gefühl, er lache Obama aus. Was auffällt: Die hohe Lidschlagzahl. John McCain hat sich zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gemausert.
Obamas starke Momente: Der Demokrat blieb während der gesamten Debatte sachlich. Er geht immer freundlich mit dem Gegner um. Obama überzeugt mit seinen Ausführungen zur Abtreibungsfrage, mit der Vorstellung seines Steuerplans, der eine Entlastung für 95 Prozent der Mittelschicht vorsieht. Obamas schwächste Momente: Er geriet oft in die Defensive. Während McCain sprach, blickte er oft nach unten und lächelte angestrengt. Seine Erwiderung auf McCains Bush-Distanzierung fällt eher lahm aus: "Ich verwechsele Ihre Politik manchmal mit jener von Präsident Bush, weil Sie in Kernpunkten der Wirtschaftspolitik ein glühender Unterstützer von Präsident Bush waren".


In der Debatte waren auch der Wahlkampf selbst ein Thema. Es wurde härter und konfrontativer debattiert. McCain wirkte als kämpferischer aber eher verbissen. Der Kiefer war auch während des Sprechens verschlossen. Er wird auch schlechter verstanden. Er machte oft Notizen. Obama strukturierte wie gewohnt seine Antworten. Obwohl er schwächer als sonst wirkte, wird Obama im Urteil des Publikums gut abschneiden. Ein neues Element der Rhetorik ist das Ansprechen eines fiktiven "Joe, der Klempner" im Fernseh Publikum, das McCain begann und das Obama dann auch übernahm.
Joe, der Klempner wird von McCain angesprochen
Obama nimmt den Faden auf und erklärt Joe seinen Plan fürs Gesundheitswesen.


Nachtrag vom 16. Oktober: Umfragen und Bemerkungen
  • CNN: 58 Prozent denken Obama habe gewonnen, 31 Prozent, dass McCain besser war.
  • Washington Post: Obama nannte Palin nie mit Namen, Obama trug einen Fahnensticker, während McCain's kaum gesehen werden konnte. McCain versuchte sich über die Eloquenz von Obama lustig zu machen.
Die Zungenmimik von McCain gab ein Bild, das auf vielen Seiten auftauchte, So im Blick, früherer Fall


Nachtrag vom 17. Oktober: Nachlese :

In der dritten Runde gelang es McCain, sich deutlicher von Bush zu distanzieren. Er spielte jedoch zu sehr den Politiker alter Schule mit zu vielen Schlagworten. McCain mangelt es an der emotionalen Komponente. McCain wirkte oft angespannt und steif. Diese Spannung wird durch erhöhste Lidschlagzahl und starre Kieferpartie verdeutlicht. Dadurch wirkt er defensiver. Rhetorischer Formeln wie "I will", "we need to have" oder "the point is" dominierten. Seine Voten waren jedoch kürzer als die von Obama.

Obama wirkte überlegter und präsidialer. Mimik und Stimme stimmten überein. Er konnte die Wähler mit natürlicher Dialogik ansprechen. Attacken steckte er souverän weg. Formulierungen wie "John, let me...", "to make shure that" oder "I think that wie" nutzte er öfters als Einleitung. Er verlor das Pastorale, hörte gut zu, blieb konzentriert und freundlich, war dennoch bestimmt und machte eindeutige und differenziertere Aussagen.


John McCain könnte das Blatt noch kehren, wenn sich in den nächsten Wochen die wirtschaftliche Lage entspannt, falls Obama ein Skandal nachgewiesen werden könnte, oder eine neue internationale Krise eintreffen würde. Es war auch die Rede vom Bradley Effekt: Unterschwellig rassistische Motive werden von Umfragen nicht erfasst. Obama weiss von der Gefahr und hat seine Anhänger nicht umsonst davor gewarnt, sich vorschnell als Sieger zu fühlen. Er weiss: das Rennen ist noch nicht gelaufen.



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